Whisperville

Märchen zum Thema Begegnung

von  MrDurden

Es war einmal vor langer Zeit in einem weit entfernten Land... da gab es hinter den bewaldeten Bergen am Horizont ein kleines unscheinbares Dorf namens Whisperville. Ein verschlafener Ort, umringt von gewaltigen, Jahrhunderte alten Eichen und Buchen... versteckt zwischen tiefen Wäldern und finsteren Sümpfen. Niemand wusste von dem kleinen Dorf. Niemand außer seiner Einwohner und einer alten einsamen Frau, die zurückgezogen und alleine einige Meilen entfernt von Whisperville lebte. Nur wenige Menschen kannten ihren Namen. Die meisten Leute hatten Angst vor ihr und erzählten sich unheimliche Geschichten von der alten Hexe mit dem dunkelblauen Mund, draußen im dunklen Wald. Nur selten verlies sie ihr altes knarrendes Haus, gezimmert aus großen durchwachsenen Holzplanken am Rande einer kleinen Lichtung des Waldes. Ab und zu wagte sie sich hinaus um Kräuter und Pilze zu sammeln. Doch am liebsten schlich sie in ihrem kleinen Garten hinter dem Haus umher um Blaubeeren zu pflücken. Die alte Frau war ein wunderlicher und ein wenig gespenstischer Mensch... doch sie war mehr, als die Menschen in ihr zu sehen vermochten.

Die Einwohner von Whisperville waren einfach gestrickte Leute. Sie verrichteten ihr Tagwerk, Jahr um Jahr. Bestellten ihre Felder, fuhren ihre Ernte ein, lebten in jeden ihrer Tage hinein ohne sich Gedanken umeinander zu machen. Unzufriedenheit bestimmte ihre Herzen trotz allem Frieden, aller Harmonie die das kleine Dorf zwischen Eichen und Buchen am Leben erhielt. Die Fassade des idyllischen ruhigen Ortes war untermalt von Neid und Missgunst gegenüber dem Nächsten. So vergingen die Jahre in Whisperville. Winter kamen und gingen wie im Flug, ein Sommer war reicher an Ernte und Handel als der andere. Doch mit jedem weiteren verdienten Reichtum drohte das kleine Dorf an der Habgier der Menschen zu zerbrechen.

Geschäftiges Treiben rankte sich um Whisperville wie die dornigen Arme einer Rose. Und in all der Hektik und Eile sah niemand den kleinen Menschen, der von all dem ausgeschlossen schien. Es war ein kleiner Junge, der auf der Straße lebte. Auch seinen Namen kannten die wenigsten Einwohner des Dorfes. Anders als die Menschen um ihn herum hatte er gerade soviel zu Essen um nicht zu verhungern. Sein Name war Tyler und er war bei seiner Mutter aufgewachsen, die ihm alles beigebracht hatte was sie wusste. Tylers Mutter war eine kluge und liebevolle Frau. Sie bereitete ihren Sohn auf all die Irrwege vor, die ihn einst erwarten würden. Und sie liebte ihn mehr als alles andere auf der Welt. So kam es, dass ein eisiger Winter hereinbrach. Es waren die kältesten Tage, die je in Whisperville vergingen. Das Leben meinte es nicht gut mit Tyler und so kam es, dass er seine Mutter an die Krankheit verlor, die ihr Haus heimsuchte. Der kleine Junge musste von nun an alleine zurecht kommen und verlies schweren Herzens sein zu Hause. Manchmal sahen ihn die Menschen durch die Straßen streunen. Er klaute Essen und Wasser, trug alte rissige Kleidung und sprach niemals ein Wort. Die Dorfbewohner mochten Tyler nicht, nein sie hassten ihn sogar. Und so beschlossen sie, ihn aus Whisperville zu verjagen.

Nächte- und tagelang streifte der kleine einsame Junge durch Dickicht und Unterholz. Schlief unter finsteren kalten Felsvorsprüngen, ging soweit ihn seine kleinen Füße trugen. Und als ihn sein Hunger schon beinahe besiegt hatte, kam er an einem alten Haus am Rande einer Lichtung an. Durch seine zusammengekniffenen Augenlider erkannte Tyler eine alte Frau an einem der schiefen Holzfenster. Sie musterte den Jungen ängstlich und verschwand im dunklen Inneren des Zimmers kurz bevor Tyler auf dem moosigen Waldboden zusammenbrach.

Traurige faltige Augen blickten ihn an, als der kleine Junge wieder zu sich kam. Langsam richtete er sich auf und betrachtete das alte düstere Zimmer. Es flackerte Feuer im Kamin und eine Tasse Blaubeertee stand neben ihm auf dem kleinen hölzernen Nachtschränkchen. "Mein Name ist Tyler." erklärte er der alten Frau. "Und wie ist dein Name?" Sie sah den kleinen Jungen argwöhnisch an, räusperte sich und murmelte leise durch ihre bläulich glänzenden Lippen "Mein Name ist Mary." Eine ganze Weile lang blickten sich die beiden in die Augen ohne nur ein Wort zu sagen. Sie tranken Blaubeertee aus kleinen hölzernen Krügen, erzählten sich Geschichten aus längst vergangenen Tagen. Und irgendwie schien es, als kannten sie sich schon ihr ganzes Leben lang.


Anmerkung von MrDurden:

Geschrieben für eine KV-Autorin. Hoffe es gefällt ihr.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

blaubeermund (26)
(12.07.09)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 MrDurden meinte dazu am 12.07.09:
Es ist schwer jemanden zu sehen, wie er wirklich ist. Und es ist leichter sich von Vorurteilen und Abwehrmechanismen beeinflussen zu lassen. Ich denke deshalb sind wir alle irgendwie ein Teil von Whisperville. Es ist traurig aber natürlich gibt es auch Ausnahmen. Tyler freut sich übrigens auch über die Begegnung

Liebe Grüße,
David
Elsa (25)
(14.07.09)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 MrDurden antwortete darauf am 15.07.09:
Dank dir für deinen Kommentar. Ja hast Recht, was wär das Leben ohne Begegnungen... Liebe Grüße auch an dich!
David
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram