Schwerstarbeit

Text

von  Saudade

Nein, nein, nein, so geht das nicht! Ich erweckte ja den Eindruck als ob meine Großmutter nur das "Weibi" gewesen wäre. Das war sie nämlich nicht. Sie wurde beinhart Hochschwanger, kurz vor der Niederkunft, von ihrem Göttergatten verlassen, das wusste sie aber nicht, sie bekam "Das Telegramm", aber der Bursche lebte noch und schaffte es mit neuer Identität nach Berlin. Das ist eine Geschichte, die ihr nie erzählt werden konnte, Gott sei Dank, denn die Liebe war stark. 

Sie arbeitete wie ein Vieh im Krankenhaus, kam nieder, arbeitete weiter, bis die Bombe einschlug und sie alle, so erzählte der Großvater, die Gedärme überall einsammeln mussten. 


Abgesehen davon, dass sowas einen Menschen prägt, war von "Karenz für Mütter" nichts zu sehen. Sie nahm das Kind in das Krankenhaus mit, da sie fast rund um die Uhr arbeiten musste. Ihre Familie war in Ungarn, somit war von Hilfe keine Spur. 

Dennoch, jeder Krieg geht auch vorbei und 1948 heiratete sie den jungen Arzt, der ihr galant den Hof machte, später den Kleinen als seinen Sohn annahm. 

1949 kam die Tochter zur Welt und 1952 verschuldete sich der Großvater bis auf das letzte Hemd, eröffnete eine eigene Praxis, in der die Großmutter als Sprechstundenhilfe den ganzen Tag arbeitete. Sie kauften ein Auto und die Großmutter machte den Führerschein. Sie fuhr ihn überallhin, besonders Nachts, untertags fuhr der Großvater zuerst mit dem Fahrrad, dann kaufte er sich ein Motorrad, denn damals gab es noch keine Mountainbikes, er musste stets auf den Berg hinauf. 

Die Praxis sperrte er um 8 Uhr auf und um 13 Uhr zu, danach gab es Mittagessen, um 14 Uhr war er im Spital als Oberarzt. Dreimal die Woche Werksarzt in dem nahegelegenen Stahlwerk, einmal die Woche Schularzt. Dazwischen Leichenbeschau für die Polizei. Oma war hierbei keine Madame Bovary, nein, sie arbeite bei ihm, ging danach mit ins Spital und war Krankenschwester und um die Kinder kümmerte sich inzwischen eine Nachbarin, die sie dafür bezahlten. 

In der Nacht schliefen die Kleinen bei der Nachbarin, denn beide wurden ein paar Mal aus dem Schlaf gerissen oder hatten Nachtdienste. 

1956 hatten sie alle Schäfchen im Trockenen und waren schuldenfrei, ein zweiter Arzt siedelte sich im Nachbarort an und so konnte der Großvater es sich leisten, am Montag einen Ruhetag einzulegen, auch Urlaube am Gardasee oder an den schönen Seen Österreichs wurden sich geleistet. Hierbei meistens Camping, wo die Großmutter nur machte und tat, Essen gingen sie nie. Die Großmutter bestand nur auf einen Luxus, nämlich das schönste und beste Auto. Sie war der Meinung, das sei wichtig, denn schließlich ihr "Werkzeug". Früher wie Heute war das auch ein Prestigeobjekt. 


Die Jahre vergingen und so ging es ihnen finanziell gut, dies, weil sie alles so beibehielten, Tag und Nacht gemeinsam arbeiteten. Nur das Krankenschwesterdasein gab die Großmutter auf und kümmerte sich am Nachmittag um ihre Kinder. Später hatte sie dann drei Kinder, denn ihr Sohn bildete sich ein, er müsse mit 17 eine Frau zweimal hintereinander schwängern und heiraten, lief davon und fuhr nach Amerika, kam nie wieder zurück (wegen des Unterhalts) und das junge Mädchen lud die zwei Mädchen bei der Großmutter ab. Nun war sie für drei Mädchen da. Das Muttergen kannte sie wenig, sie war mit der Arbeit verbandelt. 

So verflog das Leben und sie konnten sich gut aufstellen, bekamen keinen Schilling geschenkt. Die Großmutter wurde vom Großvater für ihre Dienste verwöhnt. Beide waren Tag und Nacht zusammen. 

In der Rente arbeitete der Großvater noch bis er 82 war im Stahlwerk als Vertretung, dies täglich bis Mittag. Sie verzichtete auf eine Hausdame und machte alles selbst, fluchte dabei immer. Sie hasste das "Hausfrauendasein" wie die Pest. 

Einmal sagte sie: "Erfüllung bringt das keine." Sah es als eine "Frauenlast". Der Großvater half ihr dabei niemals. Das hätte sie auch nie zugelassen. Sie sagte: "Der hat sein Leben lang gearbeitet!" Ich sagte: "Du auch!" Da sagte sie: "Gott bewahre, ein Mann im Haushalt!"

Eigenartig, irgendwie. Einerseits war sie völlig gleichgestellt und lebte das auch, andererseits beharrte sie auf "alte Werte". 

