Lincoln Park - Teil 4

Kurzgeschichte zum Thema Begegnung

von  MrDurden

Die meisten Menschen denken, dass ein Cop in Detroit von Anfang an mit allen Wassern gewaschen ist. Ein zäher Hund, und das schon nach der Ausbildung. Die Wahrheit ist, dass jeder das Ausmaß der Kriminalität in dieser Stadt mehr oder weniger genau abschätzen kann. Doch niemand ist auf die Dinge vorbereitet, mit denen man als Polizist konfrontiert wird.

Wahrscheinlich hast du etwas anderes erwartet und vielleicht ist es dir auch unangenehm, doch das ist mein Beruf seit beinahe zwanzig Jahren. Drogen, Gewalt, Armut und Verzweiflung sind Dinge, mit denen ich nicht aufwachsen musste. Meine Eltern waren anständige Menschen und den Entschluss, diesen Weg einzuschlagen, traf ich am Tag ihres Todes. Der Tag, als sie beide am helllichten Tag an einer U-Bahn-Station erstochen wurden. Ein Raubüberfall auf dem Weg zur Arbeit. Der Kerl wollte Geld und als er merkte, dass die Brieftasche meines Vaters leer war, stach er ihm in den Hals. Die Ärzte sagten mir später, es hätte länger als zehn Minuten gedauert, bis er dieser Verletzung erlag. Als meine Mutter zu Boden ging und hysterisch zu schreien begann, rammte der Angreifer sein Messer in ihren Bauch. Laut Augenzeugen war sie auf der Stelle tot.

Sie starben ohne jeden Grund und ich war nicht da. Seitdem schwöre ich mir jeden Tag zur Stelle zu sein, zu helfen und zu beschützen, wenn Menschen Schlimmes widerfährt. Doch heute nach mehr als zwanzig Jahren wiederholte sich alles. Wie jeden Tag war ich alleine auf Streife in Lincoln Park, als mich die Zentrale anfunkte. Eine scheinbar verwirrte Frau hatte die Entführung ihres Mannes gemeldet. Sie nannte weder ihre Adresse, noch einen Namen bevor sie auflegte. Nur eine wage Personenbeschreibung. Obwohl wir solche Fälle relativ schnell auf Eis legen, hielt ich Ausschau nach diesem Mann. 29 Jahre alt, etwa 1,75m groß, auffällige Tätowierungen. Mit anderen Worten, in Lincoln Park hätte das jeder Dritte sein können. Bis um etwa 20:00 Uhr fuhr ich meine Runden als mich ein weiterer Funkspruch erreichte. Fußgänger hatten die verstümmelte Leiche des vermissten Mannes gefunden.

Es gibt Dinge, die kann man nicht vergessen. Wenn man sieht, wozu Menschen imstande sind und was sie fähig sind, einander anzutun, dann stirbt in einem solchen Moment auch ein Teil von einem selbst. Mit den Jahren gewöhnt man sich an die alltäglichen Grausamkeiten der Menschen. Man wird kühler, gefasster und ist besser auf gewisse Situationen vorbereitet. Doch manchmal erreichen diese Situationen einen Punkt, an dem man nicht mehr von Menschlichkeit sprechen kann. All das Blut, jeder Finger wurde einzeln abgetrennt und sein Gesicht war so zerschnitten, dass seine Identität nur noch anhand seines Gebiss festgestellt werden kann.

Seine Sicherheit lag in meiner Verantwortung. Ich alleine war heute zuständig für Lincoln Park. Und wieder war ich nicht da um ihn zu beschützen.

Ich kenne noch immer nicht deinen Namen und vielleicht werde ich dich nach heute Nacht nie wieder sehen. Aber ich denke, du hast genug Einfühlungsvermögen, dir vorzustellen, was für einen Tag ich hinter mir habe. Danke übrigens für den Kaffee. Ist momentan genau das Richtige.

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Kommentare zu diesem Text

bleibronze (65)
(28.01.17)
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 RainerMScholz (16.05.17)
So naiv wie brutal. Schön.
Grüße,
R.

 MrDurden meinte dazu am 17.05.17:
Warum lesen momentan so viele Leute diese peinlichen, ollen Kamellen und lassen die neueren Perlen meines schreiberischen Schaffens vollkommen außer Acht? Ich verlange nach einer Erklärung!

 RainerMScholz antwortete darauf am 17.05.17:
Wahrscheinlich gut abgehangen. Dein neuer Text Pimmel allerdings auch.
Grüße,
R.
(Antwort korrigiert am 17.05.2017)
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