"Verfickter Alkohol!"
Ich atme schwer. Kleine Brocken Kotze liegen in meinem Hals und warten darauf, von mir über den Dächern der Stadt verteilt zu werden. Meine Hände umgreifen fest das Geländer, während ich damit beschäftigt bin, schon einmal Gegessenes wieder hinunterzuschlucken. Ich denke nach über meinen grandiosen Abstieg zum Wiederkeuer.
Ich gehe auf der Dachterasse auf und ab, blicke über das Gemäuer und suche die Lichter der Stadt. Ich bemerke, dass es hier keinen schwarzen Himmel gibt und Nacht nur noch in fensterlosen Räumen existiert.
Ich versuche mich abzulenken. Es funktioniert. Ich denke nur noch selten daran, eigentlich kotzen zu müssen. Es ist wie diese Geschichte mit dem rosa Elefanten, wenn jemand zu dir sagt, dass du ihn dir nicht vorstellen sollst und du es dennoch tust. Die Lösung besteht darin, nicht zu versuchen, nicht daran zu denken, sondern andere Gedanken hervorzubringen, neue Kopfwelten wie Sandburgen am Strand zu bauen.
Ich schaue durch das hell erleuchtete Fenster in das Zimmer, dessen Boden mit Papkartons beklebt ist. Ich schaue den Tieren darin beim Fressen und Grunzen und Grasen zu und ich ekel mich bei ihrem Anblick. Sie sind widerlich und kehre ich dorthin zurück, so werde ich unweigerlich eines von ihnen und ich werde mich verlieren und ich werde grasen und grunzen und nichts wird mich von ihnen unterscheiden.
Ich nehme mir ein Bier und trinke einen Schluck. Danach trinke ich noch einen und viele weitere. Mir ist nun nicht mehr schlecht und ich trinke um zu vergessen, dass ich trinke.
Gelegentlich bricht eines der Tiere hinaus zu mir auf den Balkon und just in jenem Moment erkenne ich den Menschen in ihm. Ich schaue in seine Augen und ich fühle seine Einsamkeit, die auch meine ist und ich sehe seinen Wunsch gehalten und gestreichelt zu werden und jene Worte zu hören, die ihm sagen, dass er ein wertvoller Mensch ist.
Doch tritt er auf mich zu, so beginne ich zu grunzen und wie ein Tier an meinem Bier zu fressen. Wir reden Scheiße und nichts als Scheiße und mein Wunsch keine Scheiße mehr zu reden wird stärker und stärker und ich ekel mich vor ihm und vor mir und vor unserer Feigheit und Langeweile.
Ich frage mich, was mit uns geschehen ist, dass wir keine Ziele und Leidenschaften mehr haben, das wir nichts mehr verändern wollen. Ich habe Angst an ihrer Ohnmacht zu ersticken, die schwer auf meiner Brust liegt und mir das Gerippe tief in die Lungenflügel presst. Was ist aus uns geworden, dass wir uns selbst beweihräuchern und loben und huldigen, als seien wir Götter und im kleinen Kämmerchen weinen und uns betrinken, bekiffen und bedrönen, nur um die Sinnlosigkeit unseres Tuns nicht ertragen zu müssen. Und ich schaue in die Gesichter und ich lausche den Worten und sie machen mich krank denn sie sind leer, so leer.
Ich möchte sie packen und schütteln und ich möchte, dass sie das gleiche mit mir tun. Ich möchte, dass wir aufstehen die Welt zu verändern.
Ich ziehe mich zurück in eine Ecke und beobachte die kleinen Herden, die sich nun auch auf dem Balkon breit gemacht haben. Ich ziehe mich zurück und die Ecke wird kleiner und kleiner, so dass ich mich kaum mehr darin verstecken kann und desto mehr von ihnen hinaus treten, desto kleiner wird der Schutz den sie mir bietet und ich hocke darin und drücke mich langsam an der Wand zu meinem Rücken hinauf, bis ich auf dem Geländer stehe.
Es ist wackelig. Es ist wirklich ganz schön wackelig da oben. Es ist plötzlich sehr still geworden. Das Grunzen hat aufgehört und endlich ist Stille.
Ich lache. Ich lache laut und mein Lachen will kein Ende nehmen und dann, dann falle ich.
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Kommentare zu diesem Text
Tinkerbell (26)
(02.11.08)
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