Latein auf Abwegen

Glosse zum Thema Leid

von  loslosch

Gaudium est miseris socios habere in poena (Quelle unbekannt; Nachweis bei Luther im 16. Jh.). Es ist für die Unglücklichen (Elenden) eine Freude, Leidensgefährten zu haben.

Nicht nur umständlich formuliert, sondern mit einem schalen Beigeschmack. Wie elegant dagegen das knappe deutsche Sprichwort: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Beide Aussagen sind nicht 100%ig deckungsgleich, in psychologischer Sicht allerdings schon. Vermieden wird in der modernen Variante der etwas frivole Unterton der spätmittelalterlichen Sentenz. Selten genug, dass das knappe - und keineswegs immer zutreffend als so klar bezeichnete - Latein von einer modernen Sprache übertroffen wird.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (31.07.14)
So einen Sermon schaffen nur Optimisten. Und sie verbreiten ihn auf fröhlich - bis es ihnen selbst mal schlecht geht.

"Selig sind die geistig Armen, denn ihrer ist das Himmelreich."
...oder so ähnlich...

 loslosch meinte dazu am 31.07.14:
man braucht schlaue interpreten der bibelstelle:

"Man blicke in den Urtext: "Glücklich sind die Bettler um den Geist (Gottes)" mit anderen Worten: Selig sind die, die sich bewusst sind, dass sie geistige (religiöse) Bedürfnisse haben (Quelle: Kingdom interlinear Transaltion)"

dann halte ich es lieber mit goethe (aus dem nachlass):

"Wer Wissenschaft und Kunst besitzt,
Hat auch Religion;
Wer jene beiden nicht besitzt,
Der habe Religion."

ein verschmitzter volltreffer des alten.

anm.: ausführlicher hier: Mittwoch, 25. August 2010, 11:22:
UNGESICHERTES WISSEN (von loslosch). kolumne unter KLICKS UND CLIQUEN.

 niemand (31.07.14)
Also ich verstehe beides auch verschieden.
Das "Geteilte Leid etc." kann man nur so verstehen, dass es leichter wird, wenn zwei (oder mehr) Personen an etwas Gleichem leiden, oder um einen Gleichen leiden.
Man kann sich gegenseitig verstehen und trösten, wenn möglich. Das Erstere verstehe ich eher als etwas in Richtung "Schadenfreude" die den Leidenden erleichtert:
Guck mal, der da, der leidet auch ... bin ich also nicht
alleine. Solches kann dann, je nach Veranlagung, erleichternd wirken. Mit herzlichen Grüßen, Irene

 loslosch antwortete darauf am 31.07.14:
der leidensgefährte, socius, also bündnisgenosse, erzeugt doch eine große ähnlichkeit in der aussage.

 niemand schrieb daraufhin am 31.07.14:
Na, ja, wenn man was wirklich teilt, dann geht es ums Selbige. Im anderen Fall kann man zwar leiden, aber jede Seite ums Andere, dann teilt man nur, wenn schon vom Teilen die Rede ist, einen Zustand, trägt einen solchen quasi gemeinsam und dann könnte man schon gewisserweise von "Schadenfreude" (indirekt zwar) sprechen: "Dem geht es auch nicht besser"= (bedeutet) also irgendwie eine "Genugtuung".
(Antwort korrigiert am 31.07.2014)
Graeculus (69)
(31.07.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 loslosch äußerte darauf am 31.07.14:
ja, gutes bild vom gemeinsamen sumpf. "gaudium" ist missglückter sprachstil. quelle:  hier.

 EkkehartMittelberg (31.07.14)
"Elenden ist es ein Trost, Gefährten im Unglück zu haben." In dieser Fassung wird das Zitat Baruch Spinoza (1632-1677) zugeschrieben.
In diesem Falle gefällt mir auch die moderne Variante besser.

 loslosch ergänzte dazu am 01.08.14:
spinoza kannte seinen luther. solamen ist halt besser als gaudium.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram