Ich liebe einen anderen

Kurzgeschichte zum Thema Hass

von  Seelensprache

"Ich liebe einen anderen."
Ich wusste es. Ich habe es gespürt. Dennoch bin ich traurig.
Ich liege auf dem harten Stein am Rand des Flussbeckens und schaue gen Himmel. Es ist Nacht und dunkel. Ich tue nichts. Ich schaue einfach. Ich habe das Gefühl lachen zu müssen. Etwas das als Grinsen beginnt und als Kotzen enden will formt meine Gesichtszüge. Ich brauche einen Joint und ficken will ich. Sie schweigt und schaut über mich hinweg. Sie ist unsicher. Ich spüre es. Es ist mir egal. Sie ist mir egal. Ich werde zum Arschloch, doch das finde ich in Ordnung. Nett sein kann ich sowie schon. Will ja nicht stehen bleiben. Weiterentwickeln und so.
Ich schweige. Habe wieder verloren doch fühle mich überlegen. Ich denke in Sprechblasen. Zoome mich hinaus und bin nur noch kleiner Punkt und dunkel zwischen den Lichtern der Stadt. Ich schaue sie an und empfinde Ekel. Sie lässt sich ficken wie ein Stück Vieh von einem Perversen.
"Wir alle machen Fehler", antworte ich emotionslos. Sie sagt nichts. Ist zu schüchtern. Will mir nicht weh tun. Das ist lieb. Ich möchte auf ihren Körper kotzen. Ich möchte sie anschreien, ihr Vorwürfe machen und sie hassen. Doch Letzteres tue ich schon.
Sie war mein Besitz. Sie war meine Nähe. Ich teile nicht. Mit niemandem. Nun wird sie gehen. Ich werde sie lassen und lächeln und dem Leben dafür danken, dass es mir wieder einmal den Arsch wund gefickt hat. Ich werde nett sein und grüßen und meine Augen werden funkeln und ich werde sagen "Bin ich nicht nett zu dir und grüße ich denn nicht?" Und meine Lüge wird unter ihre Haut dringen und faulen und sie wird den Hass spüren, den ich sähe und dessen Knospen aus ihrem Mund und ihren Ohren dringen. Und sie wird krank werden an dem Gift meiner Worte.
"That's fucking life eh?" sage ich. Ich stehe auf und gehe.
"Tobi, bitte [...]", doch der Finger an meinem Mund zeigt ihr, sie möge Schweigen. Sie folgt. Das hatte sie schon immer getan und sie war gut darin. Nun hatte sie jemanden gefunden, der ihr das Leben zeigen konnte. Jemanden, der wusste, was es bedeutete; dieses Mysterium des Seins. Etwas, das ich nie hatte bieten können. Ich konnte nur eines gut; schweigen und hassen. Ich schwieg und hasste und hasste alles das um mich herum war. 
Ich starre einen Moment auf das Wasser. Es fließt und schon einen Augenblick später ist es verschwunden im rußigen Schlund der Nacht. Dann gehe ich. Ich blicke nicht zurück. Ich würde es gerne tun, doch ich werde stark sein. Stärker als mein Trieb, stärker als jedes Verlangen.
Sie steht auf. Ich höre ihre Schritte. "Warte", sagt sie. "Warte!", ruft sie. Ich gehe und halte nicht. Ich gehe nicht schneller und nicht langsamer. Ich gehe einfach nur; stilvolles Ignorieren. Fast finde ich Gefallen daran. Ein letzter erbärmlicher Rest Würde. Ihr Schritte werden schneller. "Jetzt warte doch bitte mal". Ich nehme Geräusche wahr, die nach ihr klingen. Ihren Inhalt verstehe ich nicht. Es scheinen sinnlose Vokal-Konsonanten-Folgen zu sein. Dann berührt ihre Hand meine Schulter. Ich bleibe stehen.
Ich werde nicht wütend sein. Ich denke nach über Worte. Ich denke Situationen. Ich überlege, was ich zuerst, zuletzt und dazwischen sagen werde. Ich denke nach über Pausen, Betonungen, über Reimmuster, Jambus, Trochäus, Daktylus. Ich denke an den herabsetzenden Blick, Versteinerung der Mimik, die Position meiner Hände, Kontraktion meiner Muskelfasern, aufrechte Haltung, Innenabstand meiner Füße, Krümmungsgrad meiner Beine. 
"Ja? Was gibt es denn?", sage ich, als habe man mich soeben nach dem Weg gefragt.
"Oh man Tobi. Das weißt du doch genau [...]"
Ich habe kein Bock auf Palaver. Keine Lust etwas auszudiskutieren. Wozu? Es ist alles gesagt. Es ist nicht notwendig Scheiße wie einen Kaugummi endlos in die Länge zu ziehen. Ich schaue sie an. Betrachte ihre dünen Lippen. Sie sind spröde und ihr Mund ist hohl wie ihre Worte. Sie spricht weiter.
Ich grinse. Dies irritiert sie. Ein Grinsen, groß wie an den Sternen festgezurrt, zieht sich über mein Gesicht. Es sind nicht die Worte an die ich dachte, nicht die Mimik, nicht der Blick, nicht die Position meiner Hände. Nichts davon scheine ich jemals gedacht zu haben. Ich kann nichts dagegen tun, nicht einmal dafür entschuldigen.
"Wieso grinst du?"
"Ich weiß es nicht"
"Du weißt es nicht? Was soll die Scheiße?"
Ich lache. "Richtige Frage, falscher Adressat!"
"Was? Was? Hatten wir 'ne Art Vertrag oder was? Seele verkauft oder was? Was willst du?"
Ich lache nur.
"Was willst du? Was willst du?"
"Ich will Spazieren", antworte ich, drehe mich um und gehe.
"Du Arschloch!"
Ich ziehe mir die Kopfhörer über. Sie soll sich verpissen. Ich trete in Lichter die aus dem Boden leuchten. Schatten kommen und gehen und ich bin alleine und viele. Anonyme Gesalten begegnen mir. Ihre Gesichter sind dunkel. Ihre Schritte schnell. Sie haben es eilig. Musik macht es erträglich. Ich drehe sie lauter. Ich sehe kleine Lagerfeuer, sehe Bierflaschen, rieche den Duft gegrillten Fleischs, sehe Menschen beieinander sitzen, sehe das Lachen auf ihren Gesichtern im Schein der Laterne oder des Feuers, das ihnen Licht und Wärme schenkt. Ich hoffe es möge ihnen das Gesicht auseinanderreißen. Ich biege ab auf die Brücke, die in das Stadtzentrum führt. Sie hat die Form eines Torbogens und auf ihrem höchsten Punkt bleibe ich stehen. Meine Hände umfassen das Geländer. Es ist angenehm kühl. Nun blicke ich zurück. Sie ist weg. Ich bin traurig und alleine. Ich setze mich auf das Geländer. Meine Beine baumeln hinab. Ich schaue in die Ferne. Ich weiß ich habe einen Fehler gemacht; bestimmt, sicher, wahrscheinlich. Alles wiederholt sich, doch ich weiß auch nicht.

