Seelenfresser
Kurzgeschichte zum Thema Traum/ Träume
von RainerMScholz
Seelenfresser
Die Angst vor dem Einschlafen, wenn alles herum in Stille verharrt, eingeschlossen ist in einen eisigen Mantel aus Schweigen und Nacht - die Angst vor dem Einschlafen, ist wie die Furcht vor dem Tod.
Ich lösche die Lampe und steige zögernd ins Bett. Schwere Laken decken mich zu. Es ist kalt. In der Dunkelheit des Zimmers liege ich dann und starre mit weit aufgerissenen Augen an die unsichtbare Decke. Oder sind sie geschlossen? Sind meine Augen geschlossen und starren in Wahrheit nach innen, in mich hinein - und alles ist schwarz und dunkel, voller Schatten und ohne Farbe?! Wie das Negativ eines Bildes, nur ohne das gräuliche Weiß, die hellen Schattierungen, ein Echolot auf dem Zelluloid.
Die Luft ist stickig, die Decke zu warm trotz der bläulichen Kälte im Zimmer. Ich werfe meinen Körper hin und her und kann und will doch nicht schlafen. Etwas kriecht meine Beine hinauf. Etwas erhebt sein schreckliches Haupt am Fuße des Bettes und starrt mich gierig an, hungrig. Es hat acht Beine. Licht! Ich muß sofort das Licht wieder anschalten!
Schweißüberströmt sitze ich an der Bettkante und weiß, daß ich nicht werde schlafen können. Daß ich nicht schlafen darf, wenn ich bei Verstand bleiben will.
Ich schalte den Fernseher an und wieder aus; nehme ein Buch zur Hand, lege es zur Seite; das Innere des Kühlschranks strahlt eine kalte Wärme aus; das dunkle Fenster zur verwaisten Straße spiegelt einen unbarmherzigen Sternenhimmel wider.
Erinnerungen. Visionen, Bilder, Erinnerungen. Und die klare, stille Nacht. Und ich: Die Angst vor dem Schlaf.
Ein Glas billigen Rotweins weckt nur die anderen Monster in mir, die vergessen waren, beinahe, in so einer Nacht. Mit starr geweiteten Augen sehe ich an die nichtssagende leere Wand des Zimmers und überlasse mich meinen Alpträumen. Ich darf nicht schlafen, daß sie nicht zu Realität werden. Sie ersticken mich in mir selbst. Ich erwachte vielleicht nicht mehr. Oder an einem Ort, der zu grausam, zu irreal ist, um wirklich beschrieben zu werden. Orte in mir, und doch fern jeglichen Universums, Gegenden, die Traum und Realität nicht mehr trennen. Bin ich dort nicht schon angelangt?
Kein Licht. Die Dunkelheit frißt meine Seele. Frißt meine Seele. Frißt meine Seele. Meine Nacht. Mein Traum. Von Nachtrealität. Von Nachtsein.
Seelenfresser.
Nein. Jetzt muß es geschehen sein. Ich bin eingeschlafen. Nur für einen kurzen Augenblick. Es ist geschehen: Ich war lebendig ein Toter.
Die Bilder sind absurd schrecklich. Grauenbehaftete Bilder. Gesichter von Toten. Heiße Blutbäder, in denen Menschen gesotten werden. Tiefe Stürze in schwarze, schwindelerregende Abgründe. Riesige Mäuler und hervorquellende Augen. Ein Geräusch, ein Sausen und Vibrieren, ein Brodeln wie im Innern eines Zyklons. Dann wieder das Fallen in unergründbare Tiefen. Höllenfahrer, die mich grüßen mit zerschmetterten Gesichtern, brutal verstümmelt und doch nicht tot. Zerfetzte, zerstückelte Schädel, die in irrem Gelächter auseinanderbrechen. Wesen aus Asche; blinde Spiegelscherben, die das Fleisch zerstückeln. Löcher im morastigen Boden, die sind gefüllt mit Körpern; Knäuel aus Knochen, Haut, Beinen und Armen, ineinander verstrickt, leprös verschmolzen in inzestuösen, sodomistischen Akten. Ein Höllentor schlägt unaufhörlich mit einem blechern metallischen Krachen in seine Fassung, auf und zu, auf und zu. Ein Winken wie von einer Krähenklaue. Das Rauschen der verbrannten Wälder ist ohrenbetäubend. Ein Schreien und Kreischen des Leids der Geschundenen in alle Ewigkeit.
