Abfluss verstopft die 2.

Erzählung zum Thema Gewalt

von  Feuervogel

Es klingelte an der Tür. Durch die Sprechanlage vernahm ich die Stimme der Polizei. Ich ließ sie ein. Der Dicke hatte tatsächlich gewartet. Er stellte sich ihnen in den Weg und sagte, er wolle sich selbst anzeigen. Unter Tränen gestand er den Bullen was er getan hatte. Ich lauschte hinter der Tür mit klopfendem Herzen. Einer der Beamten führte den ausgeflippten Handwerker schließlich ab. Der andere klingelte noch einmal an meiner Wohnungstür. Ich öffnete. Wir haben vernommen was ihnen wiederfuhr. Wollen sie, dass wir sie zum Arzt bringen. Ich verneinte dies, sagte, ich wolle nur meine Ruhe haben. Ihre Vernehmung zum Tathergang werden wir erst einmal verschieben. Kommen sie zur Ruhe, wir werden uns bei Ihnen melden. Danke, sagte ich leise, verabschiedete mich und schloss die Tür.
Benommen wankte ich in mein Wohnzimmer und setzte mich auf das Sofa. Ich muss mich anziehen, erst einmal duschen und dann etwas essen. In mir sehnte sich alles nach Routine und Normalität. Doch es war nichts mehr wie vorher, diese Begegnung hatte mich komplett aus dem Konzept gebracht. Was war nur in diesen Menschen gefahren? Ich ging in mein Badezimmer. Dort fand ich auf dem Boden das rosa Spitzenhöschen. Hatte ich nicht auch einmal ein solches besessen? Ich wusste es nicht. Das Höschen warf ich in den Wäschepuff, und legte meinen Morgenmantel ab um zu duschen. Meine Haut war kalt. Das warme Wasser der Dusche leckte mich zärtlich wie tausend Zungen. Von dieser feuchten Berührung erschüttert, fing ich zu weinen an. Erneut schüttelte es mich durch. Das war zu viel gewesen, hatte dieser Schlag in mein Gesicht doch Altes hochgewühlt und mich erneut gedemütigt. Wie oft war mir genau das widerfahren. Demütigungen ohne Ende.Wie oft bin ich geschlagen worden und nun auch noch von diesem Fremden. Nur weil ich seiner Frau ähnlich sehe, ich ihn an sie erinnerte? Wie kam er nur dazu?
Ich trat aus der Dusche heraus und rubbelte mich Geistesabwesend mit einem Handtuch trocken. Mir war nicht wohl. Ich fror noch immer. So stieg ich in meine Kleider und ging in die Küche. Erst einmal einen Tee kochen, dachte ich, der wird mir gut tun und mich wärmen. Außerdem sollte ich lüften, die Wohnung lag in einem eigenartigen undeffinierbaren Duftnebel. Ich schritt zur Terrassentür und öffnete diese. Von außen drang kühle Luft zu mir herein. Ich trat auf meine Terrasse und wollte nur ein paar Minuten die kühle Frische des Morgens genießen. Da plötzlich stand ich ihr gegenüber, einer fremden Frau.
Ich erschrak, denn ich rechnete ja nicht damit hier jemanden anzutreffen. Sie lächelte mich an. Entschuldigen Sie, dass ich hier so unangemeldet hereinplatze. Wir kennen uns nicht. Sie werden jetzt sicherlich wissen wollen, was ich von Ihnen möchte. Ja, schluckte ich, ja, wer sind Sie und was machen Sie hier? Mein Bedarf an unliebsamen Begegnungen war für heute wahrlich gedeckt. Harry, ist mein Mann! Harry, fragte ich, wer ist Harry? Na, der Mann der heute gewaltsam bei Ihnen eingedrungen ist.
Ich starrte sie schweigend an. Woher hatte sie nur so schnell davon erfahren? Ich bat sie in mein Wohnzimmer und sagte sie könne sich setzen. Ich koche mir gerade einen Tee, möchten sie auch einen. Nein, sagte sie, ich brauche nichts. In der Küche versuchte ich meine wirren Gedanken zu ordnen, goss den Tee auf und ging zum Sofa zurück.
Harry ist total durcheinander seit ich von ihm gegangen bin. Bitte, verzeihen Sie ihm. Er kommt mit dem Schmerz in sich nicht klar.
Sie meinen, ich solle das so einfach vergessen und verstehen, dass kann ich nicht.
Nein, bitte, Harry hat mit sich zu kämpfen seit ich nicht mehr bei ihm bin.
Warum haben Sie ihn denn überhaupt verlassen? Nun, ich musste gehen, wirklich gewollt habe ich es nicht. Ich liebe Harry, aber das Leben mit ihm war kein Zuckerschlecken, glauben sie mir. Als wir uns kennen lernten, verzauberte er mich. Er war unglaublich charmant. Ich fühlte mich immer wie so ein Mauerblümchen, so unscheinbar, so nichtssagend. Harry aber sah mich, Harry brachte mich zum Lachen. Harry liebte mich und er fand alles an mir schön, sogar meine X-Beine und die Haare darauf störten ihn auch nicht.
Seltsam dachte ich, ich habe auch X-Beine und leider viel zu behaart, ohne Rasur würde ich mich vor keinem Herrn der Schöpfung entblößen. Ich hörte weiter angeregt zu.
Harry aber war krank, was ich ja zu Anfang nicht ahnen konnte. Er sprach nicht viel über sich. Als ich erfuhr was mit ihm los war, war es schon zu spät. ich hatte mich so rasend in ihn verliebt, ich konnte ihn nicht mehr lassen.
An welcher Krankheit litt er denn?
Nun, darüber zu reden fällt mir nicht leicht. Harry hatte ein schweres Leben gehabt und das ließ ihn zu dem werden, der er war und ist. Harry ist psychisch krank. Er erkrankte schon lange vor unserer Begegnung. Für ihn war Liebe immer gleich zu setzen mit Gewalt.
Jetzt kommen sie mir bloß nicht so, dass Harrys eindringen und sein Verhalten mir gegenüber mit Liebe zu tun hat. Ich glaube, sie haben auch ein Problem. Entrüstet sprang ich vom Sofa hoch und ging zur Toilette. Dort auf der Schüssel versuchte ich mich zu sortieren. Bin ich von lauter Spinnern umgeben. Wo kam die Frau denn plötzlich her? Ich ging zurück ins Wohnzimmer, doch die Frau war nicht mehr da.Hallo, rief ich in den Raum hinein, hallo, wo sind sie denn? Ich trat noch einmal hinaus auf die Terrasse, aber von Harrys Frau war weit und breit nichts zu sehen. Komisch, mir war wieder kalt. Ich trat zurück ins Zimmer und trank meinen Tee. Ja, es stimmte schon, sie hatte ein bisschen Ähnlichkeit mit mir gehabt, vorallem die X-Beine.

Michaela Möller

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Kommentare zu diesem Text


 Jorge (31.10.09)
Als Doppelpack sehr zu empfehlen. Ein fantasievoller Psychokrimi, der einiges auch bei der Protagonistin aufhellt.
LG Jorge

 Feuervogel meinte dazu am 31.10.09:
Ja...und es geht noch weiter...bin gerade im Fluss...Danke..LG Ela
stimulanzia (48)
(01.11.09)
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