Uund rutsch!! (Nur ein ganz kleines bisschen übertrieben)

Kurzprosa zum Thema Humor

von  tastifix

Es war ja angesagt worden. Tag und Nacht schneite es, mal in dicken, mal in zarten Flocken segelte die kalte Pracht zur Erde. Manchmal aber segelte sie nicht, sondern wurde von starkem Wind wüst durch die Luft gewirbelt.

Am ersten Tag stand ich noch bewundernd am Fenster, neben mir meine Tochter, die sich gleich mir an all dem nicht satt sehen konnte.
„Wahnsinn, Mama, wie ne Märchenlandschaft!“
„Ja, haben wir hier, glaub ich, nur selten gehabt!“
„Sieht wunderschön aus! Mir tun nur die Vögel leid!"

Am Tag darauf verteilte ich einen Beutel Streufutter auf dem Rasen. Zum Glück erinnerte ich mich noch, wo der - von der Terrasse gesehen – in etwa anfing und bis wohin er reichte, denn es war keine einzige Grasspitze mehr zu sehen. Die Piepmätze waren von der Luxustafel begeistert und veranstalteten geflügelte Kaffeekränzchen, an denen sich sogar die Männchen beteiligten. Anscheinend ließ der Hunger sie sogar das weibliche Piepsen um sie herum vergessen.

Am dritten Tag dann betrachtete ich das Schneewunder schon weit weniger begeistert. Ich wohne nämlich im äußersten Süden Düsseldorfs, weit ab von der City, sozusagen fast hinter dem rheinischen Mond.
´Wenn das so weitergehen sollte, krieg ich hier Hausarrest!`
Und die weißen Bällchen fielen unaufhörlich dicht an dicht. Auf dem Terrassentisch wuchs der Schneeberg in beinahe beängstigender Schnelligkeit.
„Unglaublich, nich?“, meinte ich zum Papa meiner Kinder. „Du, auf dem Tisch liegen mindestens 80 cm Schnee!“
„Quatsch, höchstens 40!“
Ich traute den Augen nicht. Er stapfte tatsächlich in den Garten und maß mit dem Zollstock nach. Mit Triumph in der Stimme erklärte er:
„39 cm!“
„Also nee, es sind mindestens doppelt soviel, sieht nen Blinder mit nem Krückstock!“ –„Typisch Mann!!`

Weihnachten rückte rasch näher und es galt noch einiges zu besorgen. Eine Torte, ein Kuchen und jede Menge Plätzchen standen auf dem Programm. Wegen der Zutaten hätte ich wirklich anderthalb Stunden bis zum nächsten größeren Einkaufszentrum zu marschieren, denn die Bahnen und Busse verspäteten sich erheblich oder fielen aus.

Sicherheitshalber griff ich mir die ollsten Boots, die ich überhaupt besitze. Sie tragen außer der erwünschten Profilsohle leider zusätzlich sehr auffällige Leuchtstreifen. Ich hatte die Schuhe von meinen Töchtern geerbt, die wohl nicht mehr als wandelnde Laternen rum laufen wollten.
„Hoffentlich ists nicht glatt!“
„Mama, nimm auf jeden Fall dein Handy mit und gib mir Bescheid, wenn ich dich abholen soll!“
Gute Idee! Damit befand ich mich auf der sicheren Seite.

In der Zeitung las ich, wie toll Düsseldorf das Schneechaos im Griff hätte, inklusive das Streuen der Straßen. Der Journalist musste ein anderes Düsseldorf gemeint haben. Dass die kleine Zufahrtsstraße zu meinem Haus nicht mit Streugut versehen wurde, wunderte mich nicht. Dass die etwas breitere Zufahrtsstraße zu unserer Zufahrtsstraße ebenfalls in makellosem Weiß glänzte, verzieh ich noch. Aber, dass der vierspurigen Durchgangsstraße kein einziger Streukrümel spendiert worden war, fand ich unmöglich, zumal ich an die Mär, dass kein Salz mehr zur Verfügung stehen würde, nicht so recht glaubte.
„Hm, könnte ja die Stadt anrufen und ihnen mein Salz aus der Küche anbieten!“
Doch dafür war es mir zu schade, denn dachte ich an die dreckigen Autoreifen ...

