Der Zuschauer

Szene zum Thema Eigene Welt

von  SapphoSonne

Dunkelheit legte sich über das Land.

Das Tagwerk war getan. Nein nicht solches, wie es noch sein Vater zu verrichten hatte. Sein Tagwerk war weniger körperlicher Art. Eher das eines Denkers, eines Träumers und eines Menschen, dessen größter Feind ihm allmorgendlich aus dem Spiegel entgegensah. Bleich, dunkeläugig, obwohl er die Augenfarbe des Sommerhimmels hatte, und dem dunklen Schatten, der einst ein Bart werden wollte, es aber nie über Drei-Tage-Stoppeln hinaus geschafft hatte.

Nachdenklich strich er sich über sein früh ergrautes Haar. Er stand am Fenster und verfolgte die letzten Sonnenstrahlen überm Horizont. Die Aussicht ermöglichte  ihm die wenigen Minuten des Tages, an denen er sich wirklich und echt fühlte. In denen er begriff, was es mit der Zeit auf sich hatte.
Er war für sich. Alles gehörte ihm. Seine Erinnerungen, die Geschichten, die erzählten und die unerzählten. Nichts musste er teilen. Nicht die Luft, die er atmete, noch das Wort, das ein Gehör brauchte.

Die Stunde machte sich bemerkbar. Immer. Ein leichter Schmerz in der Magengegend, ein unruhiges Zucken am Auge. Es war so weit.

Er setzte sich auf den Balkon. Eine Decke um den schmalen Körper geschlungen.  Dann knipste er das Leben an. Während seines um ihn im Nebel versank, sprudelte anderes aus ungezählten Quellen hervor.

Da waren sie.

Lichter in der Dunkelheit. Hinter Glas, in einem Monitor. Sie begrüßten ihn wie alte Freunde.

Er war on.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (18.03.14)
Allzu leicht vergisst man (oder Frau), dass es die Offlinewelt gibt.

 SapphoSonne meinte dazu am 18.03.14:
Ja das stimmt. Die Gefahr der emotionalen Abhängigkeit ist bei jedem vorhanden.
LG Sappho

 princess (18.03.14)
Hallo SapphoSonne,

der Text beginnt wie eine beschauliche Situationsbeschreibung aus der Zeit des frühindustriellen Aufschwungs
Das Tagwerk war getan.
Das macht mich neugierig. Im weiteren Verlauf gelange ich rasch
zu stark überzeichneten Aussagen wie etwa
Minuten des Tages (...) In denen er begriff, was es mit der Unendlichkeit auf sich hatte
Ui, denke ich mir, wie geht das denn? Wer mag dieser Mensch wohl sein, der fähig ist, die Unendlichkeit zu erfassen? Und bleibe neugierig.

Schließlich kommt die Wende.
Dann knipste er das Leben an. (...) Da waren sie.
Lichter in der Dunkelheit. Hinter Glas, in einem Monitor.
Mhh, denke ich mir. Das Leben ist doch gar nicht dahinter. Das Leben ist davor. Denn die Welt dahinter gibt es nicht, sie wird lediglich aus dem Leben von davor heraus gestaltet.

Liebe Grüße
princess

 SapphoSonne antwortete darauf am 18.03.14:
Da hast du vollkommen Recht, princess. Aber wird das noch so wahrgenommen? Hier geht es weniger um das, was wirklich ist, sondern viel mehr um die Wahrnehmung des LyrIch.
Die Unendlichkeit habe ich in Zeit geändert. Immer noch abstrakt und überzogen, aber so gefällt es mir besser.
Danke für deine Rückmeldung.
LG Sappho

 princess schrieb daraufhin am 18.03.14:
Aber wird das noch so wahrgenommen?
Mhh, sagen wir mal so: Auf jeden Fall heute Morgen, als ich Zuschauerin diesem Zuschauer zuschaute.

