Rotes Meer

Kurzprosa zum Thema Tiere

von  RainerMScholz

Die Wellen. Rotschäumend spritzen die Wellen brüllend auf. Fontänen von Blut sprudeln, und der Himmel ist voller Rachen und Zähne. Knochen knirschen, Sehnen, Gewebe und Fleisch zerreißen, werden wie profaner poröser Stoff auseinandergerissen.
Eine weiße Yacht im Schimmer gedämpfter Laternen. Das Glas goldrandiger Sektkelche klirrt dezent frivol aneinander.
Zerreißt, zerfetzt, bricht auseinander.
Hoch die Errungenschaften des zivilisierten Abendlandes, der omnipräsenten Autokratie privilegierter Überlegenheit und des elitären allumfassenden natürlichen Willens zur Macht und dessen unerbittlicher und unbedingter Ausübung.
Ertrinkt dann und säuft ab, schluckt Salz, trinkt Blut.
Leise plätschernd spielen die Hinterkammermusikanten ihre mörderischen Melodien in der Tanzgrube des Illustren und Mondänen.
Zurück bleiben nichts als die Knochen, das rote Rauschen der See und das Fleisch. Der betrunkene Kapitän hinter dem Steuer segelt einen Kurs quer zum Vollmond. Vorbei am mediterroranen Flair der Ruinen vergessener Imperien, zerfallener Reiche, ausgebombter Kolonien, schwarzverbrannter Ländereien. Höllisches Mordor spiegelt sich in den Wassern. Schwarzes Atlantis. Zerfressenes Samarkand. Zurück bleiben die angefressenen Körperreste der Überbordgegangenen, die blutig die unter dem Neonmondlicht schimmernde Meeresoberfläche färben. Die Haie waren gesättigt. Das glänzende Schiff verfolgte weiter seinen eingeschlagenen Kurs an den Rändern der dunkelsten Nacht.

Rotes Meer. Haimeer. RotwieBlutMeer. Das riesige Maul reißt auf und zerrt ein Stück Fleisch aus dem Körper eines lebendigen Menschen. Einer der schreit und kreischt, der ruft verzweifelt über die öde Meereswüste, die Augen schreckgeweitet, wahnsinnig und vor entsetzter Angst ganz wund. Geräuschlos ein Schleichen und Gleiten wie ein Hauch dunkler Schwingen im Wasser der Maare. Unerwartet so nah, während der Einsame glaubte allein mit Gott sich, den Elementen, sich seiner selbst. Sicher.
Wie aus dem Nichts: Klaffende Mäuler, reißende Zähne. Die sprudelnde wütende Zerstückelung eines warmen, menschlichen Körpers, der atmet, lebt, gelebt hat und glaubte, noch leben zu werden. Die Ungewissheit der dunklen See, das Schwarz, das harte kalte Onyx unter den nackten bloßen Füßen, der bodenlose Grund. Abyss. Und die schreckliche Gewissheit der allumfassenden Hilflosigkeit, der unausweichlichen Todesnähe, der absoluten Unwahrscheinlichkeit jeglicher Rettung so weit ab im Außerhalb.
Dann, aus nicht geahnter, ungekannter Richtung, aus dem Versteck des Dunklen und Trüben, der wahrsten Unsicherheit, ohne Gedanke und ohne Seele, plötzlich aus der klarsten Tiefe. Die letzten schrecklichen Sekunden völliger Desorientierung und panischer, zu wahnsinniger Furcht gesteigerter Hysterie. Die letzte Sekunde vor der Ewigkeit.
Dann: kommt der Hai.
Die ultimative Offenbarung Gottes.
Die Zähne der Welt.



© Rainer M. Scholz


Anmerkung von RainerMScholz:

Unter Mitarbeit von Data-Lab. Danke.

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Kommentare zu diesem Text

Data-LAB (37)
(01.10.08)
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 RainerMScholz meinte dazu am 02.10.08:
Der Mittelteil gefällt mir auch nicht. Mal sehen, was ich da machen kann.
Grüße,
R.
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