Jeden Tag dem Tod etwas näher(Xavers Sterben) NACHRUF

Innerer Monolog zum Thema Sterben

von  Feuervogel

Ich schaue dir beim Sterben zu, jeden Tag ein bisschen mehr. An dir ist nicht mehr viel dran. Die Haut spannt sich förmlich über deine Knochen. Vor Wochen bist du noch jeden Morgen vor die Haustür gewandert, jetzt wartest du auf mich,  dass ich dich auf die Toilette begleite. Lange sitzen kannst du nicht mehr. Die meiste Zeit schläfst du. Zwischendurch gebe ich dir zu trinken, damit du nicht austrocknest. Ich kann dir nur noch Suppe kochen zum Mittag, alles andere schmeckt dir nicht mehr. Deine Apfelschnitze, die ich dir schneide, davon isst du mal 2 oder 3. Alles strengt dich an. Wie lange noch? Wieviel Zeit haben wir noch miteinander? Ich weiß, dass du täglich gehen kannst. Damit müssen wir rechnen. Ich bin traurig, wenn ich dein Sterben betrachte. Ich gebe dir was ich kann. Streichle dein Gesicht oder halte deine Hände. Ich bin für dich da ein paar Stunden am Tag. Doch wenn ich dich verlasse, nehme ich dein Sterben mit. Ich kann nicht abschalten. Während dem Auto fahren kommen mir die Tränen. Ich wünsche dir einen guten Abgang, das wünsche ich uns allen. Vieles verstehe ich nicht. Immer wieder die Frage nach dem Sinn der menschlichen Existenz. Mein Glaube hilft mir nicht wirklich bei der Beantwortung dieser Frage. Ich möchte das es weiter geht...danach...Will, dass ich alle wieder sehe die ich liebe. Es schmerzt loszulassen. Ich danke dir, dass du mich an deinem Sterben teilhaben lässt, auch wenn es mich ganz schön beutelt. Du könntest mein Vater sein. Der stirbt auch jeden Tag mehr. Er hängt an der Dialyse. Ihn aber kann ich nicht begleiten. Wir sind einander schon vor langer Zeit gestorben. Das tut weh, sag ich dir. Aber das ist mein Schicksal. Jetzt muss ich los, ich muss zu dir. Du wartest sicher schon. Ich bin immer etwas nervös,  wenn ich zu dir fahre, da ich ja nicht weiß was mich erwartet, und ob du schon dem Tode wieder ein Stück näher gekommen bist. Aber das sind wir ja alle. Jeden Tag ein bisschen....




Michaela Möller


Anmerkung von Feuervogel:

Am 12.01. 09 verstarb Xaver P.Er ist friedlich eingeschlafen. Am 17.01.09 wäre er 85 Jahre alt geworden, dies wird der Tag seiner Beerdigung sein. Gerne hätte ich mit ihm diesen Tag gefeiert, nun werde ich Abschied nehmen. Ich danke dafür das ich ihn kurz kennen durfte. Er wuchs mir wie mein eigener Opa ans Herz.

Xaver machs etzt guat, do wo da etzt bisch wünsch I dir Ruh für dei Seel ond schau freundlich auf ons nonder....

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Kommentare zu diesem Text

chichi† (80)
(10.09.08)
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 Sonnenaufgang (10.09.08)
dieses zusehen und nicht helfen können zerrt an den nerven.
du machst was du kannst. das wichtigste, du bist für ihn da.
dies ist viel wert.
gruß feli

 Emotionalis (10.09.08)
Ich habe meiner Großmutter 4 Jahre lang beim Sterben zusehen müssen, langsam und qualvoll! Sie hatte Alzheimer, dann ist der Tod wirklich nur noch Erlösung. So etwas ist grausam...
LG Emotionalis
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