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Kommentare zu diesem Text


 m.o.bryé (03.09.08)
bei der überschrift dacht ich erst, es würd bei der lektüre irgendwie schmalzig werden, pathetisch oder selbstmitleidig, auf jeden fall langweilig...aber joah..nix halt =)
atmosphäre ist während dem anfang so kaum da, im ende dafür umso stärker, ab den kopfhörern ungefähr.
vorher kommt seine stimmung aber superverständlich bei mir an, obwohl er, wie er ja selbst sagt, eigentlich eher das arschloch des augenblicks zu sein scheint, ist sie klar die antagonistin, nicht er. nur am schluss wird sie dann sympathisch, als sie eben weg ist. da kommt dann ein bisschen tränenperlende gänsehaut auf.
mir gefällt die umsetzung des themas.
lg,
Lena

 Seelensprache meinte dazu am 03.09.08:
Dass Du mich auf den Titel aufmerksam machst ist cool. Ich habe den echt immer aus Perspektive des Texts betrachtet und kam gar nicht auf die Idee der könnte schnulzig klingen. Schnulzige Texte liegen mir aber auch gar nicht. Gut, dass ich Dich dann doch vom Gegenteil überzeugen konnte
"tränenperlende Gänsehaut" hehe, das merk ich mir...
Danke für dein Lob! Find ich natürlich jut
The_black_Death (31)
(03.09.08)
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 Seelensprache antwortete darauf am 03.09.08:
Hi The_black_Death,
danke, danke Jetzt würde mich ja doch interessieren, was du denn glaubst, das passiert? Ich habe mir keine Gedanken darüber geamcht. Kannst es ja auch mit einer Geschichte probieren, wenn du Bock hast
Lieben Gruß

Tobi
Selene (29)
(03.09.08)
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 Seelensprache schrieb daraufhin am 03.09.08:
Hi Selene,
ja, vielen Dank für deinen Willkommens-Kommentar (tolles Wort), wie schon oben geschrieben, kam ich gar nicht auf die Idee, dass es schnulzig klingen könnte.... aber auch du hast weitergelesen? So leicht lässt du dich also nicht von einem schlechten Titel abschrecken... sehr sympathisch
Dass du mitfühlen konntest lässt mich himmel-hoch-und-bis-ins-unendliche jauchzen. Das ist Ziel meines Schreibens und so gut wie aller meiner Texte...
Die Beschreibung des Protagonisten gefällt mir, auch wenn ich mir selbst gar keine Gedanken dazu gemacht hatte, aber der Satz "er sieht so viel und doch so wenig" trifft es wohl ganz gut.
Das Palaver ist auch geändert. Danke für den Hinweis. Ich mag es, wenn ich lerne!
Liebe Grüße

Tobi

 polytoxyc (03.09.08)
Gefällt mir wirklich sehr gut. Der Text wirkt. Gut geschrieben noch dazu

Liebe Grüße
rosablume (63)
(08.09.08)
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