Toni und das Auto

Kurzgeschichte zum Thema Familie

von  tastifix

Toni und das Auto

Ich bummelte mit meiner süßen Enkelin am Feld entlang. Nach Spielplatz war mir so gar nicht zumute und ich vermied tunlich, einem zu nahe zu kommen.  Aber Toni, 21 Monate jung, sehr aufgeweckt und genauso gesprächig – je nach Belieben im Babykauderwelsch oder auch in 4-Wort-Sätzen, war selbst ohne Spielplatz begeistert bei der Sache. Überall wuchsen ja bunte Blumen, trillerten Vögel in der Luft oder hüpften sogar am Wegesrand und vor allem kamen uns viele Wauwaus in allen Größen und Farben entgegen. Einer beschnupperte sogar ihre Hand. Toni wusste offensichtlich nicht, wa sie davon halten sollte und ward für wenige Minuten tatsächlich merklich stiller. Leider hätten Erklärungen dazu ja noch nichts gebracht.                                                             
„Wenn ich ihr jetzt sagen würde, dass Hunde vorranglich mit der Nase sehen … nee!“                                                                                            Also erklärte ich nur, dass der Wauwau sich gefreut hätte und das freute dann sie. Im Stillen hoffte ich, dass wir noch ganz viele Vierbeiner treffen würden, denn bis nach hause war es noch weit. Hunde haben wohl telepathische Fähigkeiten. Jedenfalls sahen wir dann vor Hunderudel die Hunde nicht mehr und Toni geriet außer Rand und Band.                                                          „Wauwau!! – Upps, Wauwau wieder weg!! – Da, noch eine Wauwau!!!“
Das ´eine` verzieh ich ihr.
Wir hangelten uns also von Pieppiep, Miau und Wauwau zu nochmals eben den gleichen und näherten uns allmählich unserem Ziel. Toni wirkte weder erschöpft noch etwa gelangweilt, sondern musterte kritisch alles, was entgegen kam oder auch nur im Weg herum stand. Noch ahnte ich nicht, dass dieser Spaziergang sehr bald die längste Zeit ein gemütlicher gewesen sein sollte.
Wir bogen in unsere Straße ein. Da geschah es: Toni entdeckte ein halb in der Luft baumelndes Auto, dem es eindeutig nicht gut ging, denn es fehlte ihm der rechte Hinterreifen. Davor hockte ein junger Mann und handwerkte eifrig an dem Auto rum. Nein, aber sowas auch! Toni wäre nicht Toni gewesen, wenn sie einfach so akzeptioert hätte, dass das arme Auto dem so hilflos ausgeliefert war. Zunächst guckte sie nur verdattert, dann guckte sie prüfender und fällte empört ihr Urteil:
„Auto einfach putt gemacht!“
Allein bei dieser Feststellung blieb es nicht. Da bedurfte es ihrer Ansicht nach mehr. Breitbeinig stellte sie sich vor ihn hin, blitzte den jungen Mann, der sich im Anblick des meckernden Ein-Käsehochs das Grinsen nicht mehr verkeifen konnte, wütend an und spielte entsetzte Schallplatte mit Sprung:
„Auto kaputt gemacht!!“
Um die Schwere des Vergehens zu betonen, streckte sie die Arme zur Seite, Handinnenflächen nach oben, fast päpstlicher als der Papst beim Segen spenden, aber schüttelte so ganz anders als der dabei nur fassungslos den Kopf. Socl eine Frechheit aber auch! Leider gelang es mir nicht, die lädierte Schallplatte zu stoppen und so schimpfte sie mit zunehmender Lautstärke weiter:
„Auto putt gemacht!!! Auto einfach puut gemacht!!!!“
´Die Schallplatte ist gleich auch hinüber!`, sagte ich mir.
Um noch zu retten, was vielleicht zu retten wäre, startete ich einen letzten Versuch, das Toni-Möchtegern-Oldtimerchen zu bremsen.
„Tonilein, das Auto bekommt ein neues Rad. Dann ist es wieder ganz.“
Es beruhigte sie keinesfalls.  Omi hatte ja keine Ahnung.  Jenes Auto war kaputt, hatte sie ja gesehen und nun war sie es, die versuchte, mir, ihrer dummen Omi, etwas klarzumachen.
„Auto putt gemacht! Auto putt gemacht!! Auto putt gemacht …“
Ich gab es auf.

Gerade in diesem Minuten kam ein weißes Fahrzeug um die Ecke. Das kannte Toni. Da saß ja der Opi drin.
„Eine Omi!“, rief sie.
„Toni, ist der Opi!!“
Brav verbesserte sie sich:
„Eine Opi!!“
Ich gab mich zum zweiten Male an diesem Tag geschlagen. Eine Opi ahnte ja noch nicht, was da auf ihn zukam, freute sich nur aufs Enkelkind und hielt an. So ein hoch gelegter Wagen ist denn doch noch zu hoch für ein 21 Monate altes Etwas. Das Fenster fuhr also runter und Toni machte einen Klimmzug. Schließlich hatte sie einer Opi etwas Wichtiges mitzuteilen.
„Oomi, Auto putt gemacht!!“
„Opi!!“, versuchte ich flüsternd richtigzustellen.
Vergebens. Die kleine Schallplatte an meiner Seite stellte fest, dass sie ja noch längst nicht alle ihre Rillen abgespielt hatte und drehte auf. Ein paar Male versuchten wir, den Redefluss zu unterbrechen und scheiterten kläglich. Toni quasselte ohne Punkt und Komma und kam dabei erstaunlich gut ohne Luft zu holen aus.
Ums kurz zu machen: Das Auto wurde mindestens dreißig Male kaputt gemacht und immer noch, als wir unser Haus betraten. Denn dort warteten ja ihre Tante Tina samt Patrick auf Toni und die wussten ja noch nichts davon.
„Huhuuh Toni!“
Toni sparte sich die Begrüßung und legte prompt los.
„Pappack: Auto putt gemacht!!!“
Erst, als sich Toni dann des Kühlschrankes und der Weintrauben darin, für die sie so sehr schwärmte, erinnerte, war ihr plötzlich das kaputte Auto total egal und sie futtere und futterte.
„Wie gut, dass da ne ganze Schüssel voller Trauben steht. So ist sie endlich abgelenkt!!“

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