[Kurznotiz/April.]

Tagebuch

von  Elén

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Anmerkung des Psychotherapeuten:
Bitte belasten Sie die Autorin nicht unnötig. Unter dem therapeutischen Gesamteindruck muss festgehalten werden, dass jegliche emotionale Stresssituation die Klientin in eine Psychose versetzen kann, die, es sei erwähnt, sich in irreversibler Form manifestieren kann.
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Arbeitstitel: Ein Ort für Nihil

Auf der gelb gelackten Bank sitzt Konrad. Tonlos und unschwer hat sich bei diesem Morgen die Frühlingssonne in den Tag, in den Garten, vor die Hecke und neben Konrad gestellt. Alles ist ausgeschlafen, alles ist zufrieden, alles reckt sich, streckt sich, alles zeichnet die Welt in lebendiger, in farbiger Kontur und, wenn nicht in Konrads rechtem, kühlem Lungenlappen ein recht eigensinniger Krebs sitzen würde, der ihm, dem kleinen chemotherapierten Konrad die Haare vom Kopf und die rosige Farbe aus dem Gesicht fressen würde, wäre es insgesamt ein geeignetes Bild für die Broschüre des Vereinskindergartens denkt der Bürgermeister und hebt sein Maß in den maigrünen Tag. -


Der Nachtfalter hat den Himmel zerknittert.
Ein Moment.
Eine Tatsache.
Ein Ausdruck des Zorns.

Wer Kühlschränke im Wald entsorgt
handelt gesetzeswidrig.
[/size]

.. alles ist, doch nur weniges wird und, als ich halb schlief und halb wach war und ich mir nachdachte sind mir mit einem Mal die Wirklichkeiten zuviel geworden und ich musste mich übergeben, -

was bleibt: versucht.

Ob Konrad klein ist und ein Kind, hat er wohl beobachtbar und in aller Deutlichkeit, ja, ganz öffentlich und ohne Aufhebens in den letzten Tagen einen ordentlichen Wachstumsschub mit sich veranstaltet, dort, hinter den versperrten Glasfenstern der Anstalt; im Doppelbettzimmer der Onkologischen Abteilung ist er dunkel geworden und sichtbar, ist er seiner Rolle gerecht geworden. Ist wesentlich gereift, hebt sich ab und begeht seine persönliche Lösung; er geht auf und platzt beinahe aus seiner Naht, - wie ein Leben entsteht, reift und vergeht. So ist der Begriff zum kleinen Konrad, der nun den Napf, den er vorübergehend in seinen Schoß abgestellt hat, aufnimmt und blutig hineinhustet.


Es ist weder unrecht noch von seltsamer Welt, wenn ein Sterbenskranker oder ein Verzweifelter sich mit einem Blatt Papier an den Tisch setzt und zur Mitte des Monats über die Existenzberechtigung der vorgedruckten Tage im Therapieblatt nachzudenken beginnt. –


Der Begriff der Selbstwirksamkeit
Muss im rechten Moment
Revidiert werden.
Zorn ist ein Bruder der Ohnmacht.
Tatsache.

Wer Kühlschränke im Wald entsorgt
handelt.
[/align]

Der Bürgermeister trinkt seinen Krug leer während er feststellt, dass er froh darüber ist, dass es weder ihn noch eines seiner Kinder erwischt hat. Ist froh, dass in seinen öffentlichen Vereinskindergarten nur gesunde Kinder von ihren Eltern oder Tagesmüttern hineingebracht werden und, er diesen Ort in logischer Konsequenz nun jäh als einen der gesunden Plätze seiner Gemeinde verzeichnen kann. –

Anmerkung eines Beobachters:
Als der kleine Spucknapf tonlos, lautlos auf die Wiese zwischen Gänseblümchen und Löwenzähne fällt, als mit einem dumpfen ‚klonk’ der kleine Konrad dem Spucknapf hinterher fällt, stellt die Autorin fest, dass es weder dem Bürgermeister noch sonst jemandem aufgefallen ist, dass Nihil in seinem eigens für diesen Moment bestimmten Kostüm sich bei diesem Morgen, im Garten, im Tag, - sich lautlos, tonlos neben die Frühlingssonne hingestellt hat.





Wirklichkeiten und Schränke im Wald,
ein kühler Krebs im sinnigen Moos, -

was bleibt: versucht.




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Kommentare zu diesem Text

MarieM (55)
(19.04.09)
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 Bergmann (19.04.09)
Gefällt mir gut, diese humorvolle Miniatur! Herzlichst: Uli

 beneelim (21.04.09)
wenn wir aufhören, zu sehen, was das sichtbare uns verbirgt, dann bleiben wir opfer und konsumenten. in diesem sinne: keep going :)
lg P

 Ingmar (04.05.09)
schlicht grossartig.

ingmar
hasenfuss. (23) meinte dazu am 26.05.09:
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 Dieter_Rotmund (02.07.18)
Graphisches Sammelsurium, z.T. fast unleserlich; einleitende Anmerkung so frechdreist, dass man sie fast wieder sympathisch finden könnte.
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