Bewußtsein ist sehr leicht von Kommunikation faszinierbar

Essay zum Thema Kommunikation/ Dialog

von  toltec-head

Bei diesem Satz sehen wir viele weibliche Leser andächtig nicken, während die meisten männlichen, nachdem sie ihn in einer Sekunde gelesen, nach zwei weiteren, wenn die Statistik stimmt, bereits wieder an diesen Antipoden der Kommunikation, den Sexus, denken müssen. Der Satz formuliert vor der Folie einer Theorie, in der Kommunikation gerade nicht Basiseinheit von Bewußtsein, sondern fremder, sozialer Systeme ist, eine Fragwürdigkeit. Wenn die Basiseinheit von Bewußtsein nicht Kommunikation, sondern, in schönster Übereinstimmung mit dem Yoga-Sutra, die in Einsamkeit gemachte Wahrnehmung ist, warum lässt sich Bewußtsein dann so leicht von Kommunikation faszinieren? Diese Fragwürdigkeit mögen Männer als stärkere Sklaven des so anders gearteten Parasiten Sexualität stärker spüren als die meisten Frauen. Jedoch nur zu dem Preis, dass sie alle 3 Sekunden vergessen, dass auch Sexualität nicht Basiseinheit ihres Bewußtseins, sondern des von diesem völlig getrennt zu sehenden, wie die Wirtschaft der Gesellschaft ihnen vollkommen fremden Systems "Körper" ist.

Ich bin weder meine gesellschaftliche Kommunikation, noch mein Körper.

- Neti, neti, wie der Yogi sagt.

Der Soziologe und der Yogi haben vordergründig ganz verschiedene Ziele ("Beschreibung der modernen Gesellschaft" bzw. "Kaivalyam, also Einsamkeit"). Doch könnte es sein, dass das eine  ohne das andere gar nicht erreichbar ist. Ein Soziologe muss auch Yogi sein und ein Yogi Soziologe, was aber zumeist gerade nicht der Fall ist, mit der Folge sich türmender Berge an Literatur bloßen  Eso- bzw. Soziologenmülls.

War Luhmann auch Yogi? Ich war in den 90ern als ganz junger Mann eifriger Besucher der legendären Dienstag-Abends Seminare an der Universität Bielefeld und kam außerdem, wovon ich ein anderes Mal ausführlicher berichten werde, in den regelmäßigen Genuss einer Art von Privataudienz. In welchem Zusammenhang ich folgende Story aufschnappte, vermag ich nicht mehr zu sagen. Wenn Luhmann Zug fuhr, konnte es vorkommen, dass er bis zu fünf Mal das Abteil wechseln musste, weil das geringste Gespräch ihn sehr schnell zu stören anfing. Dies galt selbst für Gespräche in einer ihm völlig fremden Sprache wie dem Japanischen. Es wollte ihm einfach nicht gelingen, ja, es war seiner Meinung nach unmöglich, selbst eine Kommunikation auf Japanisch wie Vogelgezwitscher an einem einfach vorbei gleiten zu lassen.

Jahre später besuchte ich ein Satsang bei Swami Janakananda und stellte ihm die Frage, wie man, wenn man meditiert, mit Störungsquellen umgehen sollte. Seine Antwort:

- Es gibt keine Störungsquellen. Meditiere einfach.

So wie der Meister aus Bielefeld scheinbar noch nie mit Bewusstseinstechniken experimentiert hatte, fehlte es dem skandinavischen Guru scheinbar an soziologischer Aufklärung: Dem Wissen davon, dass Bewußtsein sehr leicht von Kommunikation faszinierbar und diese Faszination nicht so leicht lösbar ist. Aber wer weiß, vielleicht verhält es sich sowohl bei Luhmann als auch bei Swami Janakananda doch anders und ich wurde als Uneingeweihter von ihnen lediglich mit Wissen für Anfänger abgespeist.

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Kommentare zu diesem Text

michaelkoehn (76)
(15.11.13)
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parkfüralteprofs (57)
(15.11.13)
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 toltec-head meinte dazu am 15.11.13:
Passiv transitiv kommt immer gut. Findest du außerdem, und das ist nicht irgendwer, bei Hera Lind:

Er war faszinierbar. Ich war auch fasziniert. Zumal ich völlig sicher war, dass er hier zur Kulisse gehörte, aus Pappe war und programmgemäß gleich mit dem Rapunzelzopf im Himmel verschwinden würde. Aber er war aus Fleisch und Blut.

Quelle: http://books.google.de/books?id=2ZF8AAAAQBAJ&pg=PT167&dq=faszinierbar&hl=de&sa=X&ei=5ZKGUo28OISJtQako4GACg&ved=0CEMQ6AEwAw#v=onepage&q=faszinierbar&f=false


Faszinierbarkeit gibt bei Google auch schöne Treffer. Für faszinierbar ist meiner, was zugegebenermaßen seltsam ist, schon ganz vorne, also sogar vor Hera Lind. Sie hat aber natürlich weiterhin mehr Bücher als ich verkauft.
Laudalaudabimini (59)
(16.11.13)
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parkfüralteprofs (57) antwortete darauf am 16.11.13:
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 toltec-head schrieb daraufhin am 16.11.13:
Was ist mit fickbar? Ich glaube, fickbar hat du mir schon zigmal durchgehen lassen. Wenn aber fickbar geht, dann auch fasznierbar. Unschön? Na und, ich bin schließlich nicht Peter Handke.

Man muss sich immer klar machen, dass es Leute gab, die etwa Schubert, als er lebte, nicht richtig in das Ohr bekamen (Goethe etwa). Die starben also, ohne einen der Höhepunkte des damaligen Lebens mitbekommen zu haben. So ähnlich ist das mit Luhmann. Wer wie auf einem Plateau was sehen will von der Welt, so wie sie jetzt um einen herum gerad ist, muss ihn gelesen haben und dazu braucht man (mindestens) 3 Jahre seines Lebens. Hat sich bei ein paar Wissenden auch längst rumgesprochen. Und nein, es ist nicht so, dass es noch x-beliebige andere Plateaus gibt, die man stattdessen besteigen könnte. Luhmann oder ICE-Großraumabteilgeräuschskulisse ist so ziemlich die einzige Wahl die man hat.
Laudalaudabimini (59) äußerte darauf am 16.11.13:
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parkfüralteprofs (57) ergänzte dazu am 17.11.13:
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