 Regina (18.03.14)
Das Internet. All-informativ und doch unwissend. Allgegenwärtig und doch sind die User nicht richtig da. Erkannt.

 SapphoSonne äußerte darauf am 18.03.14:
Herzlichen Dank.
LG Sappho

 Fuchsiberlin (18.03.14)
Ein Text zum Nachdenken.

Was tat dieser Typ von Mensch, als es noch kein Internet gab? Er lebte anders, aber vielleicht nicht besser.

Die Begegnungen im Netz, direkt oder indirekt, von Mensch zu Mensch, auch diese lassen für viele die Lichter angehen. Manchmal erlöschen alle Lichter. Der Stecker wird für immer gezogen.

LG
Jörg

 SapphoSonne ergänzte dazu am 18.03.14:
Ich habe versucht wertfrei an den Sachverhalt heran zu gehen. Vllt war es ein sehr einsamer Mensch, vllt hatte er aber auch ein erfülltes Leben? Was bedeuten ihm die Kontakte übers Netz? Ist es seine reale Welt? Vllt hat er einige davon getroffen und sie ins RL übernommen? Oder andersherum?

Es gibt kein gut oder schlecht, denke ich. Es ist eine Frage der Wahrnehmung.

Hab vielen Dank Jörg.
LG Sappho

 irakulani (18.03.14)
Eine interessante Perspektive, die du hier beschreibst, liebe SapphoSonne.
Für so Manchen verschieben sich die Realitäten, gewollt oder ungewollt.
L.G.
Ira

 SapphoSonne meinte dazu am 18.03.14:
Ja genau darum ging es mir. Danke schön.
LG Sappho

 susidie (18.03.14)
Aus dieser Szene spricht unglaublich viel Einsamkeit. Immer wieder in den Zeilen.
Sein größter Feind, wenige Minuten am Tag, an denen er sich echt fühlte. Das Leben anknipsen.
Und ich denke, diese Szene ist vielfach übertragbar. Nachdenkenswert, nicht zu verurteilen, vielmehr zu verstehen. Auf jeden Fall ein sehr gut eingefangenes Bild liebe Sappho.
Herzlichen Gruß zu Dir von Su :)

 SapphoSonne meinte dazu am 18.03.14:
Du hast Recht. So kann man den Text auch empfinden. Ich danke dir und grüße dich herzlich.
LG Sappho
Pocahontas (54)
(18.03.14)
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 SapphoSonne meinte dazu am 19.03.14:
Ja das stimmt, dafür mag es ganz unterschiedliche Gründe geben. :))
Danke dir.
LG Sappho
wa Bash (47)
(18.03.14)
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 SapphoSonne meinte dazu am 19.03.14:
Danke schön.
LG Sappho
LancealostDream (49)
(18.03.14)
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 SapphoSonne meinte dazu am 19.03.14:
Solange man nur selbst weiß, wo man ist... *gg
Danke dir. :)))
LG Sappho
Scrag (28)
(18.03.14)
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 SapphoSonne meinte dazu am 19.03.14:
Und mich freut es sehr deine Zeilen und Gedanken dazu zu lesen.
Danke schön.:)
LG Sappho

 AZU20 (18.03.14)
Was ist schon real? LG

 SapphoSonne meinte dazu am 19.03.14:
Gute Frage...
Danke dir.
LG Sappho
Fabi (50)
(23.03.14)
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 SapphoSonne meinte dazu am 23.03.14:
*lach*
Na mal sehen... Danke dir. :))
LG Sappho

 TrekanBelluvitsh (24.05.14)
Manch einer stirbt, bevor er tot ist... und merkt es noch nicht einmal, weil ihm sein ich längst entglitten ist - 'on' und 'off'!

 SapphoSonne meinte dazu am 25.05.14:
Mögen wir diesem Schicksal entkommen ... rechtzeitig.
Danke dir für die wiederholte Empfehlung.
LG Sappho
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