Ich bin wach. Ich schlafe nicht. Der Morgen graut. Es ist alles dunkel, doch ich weiß, der Morgen graut schon. Laß mich nur die Sonne sehen und alles wird gut. Nur diese Nacht.
Das Glas ist umgestürzt, der Rotwein sickert in den Teppich. Ich kann meine Glieder kaum bewegen, Arme und Beine sind schwer wie Blei.
Am Grunde eines tiefen schwarzen Sees, in einem vergessenen Wald. Festgesogen im Morast. Bewegungsunfähig. Ich stecke in zähem Schlamm, kann meine Beine nicht bewegen.
Da naht ein Zug. Ich kann sein leises Pfeifen schon hören. Ich stecke fest, werfe den Oberkörper nach vorne, rudere mit den Armen, doch nichts geschieht. Ich schreie - kein Laut. Meine Lippen formen Hilferufe, die Adern an meinem Hals drohen zu bersten vor Anstrengung - kein Laut.
Da biegt der Zug um die Kurve, rast auf mich zu. Die Lichter werden immer heller und heller, füllen meine Augäpfel. Das schrille Kreischen der Zugpfeife brennt in meinem Kopf.
Ich schlafe nicht. Die ratternden Metallräder zerstückeln meinen Leib, zerbrechen mein Gesicht.
Ich schlafe nicht. Ich schlafe nicht.
Der Morgen graut. Die Sonne schickt ihre ersten Strahlen über die Dächer der Stadt.
Bald werde ich wissen, ob ich wahnsinnig bin oder nicht. Ich werde es wissen, wenn die Wände sich rot färben wie Blut von meinen Träumen.
© Rainer M. Scholz
Die Angst vor dem Einschlafen, wenn alles herum in Stille verharrt, eingeschlossen ist in einen eisigen Mantel aus Schweigen und Nacht - die Angst vor dem Einschlafen, ist wie die Furcht vor dem Tod.
Ich lösche die Lampe und steige zögernd ins Bett. Schwere Laken decken mich zu. Es ist kalt. In der Dunkelheit des Zimmers liege ich dann und starre mit weit aufgerissenen Augen an die unsichtbare Decke. Oder sind sie geschlossen? Sind meine Augen geschlossen und starren in Wahrheit nach innen, in mich hinein - und alles ist schwarz und dunkel, voller Schatten und ohne Farbe?! Wie das Negativ eines Bildes, nur ohne das gräuliche Weiß, die hellen Schattierungen, ein Echolot auf dem Zelluloid.
Die Luft ist stickig, die Decke zu warm trotz der bläulichen Kälte im Zimmer. Ich werfe meinen Körper hin und her und kann und will doch nicht schlafen. Etwas kriecht meine Beine hinauf. Etwas erhebt sein schreckliches Haupt am Fuße des Bettes und starrt mich gierig an, hungrig. Es hat acht Beine. Licht! Ich muß sofort das Licht wieder anschalten!
Schweißüberströmt sitze ich an der Bettkante und weiß, daß ich nicht werde schlafen können. Daß ich nicht schlafen darf, wenn ich bei Verstand bleiben will.
Ich schalte den Fernseher an und wieder aus; nehme ein Buch zur Hand, lege es zur Seite; das Innere des Kühlschranks strahlt eine kalte Wärme aus; das dunkle Fenster zur verwaisten Straße spiegelt einen unbarmherzigen Sternenhimmel wider.
Erinnerungen. Visionen, Bilder, Erinnerungen. Und die klare, stille Nacht. Und ich: Die Angst vor dem Schlaf.
