Lust-Schmerz-Asymmetrien

Erörterung zum Thema Leid

von  loslosch

Non tam cumulus bonorum iucundus esse podest quam molesta decessio (Cicero, 106 v. Chr. bis 43 v. Chr.; Tusculanae disputationes). Die Fülle (Anhäufung) der Güter kann nicht so wohltuend sein wie ihr Schwinden bedrückend ist.

Könnte man sich fiktiv auf eine Skalierung von Grenznutzen und seiner Umkehrung als Grenzleid für jedes Subjekt verständigen, müsste man Skalierungen vornehmen mit je verschiedener Dichte für Lust und Schmerz. Für den Wohlfahrtstheoretiker eine kleine Horrorwelt. In der Sentenz steckt jedoch ein psychologisch richtiges Faktum, das wohl jeder schon einmal so oder ähnlich (bei sich) beobachtet hat, als Resultat der Gier. Verlust wird meist intensiver erlebt als Zugewinn. Nicht nur der Geizkragen sagt: Ich fühle mich pudelwohl, wenn ich zur Bank gehe und auf mein Konto einzahle. Der Schmerz, wenn ich Geld abheben muss, trifft mich um vieles härter.

Diese Grundeinstellung dominierte auch nach der Bankenkrise 2008/09/10. Die private Ersparnisbildung kam danach nur langsam wieder in die Spur. Das freut die Banken. Sie schalten wie mit innerer Automatik sofort auf Gier um. - Wenn da nicht der Zerfall des Euro wäre.

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Kommentare zu diesem Text

hoor (22)
(20.06.12)
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 loslosch meinte dazu am 20.06.12:
du scheinst dich auszukennen, birger. dieses moderne kauderwelsch "...aversion" kennt auch die moderne ökonomie: verlust- und risikoaversion. klingt ganz dolle.

dein weiter bogen durch die historie zeigt mir aber, dass du bewandert bist. lo

 Bergmann (20.06.12)
Die (stabilisierende) Kreativität und Sinnlichkeit des Kapitalismus, die Karl Marx so sehr unterschätzte (um nur diese beiden Attribute zu nennen), scheint seit einiger Zeit (wieder) in Gefahr. Ich habe keine Ahnung, wie es weitergeht. Bin unsicher geworden, ahne Bedrückendes.
ttU

 loslosch antwortete darauf am 20.06.12:
ich hatte in meinem letzten text unter ekkis kommi etwas geschrieben zu den vor- und nachteilen der euro-zone für deutschland. wie soll ich wissen, wie es weitergeht? ich ahne, dass die zinsen für mindestens 2 jahre noch niedrig bleiben, bis die seifenblase platzt. dann kommt es zu einem kleineren euro-verbund. und die staatsverschuldung erreicht ein neues hist. maximum!

man sollte schon sein liebs geld überwiegend in sachwerten halten. wenn dann die mieter verarmen, ists am ende fast wieder egal. aber immerhin behält man die verwohnte bruchbude, uli. t.t. lo

 Bergmann schrieb daraufhin am 20.06.12:
So ähnlich dachte ich schon zu sichereren Zeiten. Wir sind beides: Mieter und Vermieter, sehen also alle Vor- und Nachteile. Aber du übertreibst mit der Bruchbude, es gibt auch anständige Mieter. Und es gibt Vermieter, die nach jedem Auszug einen Teil des Mietgewinns in eine gute Renovierung und gar Veredelung der Wohnung investieren.
ttU

 loslosch äußerte darauf am 20.06.12:
ich weiß, was du meinst, uli. aber wir dürfen uns nicht öff. selbst loben. tun wir auch nicht!

 EkkehartMittelberg (20.06.12)
Kann man der Anhäufung der Güter und dem bedrückenden Gefühl bei ihrem Verlust mit Philosophie begegnen oder sind die vielen Mahnungen zur Bedürfnisreduzierung in der Nachfolge des Diogenes leeres Geschwätz, an das man so lange glaubt, wie man darüber am Schreibtisch philosophiert?
Meine beiden ersten Anschaffungen als Student sind mir in nachhaltiger Erinnerung. Es waren ein Radio und ein ganz einfacher, aber hübscher Teppich. Das Radio gab irgendwann seinen Geist auf, und von dem Teppich musste ich mich trennen, weil man mich wegen meiner Anhänglichkeit an ihn verspottete. In beiden Fällen war das Verschwinden nicht bedrückend, geblieben ist nur Melancholie.
Ich stelle mir manchmal eine materielle Verarmung vor, die außer mir auch die Leute erfassen würde, mit denen ich kommuniziere, und frage mich, ob ich dann unglücklich würde. Ich glaube es nicht, solange ich nicht in meinem Bekanntenkreis der einige von Verlust Betroffene wäre. Aber die Wahrheit weiß man erst, wenn die Realität ernst macht.

 loslosch ergänzte dazu am 20.06.12:
die teppichgeschichte hatte ich exakt so. bei einem umzug hab ich den türkischen mini-wandteppich entsort. wenn man sich daran erinnert, kommen plötzlich viele erinnerungen ..

wenn die umgebung ringsum mit verarmt, wirds erträglicher. darüber haben die römer schon philosophiert - und also auch ich.

bring ich demnächst, ekki. danke t.t. lo
Jack (33)
(24.06.12)
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 loslosch meinte dazu am 24.06.12:
... was man nicht, ja! (kinder im sandkasten.) dann aber der liebhaberwert. also 7,5o €.
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