Dino-Hochmut!

Kurzprosa zum Thema Dummheit

von  tastifix

Ich, eine erwachsene Frau von 55 Jahren, guckte mir im Kino einen Kinderfilm an. Wieso auch nicht??

Es ging es um pünktlich zur Gespensterstunde zum Leben erwachte Menschen und Tiere aus Urzeit, Antike, Mittelalter und Neuzeit. Jede Nacht machten sie das Museum unsicher und schlugen gehörig Krawall. Es war ein wirbelndes Theater mit allem Drum und Dran. Alles schritt, rannte und stapfte durcheinander.

Da gaben sich die Hunnen, Christoph Columbus, der wilde Westen und die High Society aus dem Mittelalter ein Stelldichein, die zugehörige Tierwelt nicht minder. Zebradamen flirteten ganz ungeniert mit einem imposanten Mammutbullen. Kleine Kapuzineräffchen ärgerten frech wie auch völlig furchtlos die afrikanischen Löwen und zogen sie am Schwanz. Australische Emus probten für den Marathonlauf und liefen mit weitausgreifenden Schritten trampelig alles über den Haufen.

Sogar die Neanderthaler und der Tyronnosaurus Rex fehlten nicht. Es war ein heilloses Durcheinander. Über manche Szenen mussten selbst die Erwachsenen lachen. Kein Wunder, die Jahrtausende tobten dort auf der Leinwand ja fröhlichst mit-, durch-, um- und auch gegeneinander.

Dem Rex mangelte es sichtlich an Fleisch auf den Rippen. Er hoppelte als etra dünner "Riesen-Gummi-Twiggyrich" durchs Bild. Unwillkürlich prustete ich laut los. Das erwies sich als gravierender Fehler.

Rexi - so nannte ich diesen Schlackerknaben heimlich - unterbrach seine Furcht einflößende Brüllarie und suchte aus luftiger Höhe jeden Zentimeter der Umgebung nach dem unverschämten Störenfried ab, der sich noch nicht einmal, wie der Respekt es eigentlich forderte, bei seinem Anblick vor Angst sofort in die Hose machte, sondern sich stattdessen anscheinend königlich über ihn amüsierte. Das war zuviel.

Auf der Leinwand jedoch wurde er nicht fündig. Er wäre kein richtiger Dinosaurier und erst recht kein echter Tyrannosaurus Rex gewesen, wenn er deswegen sofort die Fahndung eingestellt hätte. Er drehte seinen Kopf und sicherte mit geblähten Nüstern erschreckend angestrengt in Richtung der Zuschauer. Sein Blick heftete sich auf mich.

Ich dachte noch an nichts Böses, als dieses Biest jenem ihm zugedachten „Lebensraum“ plötzlich kurzentschlossen den Rücken zukehrte, sich voll tonnenschwerer Angriffslust ruckzuck durch die äußerste Flimmerschicht biss und dann mit Riesenmeilenstiefeln über die Stuhlreihen vor mir zielbewusst auf mich zusteuerte, um unter Garantie in den nächsten Sekunden dem endlich ausgemachten Frevler an die Gurgel zu gehen.

Die restliche Schar der Kinobesucher vor, neben sowie hinter mir stoben schreiend dem Ausgang des Saales zu und quetschten sich ins Freie. Nur ich klebte wie gelähmt an meinem Sitz fest. Das Prusten war mir längst vergangen. Ich stierte mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen dem Monster entgegen. Es gab kein Entrinnen mehr, mein letztes Stündlein hatte geschlagen. So glaubte ich...

Heute grübele ich, ob Rexi mich wohl für ´nen Zahndoktor hielt. Überraschend stoppte er seinen offensichtlichen Rachefeldzug, verharrte mit schief gelegtem Kopf, sperrte sein riesiges Maul auf und blies mir seinen fauligen Atem gegen die Nase. Notgedrungen bewunderte ich seine entzückenden Beißerchen, die leider mehr als gesund aussahen, dummerweise auch noch vollständig vorhanden waren und stellte mir gerade vor, wie entzückender es würde, von diesen Hauern zermalmt zu werden, als er mich ansprach:

"Warst du das gerade?"
Drohende Stimmlage, lauernder Blick.
Ich schluckte, kriegte fast nichts raus. Leugnen half nichts mehr, ich war ja schon entlarvt.
"Ja, abaa ich hab`s bestimmt n..nicht böse...!"
Vor Panik verschwamm mir alles vor den Augen, was den Vorteil einbrachte, dass ich dessen Fratze nur noch wie durch Nebel hindurch sah.
Warum nur biss er nicht endlich zu, dann hätte ich es wenigstens hinter mir?!
„Du kleiner Wurm wagst es, dich über mich lustig zu machen...?“
Hoch aufgerichtet stand er da, eine personifizierte Morddrohung.
Fix sammelte ich notdürftig mein noch bestehendes Mikro- Denkvermögen zusammen.
„Du träumst. Der ist doch schon seit Urzeiten tot!“
So einer wiederbelebten Staubwolke gegenüber verflog meine Furcht wie im Fluge.
Ich wurde regelrecht kess:
„Wurm? – Immerhin zähle ich zur Gattung Homo sapiens sapiensis, falls dir das etwas sagt?!“
Ich war mir ziemlich sicher, das nicht - mein Vorteil. Wie ich mir da einbildete, guckte er daraufhin urdämlich aus seinen weit auseinander ragenden Knochen.
„Huah, grr!“, machte er einen verlegenen Einschüchterungsversuch, der aber ins Aus verpuffte.
Der war ja fast so stur wie ich und das sogar ohne Verstand.
Sein Auge näherte sich bis auf wenige Zentimeter:
„H..dingsbums ist gar nichts gegen mich, du Floh!“, blaffte er mich an.
Floh? Was fiel diesem Klapperknaben eigentlich ein?
„Immerhin bin ich 1,61 Meter!“, empörte ich mich.

Doch das war garantiert von diesem unverständigen Kraftpaket zuviel des mathematischen Verständnisses erwartet. Fast versöhnlich und zunehmend souverän erklärte ich:
„Das sind 161 Zentimeter und 1610 Millimeter!“
Ich hatte den Koloss richtig eingeschätzt. Er guckte nicht mehr nur dumm, sondern regelrecht bekloppt aus der Wäsche und reagierte zu meinem Glück darauf dann auch total falsch:
„Zu klein für mich. Du Fast-gar-nicht-Portion!“

Brüllte es, schaute mich mit dinosaurisch-snobistischer Miene an, ääh, fast eher über mich hinweg, vollführte eine von Donnergetöse wegen zersplitternder Sitze begleitete Kehrtwendung und trampelte zurück in den Film. In dem nahm er Punkt 1 Uhr nach Ende der Geisterstunde den angestammten Platz auf seinem Podest wieder ein und wartete dann stumm sowie unbeweglich wie vordem auf menschliche Bewunderer.

Erleichtert und um vieles entspannter saß ich da.
„Wenn der wüsste, dass ich tatsächlich noch ´nen halben Zentimeter größer bin, hätte er es sich vielleicht doch anders überlegt!“

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