Ein Glas billigen Rotweins weckt nur die anderen Monster in mir, die vergessen waren, beinahe, in so einer Nacht. Mit starr geweiteten Augen sehe ich an die nichtssagende leere Wand des Zimmers und überlasse mich meinen Alpträumen. Ich darf nicht schlafen, daß sie nicht zu Realität werden. Sie ersticken mich in mir selbst. Ich erwachte vielleicht nicht mehr. Oder an einem Ort, der zu grausam, zu irreal ist, um wirklich beschrieben zu werden. Orte in mir, und doch fern jeglichen Universums, Gegenden, die Traum und Realität nicht mehr trennen. Bin ich dort nicht schon angelangt?
Kein Licht. Die Dunkelheit frißt meine Seele. Frißt meine Seele. Frißt meine Seele. Meine Nacht. Mein Traum. Von Nachtrealität. Von Nachtsein.
Seelenfresser.
Nein. Jetzt muß es geschehen sein. Ich bin eingeschlafen. Nur für einen kurzen Augenblick. Es ist geschehen: Ich war lebendig ein Toter.
Die Bilder sind absurd schrecklich. Grauenbehaftete Bilder. Gesichter von Toten. Heiße Blutbäder, in denen Menschen gesotten werden. Tiefe Stürze in schwarze, schwindelerregende Abgründe. Riesige Mäuler und hervorquellende Augen. Ein Geräusch, ein Sausen und Vibrieren, ein Brodeln wie im Innern eines Zyklons. Dann wieder das Fallen in unergründbare Tiefen. Höllenfahrer, die mich grüßen mit zerschmetterten Gesichtern, brutal verstümmelt und doch nicht tot. Zerfetzte, zerstückelte Schädel, die in irrem Gelächter auseinanderbrechen. Wesen aus Asche; blinde Spiegelscherben, die das Fleisch zerstückeln. Löcher im morastigen Boden, die sind gefüllt mit Körpern; Knäuel aus Knochen, Haut, Beinen und Armen, ineinander verstrickt, leprös verschmolzen in inzestuösen, sodomistischen Akten. Ein Höllentor schlägt unaufhörlich mit einem blechern metallischen Krachen in seine Fassung, auf und zu, auf und zu. Ein Winken wie von einer Krähenklaue. Das Rauschen der verbrannten Wälder ist ohrenbetäubend. Ein Schreien und Kreischen des Leids der Geschundenen in alle Ewigkeit.
Ich bin wach. Ich schlafe nicht. Der Morgen graut. Es ist alles dunkel, doch ich weiß, der Morgen graut schon. Laß mich nur die Sonne sehen und alles wird gut. Nur diese Nacht.
Das Glas ist umgestürzt, der Rotwein sickert in den Teppich. Ich kann meine Glieder kaum bewegen, Arme und Beine sind schwer wie Blei.
Am Grunde eines tiefen schwarzen Sees, in einem vergessenen Wald. Festgesogen im Morast. Bewegungsunfähig. Ich stecke in zähem Schlamm, kann meine Beine nicht bewegen.
Da naht ein Zug. Ich kann sein leises Pfeifen schon hören. Ich stecke fest, werfe den Oberkörper nach vorne, rudere mit den Armen, doch nichts geschieht. Ich schreie - kein Laut. Meine Lippen formen Hilferufe, die Adern an meinem Hals drohen zu bersten vor Anstrengung - kein Laut.
Da biegt der Zug um die Kurve, rast auf mich zu. Die Lichter werden immer heller und heller, füllen meine Augäpfel. Das schrille Kreischen der Zugpfeife brennt in meinem Kopf.
Ich schlafe nicht. Die ratternden Metallräder zerstückeln meinen Leib, zerbrechen mein Gesicht.
Ich schlafe nicht. Ich schlafe nicht.
Der Morgen graut. Die Sonne schickt ihre ersten Strahlen über die Dächer der Stadt.
Bald werde ich wissen, ob ich wahnsinnig bin oder nicht. Ich werde es wissen, wenn die Wände sich rot färben wie Blut von meinen Träumen.
© Rainer M. Scholz