Freischaden

Kurzprosa

von  beneelim

Fahren wir Liebe:

In die Nacht hinein, wo es eng wird, schmal, wo du plötzlich, fast wie erahnt, auf einer Messerspitze zu liegen kommst und dabei einschlafen möchtest; boom boom ba, wenn das Leben nicht funktioniert und doch einen Rhythmus gewinnt, den du nicht mehr hergeben willst – boom für den dreiundzwanzigsten Liebhaber seit Neujahr, der ein wenig so wirkt, als wäre er einer von den einen; du weißt schon: die sich über die Lebensjahre verstreuen und nur ein ganz kleines bisschen endgültig wirken, so einmalig auf diese schmerzliche Weise, die dir gefallen könnte, wenn sie nicht ohnehin vergehen müsste. Sie sind selten, selten genug, um als Zufälle durchzugehen, und du nimmst dich in acht, hütest dich, auch während sie passieren, aber, unweigerlich, boom, erneut, boom, blicklos, kollabiert die Narbe, die du als Schild vor dir her trägst. Boom. Sie ist nicht durchblutet, was solltest du auch spüren dabei? Als Warnung?

Liebe, das ist wie Auto fahren, du steigst ein, und du sagst: ich will unfallfrei bleiben, mit viel Glück unversehrt am Ziel ankommen – dort, an der Leitplanke. Bis zu deinem Eintreffen warst du dir sicher, dass sie für jemand anderen bestimmt sei, jemanden, der nichts versteht, einer von denen, die eine Nummer haben in deiner Vorstellung, eventuell noch das anonymisierende Straßenköterblond als Haarfarbe, von dem Europas Genpool durchseucht ist, auf jeden Fall einer, der täglich dafür herhalten kann, dir zu versichern, dass du es besser machen wirst. Und dann: Frontalkollision. Boom. Boom. Du betest um Karosserieschaden, aber, wie du es prophezeit hast: du wirst es besser machen. Tiefer als du stürzt kaum einer in die Menschen hinein, die er verwechselt.

Du hängst im Sicherheitsgurt, verliebt, ein weinerliches Kind, dem der Ladenschluss wie das jüngste Gericht erscheint,  mit so einem Paket von Liebe im Kofferraum, um genauer zu sein, das weder Fernbeziehungen, Seitensprünge, Partnerschaftsgesetzesnovellen, noch ablehnende Väter überstehen wird und deshalb ganz gut daran tut, gleich hier, an Ort und Stelle, am namenlosen Ziel, zu verbluten – auch wenn das Label so schön war, der Glitter, die zeitgemäßen Neonfarben.

Boom Boom. Bleibt noch: Ba. Ba für: Reset, Rewind, für diverse Anglizismen, die allesamt vom globalisierten Love-, und Lifestyle erzählen, von der neuen Chance, vom Loslassen und Aufbrechen, und du klatscht in die Hände und steigst aus dem Wagen; du bist versichert, sorgenlos, du lächelst –, boom, boom, ba: vor dir leert der Horizont den Tag bis zur sanftmütigen Neige, von der er einen Schlummer abstreift, ihn dir vor die Füße wirft, mit dem Versprechen: morgen, morgen...

Wirst du die Liebe lernen, wirst du wieder sicher in der Spur liegen; ein neues Ziel haben, GPS, ABS und Allradantrieb. Du weinst, weil du weißt, dass dir weinen erlaubt ist, weil es dich ganz machen wird, und weil es dich der Liebe näher bringt. Denn es ist die Zeit: Ba. Ba: Es schließt den Kreis, es androisiert und regeneriert mit Shiatsu, Kräutersauna, konzentrativer Bewegungstherapie und holotropem Atmen. Mit umfassender, aufrichtiger Liebe. Alles ist eins.
Boom Boom Ba. Weshalb bist du jemals schlecht drauf gewesen?

Fahren wir Liebe.


Anmerkung von beneelim:

 http://www.youtube.com/watch?v=z6sHXJmh91Y

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

ungesagt (34)
(18.06.10)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
eilika (33)
(12.11.10)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram