Eigentlich wollte ich nicht hingehen. Nur die Aussicht auf kostenlosen Alkohol trieb mich hin. Lukas hatte alle eingeladen. Mir der Zeit hatte ich den Überblick verloren. Auf jeden Fall taten alle etwas und waren erfolgreich. Ich war erfolgreich im nichts tun. Vorsichtshalber hab ich zuhause schon vorgeglüht. Ist ein bisschen mehr geworden als geplant, aber was soll´s. Jeder sollte noch was zum trinken mitbringen. Ich entschloss mich für Korn. Auf den Weg zu Lukas wollte ich schon ein bisschen davon probieren. Aus dem bisschen wurde die halbe Flasche. Naja, kann passieren. Als ich schließlich ankam waren die meisten schon da. Nach einer flüchtigen Begrüßung sank ich auf das Sofa und beschloss, nicht so schnell wieder auf zu stehen. Meinen eigenen Schnaps in der Hand und andere Spirituosen samt Mischmöglichkeiten in Reichweite, war eine gute Ausgangsposition. Ich genehmigte mir noch einen Schluck aus der Flasche und dann begann ich, meinen Freund Jack mit Cola zu verkuppeln. Noch während ich damit beschäftigt war, setzte sich Michi zu mir, ausgerechnet, die größte Tratschtante die ich kannte. Voller Neugier wollte er wissen „Was ich denn jetzt so mache“. Ich nahm einen Schluck ohne das Geringste zu schmecken: „Ich sauf´ Korn und denk an Porn“ Das kam irgendwie nicht so gut an, wie gedacht. „Haha, ne sag mal ernsthaft.“ Ich nahm einen weiteren Schluck und antwortete: „Bin freischaffender Künstler.“ Ich konnte seine Neugier förmlich spüren. „Aha, und was machst du da genau?“ Der Knaller meinte das ernst. Na gut, ich hatte keinen Bock mir irgendetwas auszudenken und sagte schlicht und einfach: „Nix.“ Die pure Enttäuschung. „Das andere ist nur eine coolere Umschreibung, klingt nicht so deprimierend.“ „Ach so.“ Peinliche Stille. „Und was machst du eigentlich?“ Sofort legte los. Ich wusste es, Michi liebte es von sich zu erzählen und dabei war ihm alles andere egal. Ich konnte mich voll dem Alkohol widmen. Ab und zu sagte ich „ja“ „iss nich wahr“ und andere Allerweltsantworten ohne richtig zu zuhören. Ob er jetzt durch Italien oder Niederbayern als Rucksacktourist wollte, im Nachhinein hätte ich es nicht mehr sagen können. Mit der Zeit dachte ich mir nur, mit gebrochener Nase würde er mir besser gefallen. Als ich mit meinen Schnaps fast fertig war, kamen schließlich auch die letzen an. Tanja und Frederik, ihr dämlicher Freund. Ich hätte kotzen können. Nach dem Geschmack in meiner Schnauze zu urteilen hatte ich das wohl auch schon getan. Da half nur ein kräftiger Schluck Medizin. Damit war meine Flasche leer. Ich sah noch mal zu ihr hin. Täuschte ich mich oder waren Tanjas Titten größer geworden? Hatte sie kleiner in Erinnerung. Hab mich ja ausgiebig mit ihnen beschäftigt, so aus der Ferne. Hm, machen wohl die Eifersucht und der Alkohol. Die Traumfrau in den Händen eines anderen und ich hatte nur eine sehr einseitige Beziehung zu Sasha Grey.
Nach ein paar gut gemischten Jackcolas, wurde ich vom Platz gezerrt. Alle machten sich auf den Weg in die Küche und setzen sich um den Küchentisch. Warum musste ich das schöne Sofa verlassen auf einen harten Stuhl? „Was ist denn los?“ „Tanja hat etwas zu sagen.“ informierte mich Andy:„Bestimmt ein Blödsinn mit ihrem Freund.“ Andy war mir immer schon sympathisch. Es sah Tanja ähnlich einen Riesenaufstand wegen irgendwelchen Kinkerlitzchen und Frauenkram zu veranstalten. „Vielleicht, will sie...“ dachte ich. „Ach, ich bin zu besoffen um mir irgendeinen Schmarren vorzustellen.“ Alle sollten sich hinsetzen und ruhig sein. Mir kam das ganze alles viel zu lang vor „Wird sie schon mal sagen was los ist, damit ich weiter saufen kann.“ Neben mir kicherte jemand der mir vage bekannt vorkam.
Hab ich das gerade gesagt oder gedacht? Soweit ich das beurteilen konnte, war ich der besoffenste von allen. Alle waren ruhig und blickten gespannt, also machte auch ich ein ernstes Gesicht. (So weit das noch möglich war mit meinem Rausch in der Fresse) „Ich habe eine Ankündigung zu machen.“, sagte Tanja verlegen, so wie jemand der stolz auf etwas ist, aber nicht weiß wie andere es aufnehmen. Dann ließ sie die Bombe platzen: „Ich bin schwanger.“
Rumms! Voll in die Fresse, eine Gerade von Abraham kann nicht schmerzhafter sein. Als die anderen noch vor Erstaunen und Freude über das glückliche Paar erstarrt waren, schaute ich Tanja direkt in die Augen und fragte mit der Unschuld eines Engels: „Und von wem?“ Keine Antwort. Stattdessen sahen mich alle böse an, besonders dieser Dummkopf Frederik. Nanu, hatte ich etwas nicht mitbekommen?
Ich blickte vom einen Gesicht zum anderen, nur Andy war in einen heiseren Lachkrampf verfallen. „Was gibt’s da zu lachen?“ wollte ich ehrlich wissen. „Ich meine, was ist an der Frage lustig?“ Ich konnte es nicht verstehen. „Es ist doch wichtig zu wissen wer der Vater…“ Und plötzlich verstand ich. „Ach so.“ „Ja! Ach so“, sagte Frederik ziemlich gereizt. Rückblickend betrachtet wäre es wohl besser gewesen es als schlechten Witz zu verkaufen, doch ich versuchte mich zu verteidigen was die Herren Daniels und Co. nicht gerade erleichterten. Als Eröffnung meines Plädoyers versuchte ich ein kumpelhaftes Lachen. „Hahaha, ja komm. Ich meine ihr studiert in Berlin!“ Zu meinem Unglück fiel mir Seeed ein. „Dickes B ob ´n anner Spree, im Sommer tust du gut und im Winter tut´s weeheeh…“ Das kam nicht gut an. „Nja. Da, da, gibst viele schöne, junge, gutausss, gutaussende Kerle und, und, alles Mögliche mal was Neues ausprobieren und nicht immer nur das alte. Und ich meine, s´wär doch möglich.“ Niemand schien meiner völlig logischen Argumentation folgen zu können. Ich wandte mich an Tanja „Komm jetzt. Berlin! Frederer, Fred… dein Freund halt, ist auch nicht der schönste, sei ehrlich. Und, und…“ Ich suchte noch ein starkes Pfund um alle zu überzeugen. Ha, ich war sicher das würde alle überzeugen. „Er ist doch auch nervig. Komm, gib´s zu.“ Böse Blicke. Verdammt! „Na gut, was heißt nervig?“, versuchte ich den Wasserfall zurück zu rudern. „Ist ein schlechtes Wort.“ Was wär ein besseres? „Anstrengend!“, sagte ich triumphierend. „Das musst du zugeben. Hast du selbst gesagt.“ Tanja weigerte sich, sich an ihre eigenen Worte zu erinnern. Anja unternahm einen Rettungsversuch: „Wisst ihr schon…“ „Halt! Stopp, stopp, stopp.“ unterbrach ich sie sofort. Mir war wichtig meine Argumente klar rüberzubringen. „Ich meine ihr wohnt doch in, in… diesen schlimmen Viertel, na sags halt!“ Ich hatte tatsächlich den Namen vergessen. „ Egal, aber du hast selbst gesagt.“ Ich zeigte auf Frederiks versteinertes Gesicht. „Du hast Angst um Tanja und musst sie beschützen. Als ob du das könntest. Hihi.“ Kunstpause. „Jetzt tu nicht so, als ob du dich nicht erinnerst! Das hast du zu mir gesagt! Und ich meine, Tanja ist schöne junge Frau.“ Sie war verdammt noch mal die wunderschönste Braut die es gab! Und sie hätte mir gehören sollen! „Und eine große Stadt, da gibt’s ja eine Menge…. böser Menschen.“ Mir fiel kein besseres Wort ein. „Ich meine, da ist die Versuchung schon groß, hä? Also wenn ich die Chance hätte, versteh das jetzt nicht falsch Fredl, ich würd die nutzen. Seien wir ehrlich, ihr würdet sie auch nutzen.“ Schweigen. „Andy, du doch!“ Doch Andy schüttelte nur den Kopf und grinste dämlich. Ich wandte mich an Frederik. „Jaah, da brauchst du jetzt nicht so tun. Komm, wenn du ehrlich bist.“ Offensichtlich war er es nicht, da er mich nur böse ansah. Tanja sah nur noch auf den Boden, ich konnte nicht erkennen ob sie weinte „ Aber es hätte doch sein können! Bei den ganzen Ausländern und Türken!“ Erst jetzt fiel mir ein, dass Tanjas Eltern nicht aus Deutschland kamen. Woher zum Henker waren die noch mal her? „Herrgott! Eine Vergewaltigung!?!“ Ich blickte mit Verzweiflung in die Runde. Sie schienen nicht viel von dieser Möglichkeit zu halten. „Es wär doch möglich gewesen.“ sagte ich jetzt kleinlaut.
Schweigen. Lukas fand als erster wieder Worte: „ Alexander“, begann er. Ich hasse Sätze die so anfangen. „Ich denke, es ist das Beste wenn du jetzt gehst.“ „Willst du mich rausschmeißen?“ „Ja ich denke ich will dich rausschmeißen.“ Ich war sprachlos, aber mein Gefühl sagte mir, auf diese Frechheit musste ich kontern. „So.“ das war schon mal ein guter Anfang. „So, zuerst einladen und dann rausschmeißen. Bloß weil man seine Meinung sagt.“ „Ich denke es war einfach unglaublich, was du da geliefert hast und ich glaube die anderen finden es auch besser wen du jetzt verschwindest.“ „Wer, die anderen?“ schrie ich. „Dieser Lachsack Andy?“ Ich deute auf ihn, er gackerte immer noch. „Und Frederik, der Hanswurst!“ Kaum hatte ich es gesagt, war der Hanswurst schon aufgesprungen. Wollte er sich prügeln? Hervorragend. Lukas und die anderen versuchten uns zu beruhigen. „Was denn? Den Kaspar, mach ich mit einer Hand auf dem Rücken fertig!“ Nach dieser Aussage fehlen mir ein paar Szenen im Film, denn ich kann mich nur noch erinnern wie ich plötzlich vor Lukas´ Haustür stand.
„Ja, dann noch viel Spaß mit dem Kind, ihr zwei, ja.“ schrie ich die Tür an. Dann machte ich auf den Nachhauseweg, nicht ohne meinen Ärger Luft zu machen. „Wirst schon sehen!“ ich drehte mich um. „In, in zwei,“ Pause „Oder drei Jahren wirst du zuhause stehen in der Küche! Und dein Mann. Dein toller. Der Esel! Der arbeitet. Und du, du wirst… Du wolltest doch Karriere machen. Wozu hast du studiert, hä?“ Atempause. „ Damit dich dieser Blödmann schwängert, oder was? Dieser Esel! Dieser dämliche Grinse… Affenwichseridiot!“ Ein Fenster öffnete sich irgendwo und ich hörte. „Halt die Schnauze, ich will schlafen!“ Geschickt antwortete ich, in die Richtung in der ich das Fenster vermutete: „Halt selber deine dumme Schnauze!“ „Ich rufe die Polizei!“ „Ja dann ruf sie doch! Deine Scheißpolizei! Ist mir egal, scheißegal. Alles scheißegal.“ Ein paar tiefe Atemzüge, dann ging ich schließlich fluchend weiter. Verzweifelt schrie ich zum Himmel, als ob jemand mir antworten würde. „Mann, der ist doch genauso blöd wie ich! Warum hat sie sich für ihn und nicht für mich entschieden!“ Als ich schließlich zu hause angekommen war, hatte ich fluchend und schreiend den halben Ort aufgeweckt.