Manager
Text zum Thema Arbeit und Beruf
von tueichler
Seit Tagen schon ging ein Gerücht um, Linda würde sich mit dem Chef nicht mehr grün werden. Man merkte es in Telefonkonferenzen, in Mails und ganz stark merkte ich das, wenn ich mit Linda redete. Sie sprach von einer möglichen Umstrukturierung und ob ich nicht Lust hätte, zusammen mit einem älteren Kollegen in den USA in ihre, eventuell neue, Abteilung zu wechseln. Kein operatives Geschäft mehr, nur noch Standardisierung, Planung und Projektorganisation.
Montag, Ich versuche Linda per Mail zu erreichen, um mit ihr meine Wechsel zu besprechen. Empfänger unbekannt. Ich versuch anzurufen, da Mailsysteme ja bekanntermaßen Fehler haben können. Nummer unbekannt. Mittags dann, eine kurze Mail von Lindas Chef an die Abteilung. Er wünscht ihr alles Gute und im Übrigen sucht sie sich gerade eine andere Herausforderung außerhalb der Firma.
Das klang von Linda am Freitag noch deutlich anders. Kein Dank, keine Anerkennung vor den Mitarbeitern, keine Vorstellung ihrer Nachfolge. Den operativen Part würde jetzt M. übernehmen.
Nun gut, ich hatte Kontakt mit Linda und erfuhr, dass sie am freitagnachmittags mit goldenem Handschlag unerwartet und mit sofortiger Wirkung die Firma verlassen hatte. Wie stillos! Es stellte sich mir die Frage, wie denn nun meine weitere Karriere aussehen möge. Die Abteilung mit dem Kollegen aus den USA hatte sich erledigt und Urlaub stand an.
Nach ca. einer Woche im Urlaub bekam ich einen Anruf (andere Zeitzone, anderes Land), ob ich bereit wäre für die Hälfte von Lindas Mitarbeitern das Management zu übernehmen. Oder man müsste mal sehen, wie mein weiterer Verbleib in der Firma sich gestalten würde.
Ich hatte sowas schon mal durch und kann mich erinnern, dass man versuchte, ausgewählte Mitarbeiter mittels ausgedehntem Mandalamalens in einer ‚Flex-Abteilung‘ zum vorzeitigen Ausscheiden aus der Firma zu bewegen,. Ich war standhaft geblieben.
Ich stimmte also zu und hatte die verbale Zusicherung, ich hätte alle Freiheiten, den Job so zu gestalten, dass aus den Mitarbeitern, die kaum noch kommunizierten (was nach der 7. oder 8. Reorganisation nicht anders zu erwarten war) ein Team zu bilden. Ich brachte also Struktur ins Team, Mitarbeiter in Singapur, USA und Deutschland bekamen regelmäßige Personalgespräche, Workshops und schriftliche Zielvereinbarungen – alles, was es so vorher nicht gab.
Nach einem Jahr dann, ich hatte ebenfalls sogenannte ‚Was‘ und ‚Wie‘-Ziele, wurde mein Bonus von m einem neuen Manager und seinem neuen Manager gekürzt mit der Begründung, ich hätte den Erwartungen an einen Manager nicht genügt, ohne jedoch dies näher zu erläutern. Das war mit unerklärlich, hatte ich doch für das Team und seine Leistung mehr getan als alle Manager vor mir.
Erst später ging mir auf, dass es gar nicht gefragt war, wirklich etwas zu verändern. Es ging lediglich darum, aus den Wortblasen des oberen Management weitere Wortblasen zu generieren und zu präsentieren, die aber folgenlos bleiben sollten - wenn auch offiziell anders postuliert.
Im Haifischbecken überlebt man nur, wenn man entweder andere frisst oder aber sich einen größeren Hai als Beschützer sucht, der dann aber eine Gegenleistung fordert, wie zum Beispiel blinden Gehorsam. Bei Linda hatte ich das zwar gesehen, konnte ich daraus aber so schnell nicht lernen oder, besser, nicht verstehen. Führungsqualität und Beförderung stehen sich oft diametral gegenüber.
Bald gehe ich in Rente.