Eingemummelt wie ein Eskimo, trat ich aufs Eingangspodest. Allein das war schon ein waghalsiges Unterfangen, denn verschmierte Steine sind rutschig. Nach drei mutigen Schritten landete ich im Schnee. Rechts von mir etwa ein Meter angehäufter Schnee, links von mir fast ebenso viel. Dazwischen ein Trampelpfad kristalltief sauberer, weißer Köstlichkeit, wohlgemerkt, glatt getretener Köstlichkeit. Mit Trippelschritten wie eine Balletttänzerin überwand ich den Weg bis zur Zufahrtsstraße. Bei deren Anblick allerdings dachte ich vage an Umkehr.

„Nein, keine Torte usw. kommt nicht in Frage!"
Zentimeter für Zentimeter kämpfte ich mich durch die Schneehügel am Straßenrand vorwärts. In den Fahrspuren zu laufen, wäre einem Möchtegern-die-Beine-brechen-Versuch gleichgekommen. Nach wenigen Minuten blieb mir jedoch nichts anderes übrig, als die Straße zu überqueren. Andernfalls wäre ich wer weiß wo gelandet, nur nicht im Einkaufszentrum.

Den Blick starr auf den Boden heftend, nutzte ich selbst die winzigen Schneehuckel als Antirutsch-Rettungsanker und mogelte mich so um die Kurve. Hier endlich war gestreut worden und aufatmend  spazierte ich voran. Doch eine halbe Stunde später war Schluss mit lustig. Es wurde glatt. Erneut am Straßenrand entlang stolpernd, freute ich mich über jeden Meter, den ich, ohne Arm- und Beinbruch hinter mich brachte. Es machte mir geradezu Mut.
„Hallo, seien Sie vorsichtig. Dort vorn wird es spiegelglatt! Ich wär fast gefallen!“
Die Frau, die mir da entgegen kam, hielt nur mit Mühe noch die Balance. Mir plumpste das Herz in die Hose.
´Ich schaff das!`, suggerierte ich mir.
Umzukehren wäre ja auch zu blödsinnig gewesen.

Wirklich erreichte ich eine Stunde später unbeschadet die Geschäftszone und stürzte mich in das Gewühl. Es machte seinem Namen alle Ehre und es wühlte so sehr, dass ich kurz darauf fast dreißig Minuten in der Warteschlange vor der Kasse stand. Vor der einzigen Kasse, denn die anderen sechs waren geschlossen. In Gedanken versunken schaute ich nach draußen:
„Ach du meine Güte!“

Es schneite und wehte wie verrückt - eine einzige weiße Wand! Frustriert trat ich den Heimweg an, schlinderte hier, rutschte dort und marschierte zögerlich weiter. Von allen Seiten peitschte mir der Schnee in die Augen und auch in die Nase. Es kribbelte furchtbar. Ich nieste, kramte mit halberfrorenen Fingern nach einem Tempo, stopfte es mit zittriger Hand zurück in die Tasche und zog mir die Kapuze soweit wie möglich ins Gesicht.

Eine halbe Stunde später reichte mir der kräftezehrende Kampf gegen das Schneetreiben in dem eisigen Wind und ich versuchte, meine Tochter zu erreichen. Doch das Handy streikte: Keine Verbindung. Mittlerweile lag der Schnee oberschenkeltief. Klitschnass bis auf die Haut, mit klappernden Zähnen vor Kälte und Händen und Füßen, die ich kaum noch fühlte, schaufelte ich mich wie ein Maulwurf keuchend durch die weißen Berge.

Dreißig Minuten später dann blieb ich erschöpft stehen:
´Ruf mich an!`
Ich griff ein zweites Mal das Handy. Diesmal hatte ich Glück.
„Ja, Mama?“
„Kannst du mir entgegen kommen?“
„Wo steckst du denn?"
"Auf halber Strecke!"
"Okay, ich versuch es!“

Ich wartete und wartete. Dann ein Anruf:
„Mama, die Garage ist halb zugeschneit und ich krieg das Tor nicht auf!"
„So ein Mist!“
Mir kam die rettende Idee:
„Martina, mach dir jetzt bloß keine Sorgen. Notfalls bau ich mir hier nen Iglu!“

Und ernähren würde ich mich halt von Nüssen, Backpulver und Vanillezucker.

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Kommentare zu diesem Text


 Sonnenaufgang (20.01.11)
von der menge an pracht hätte man sich ein iglu bauen können. wäre jedoch nicht so muckelig gewesen.
ich weiß, dir war es alles andere als lustig in dem moment.
hast rs aber lustig erzählt. lieben gruß von feli
rosablume (63)
(02.07.12)
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