Ich lasse es mir nicht nehmen, auch in der wärmeren Jahreszeit dem kleinen, gefiederten Orchester in meinem Garten regelmäßig Leckerbissen zukommen zu lassen. Um ehrlich zu sein, habe ich jeden Tag etwas für sie.
Zwei bestimmte Federbälle scheinen mich mittlerweile besonders gern zu mögen und besuchen mich tagtäglich: Elster Emilie und Ambrosius.
Emilie legt Wert auf eine hübsch gedeckte Tafel. Mitnichten gibt sie sich mit dem Wiesentischtuch zufrieden, sondern speist von einem blütenweißen Küchenteller mit romantisch geschwungenem Rande. Zu Recht, findet Ihr nicht auch? Schließlich schmettert sie mir stets eine ausgesprochen romantische Melodie vor.
Vielleicht ist Emilie ein sehr sozial eingestelltes Etwas und hat es der restlichen Vogelwelt gepfiffen, welch ein gut schmeckendes Geheimnis sich in meinem Garten verbirgt.
Jedenfalls pickt nicht mehr sie allein mir die Krümel vom Kopf, sondern es leisten ihr inzwischen eine Spatzenschar und mehrere Meisenpärchen begeistert dabei Gesellschaft. Sie zählen allerdings zu den vorsichtigeren Gesellen und halten einen deutlichen Sicherheitsabstand.
Seit etwa zwei Wochen ist noch jemand dazu gekommen. Jemand mit sehr viel Stilempfinden, wie ich es zufrieden feststelle. Ein hoch elegant serviertes Mahl verlangt nach einem entsprechend feierlichen Outfit des Gastes.
Also erscheint dieser geflügelte Zweibeiner im schwarzen Frack. Da ´nur in Schwarz` jedoch etwas traurig wirken könnte, trägt er einen knallgelben Schnabelstift, den er mit hoch erhobenem Kopf stolz präsentiert. Nicht jeder kann mit so etwas aufwarten!
Es ist ein Amselmann, der nach und nach seine Scheu vor mir verliert. Halte ich mich in der Küche auf, hüpft er bis nah vor meine Terrassentür, hockt sich dort hin wie auf einen Logenplatz im Theater und schaut mir bei der Arbeit zu, ohne mich auch nur eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen. Ab und zu legt er den Kopf schief. Ob es seine Art ist, mir Beifall zu spenden? Es scheint fast so.
Jeden Tag spielt sich das gleiche Ritual ab. Ich ertappe mich dabei, dass ich ihn nicht mehr nur still beobachte, sondern in der geöffneten Türe stehe und ihn mit leiser Stimme begrüße:
"Na, komm her! Klar hab`ich etwas für dich. Guck` mal!"
Nur einen Meter weit von mir entfernt sitzt er im Gras und schaut mich unverwandt an.
Und dann passiert es: Wieder einmal "treffen" wir uns am Terrassenrand. Ich rede sanft mit ihm. Plötzlich legt er seinen Kopf schief und antwortet mir:
"Piep, piep!"
Ich bin gerührt, lächle vor mich hin und erinnere mich an meinen Kanarienvogel aus Kinderzeiten, den ich selber handzahm erzogen und zu dem ich ein äußerst inniges Verhältnis aufgebaut hatte.
Von daher vermag ich ein wenig das Verhalten und auch die "Sprache" der Vögel zu deuten.
Dieses Piep heißt:
"Hallo, hier bin ich wieder. Ich find`dich nett!"
Doch dabei allein bleibt es nicht. Er hopst noch ein wenig näher, verhält und klappert ein wenig mit dem Schnabel.
"Bitte, bitte - ich möchte so gerne ein Leckerchen!"
Ich denke, dass ich träume und prompt kommt im Düsenjet-Tempo ein besonderer Leckerbissen geflogen. Mein kleiner Gast freut sich sichtlich, tippt mehrmals mit dem Schwanz auf den Boden und piepst mich hell an:
"Danke!"
Wer mich kennt, weiß bereits, was jetzt folgt. Ich kann gar nicht mehr anders und denke mir einen Namen für ihn aus.
"Was hältst Du von ´Ambrosius`?"
Da nachzufragen, gehört sich einfach so, denn schließlich ist mein neuer Freund bereits volljährig.
Einen Moment lang schaut er mich grübelnd an. Es ist ja eine schwer wiegende Entscheidung, die er treffen muss. Dann jedoch blitzen seine Augen fröhlich auf. Zumindest bilde ich mir es nur zu gerne ein.
Sein voller Name:
Ambrosius von Schillerfeder
Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.