Sie sagte: "Bei meinen eigenen Kindern habe ich versagt." Das hatte sie, aber ich schwieg dazu. Bei ihren Enkelkindern nicht. Nur eines sagte ich: "Du hast getan, was du tun wolltest." Da sagte sie: "Nein. Kein einziges Mal." 



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Kommentare zu diesem Text


 niemand (10.08.25, 11:36)
@ Saudade
Diese Geschichte ist sehr persönlich, daher kann ich nur zu einer Stelle etwas sagen und zwar wo es heißt: Der Großvater [Omas Ehemann] hat ihr nicht geholfen [Haushalt] und ihre  Bemerkung die lautet: "Gott bewahre, ein Mann im Haushalt". So waren die Werte damals. Männer wurden so erzogen, dass es quasi eine Schande war etwas im Haushalt zu tun. Erstens von gesellschaftlicher Vorstellund und zweitens von ihren Müttern. Und nun kommt es, gegen jede Mitarbeit zu erziehen [den Jungen] und sich dann letztendlich beschweren [ich meine Frauen] dass er sich bedienen lässt und nix machen will. Ein Widerspruch, bei dem die Mütter den schwarzen Peter von mir bekommen, auch wenn die Gesellschaft quasi schuld daran ist, letztlich.
Man hätte langsam, behautsam gegenarbeiten können,als Mutter. Sicher nicht leicht, aber nur so könnte ein Keim der Mitverantwortung gelegt werden.Das sage ich, obwohl ich volles Verständnis dafür habe, dass man sich gegen gesellschaftliche Normen nur schwer wehren kann. Wo aber nichts keimt,
aus welchen Gründen auch immer, dort wird auch nichts wachsen.
LG Irene

 Saudade meinte dazu am 10.08.25 um 11:45:
Gutes Thema... ich glaube, dass sich bei uns da viel getan hat. Meine Nachbarin lebt noch so. Die hat bei der Geburt der Kinder ihren Job aufgegeben und macht seit 26 Jahren den Haushalt und kümmert sich um den Vater. Die Männer machen gar nichts, null. Sie sagte:"Ich kann ja nichts mehr." So ein Blödsinn. Da krieg ich so einen Hals. Pension kriegt die nichts und ihr Mann sollte sie tunlichst niemals verlassen. Die verstorbene Rosi sagte immer:"Schau, dass du dich niemals von einem Mann abhängig machst!" Sie wusste, wovon sie redete, er verließ sie mit 50 und sie musste von vorne anfangen mit Nichts in der UNO und verließ dann die Welt, hinterließ einen Millionenbetrag. 
Ich gebe gerne zu, dass ich in meiner Beziehung auch den Mann wenig machen ließ, gerade mal die Wäsche aufhängen ließ. Irgendwie habe auch ich das Oma-Gen.


Antwort geändert am 10.08.2025 um 11:51 Uhr

 niemand antwortete darauf am 10.08.25 um 12:05:
"Oma-Gen" das muss es nicht sein, aber man macht einiges vielleicht doch besser? Weil man als Frau vielleicht mehr Talent dazu hat? Mein Mann hilft fortdauernd im Haushalt. Kochen würde ich ihn allerdings nicht lassen   :D da bin ich zu sehr ein Geschmäckler. Der würde alles essen, ich nicht. Dafür spült er wie ein Weltmeister, bringt den Müll täglich in die Tonne, kauft auch mal ein, wenn ich nicht einkaufen will,obwohl auch hier nimmt er alles was ich nicht kaufen würde, da ich wert auf  gute Qualität lege. Als ich meine Hand gebrochen habe, hat er alles gemacht, so gut er konnte [auch hier laut Talent]. Dafür ist er eine Kanone im Behördenumgang, juristisch kennt er sich auch bestens aus, repariert alle unsere Fahrräder, baut auch selber welche,
trägt mir jede schwere Tasche nach oben, wenn eingekauft wurde.
Eigentlich muss ich ihn stoppen, weil ich Wert auf Gleichbelastung lege, das lasse ich mir nicht nehmen. Er macht morgens das Frühstück, kocht nachmittags den Kaffee und hat mehr Intelligenz als so mancher Macho. Wäsche würde ich ihn allerdings auch nicht waschen lassen, obwohl ich vor ein paar Tagen die Idiotin war, die ein knallrotes Tuch mit weißen Socken in die Maschine legte.Jetzt darf ich rosa Söckchen tragen  :D

 Saudade schrieb daraufhin am 10.08.25 um 12:11:
Brauchst ihn noch? Ich hätte da auch einen Haushalt...😂

 DanceWith1Life äußerte darauf am 10.08.25 um 12:19:
Auf die Antwort bin ich gespannt

 niemand ergänzte dazu am 10.08.25 um 13:22:
@ Saudade

JA, aber er braucht mich auch  ;) wir sind ein gutes Team ...

 DanceWith1Life meinte dazu am 10.08.25 um 15:12:
Nicht schlecht 
Lg
Der emanzipierte Tänzer mit der Allergie gegen Beziehungsgedöns

 tueichler (11.08.25, 10:34)
Gefällt mir, weil es mit hohem Tempo aber unaufgeregt erzählt ist, so, wie man eben mal schnell einen Abriß einer Begebenheit einem Bekannten erzählt.

 Saudade meinte dazu am 11.08.25 um 12:45:
Vielen Dank!
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