Ein schwingendes Leben (1.Teil)

Kurzgeschichte zum Thema Humor

von  tastifix

Unsere Geburt verlangte unserer männlichen Hebamme, einem Schuster, viel Fingerspitzengefühl und Geschick ab. Sie lief in mehreren Phasen ab, der Näh-, der Nagel- und der Klebphase.

Zu Anfang waren wir noch nicht als das zu erkennen, was wir später ´mal vorstellen sollten. Da lagen nur ein Lederlappen, die Innen- bzw. die Untersohle und ein dicker, schiefer
Holzklotz herum. Am Leder baumelten so eigenartige Strippen mit einem blitzenden, zierlichen, rechteckiges Etwas.
Später lernten wir, die Strippen hießen nicht ´Strippen`, sondern ´Riemchen`, und das blitzende Etwas war eine schicke Schnalle.

Doch wir sollten noch viel mehr erfahren:
Alle unsere Einzelteile wurden verklebt, vernäht und vernagelt. Schließlich hielt der Schuster in seiner Arbeit inne, stellte uns vor sich hin und betrachtete uns zufrieden.
„Na, ihr werdet manchen die Schau stehlen!“, trumpfte er auf.

Wir versuchten, an unserem Leder-Metall-Leib herunter zu linsen. Wie wir wohl aussahen? Als ob der Herr und Meister diese Frage erraten hätte, hielt er uns einen Spiegel vor.
„Hm, nicht schlecht!“, murmelten wir leise zwischen den Riemchen durch.
Unsere geschmeidige Lederhaut glänzte mit der Sonne um die Wette, und dies komische blitzende Ding namens „Schnalle“ gab dem Riemchen den letzten Pfiff.

Gerade schon wollten wir vor Wonne klappern, da fiel uns der Holzklotz, jener schräge Turm zu Pisa, an unserem hinteren Ende auf. Was sollte das denn und wieso war der so enorm hoch, mindestens sieben Zentimeter??
„Den braucht ihr dringend. Das ist sozusagen euer Markenzeichen!“ lachte unser Meister.
Dann wurde er wieder ernst:
„Keine Sorge! Alle eure Artgenossen tragen so etwas. Manchmal niedriger, manchmal höher. Je nachdem...!“

Wir hatten atemlos zugehört:
„Was meint der denn bloß jetzt mit ´je nachdem`?“, raunten wir uns zu.
„Wiee?“, machten wir verwirrt in seine Richtung.
„Also, ihr seid ganz außergewöhnlich edle Exemplare. Deshalb ist dieser ´Holzklotz`, wie ihr ihn nennt, auch so hoch ausgefallen. Richtig heißt der übrigens ´Absatz`!“, setzte er lächelnd hinzu.
Uff, da hatten wir schon wieder etwas dazu gelernt!

Unser Herr und Meister trug uns zu „mehreren Brettern übereinander“, einem Regal. Überrascht entdeckten wir da mindestens zwanzig ähnliche Pärchen. Fast alle trugen sie Absatz. Dort brav in Reih und Glied stehend, rührten sie sich nicht von der Stelle. Gleichmütig taten wir es ihnen nach.
Wenigstens wären wir nicht allein.

Scheu musterten wir die Anderen. Die mit ohne Absatz und erst recht die mit niedrigem oder auch etwas höherem Absatz. Unser Schuster hatte die Wahrheit gesagt. Wir waren etwas Besonderes. Einen soo hohen Absatz wie wir besaß kein zweites Paar.

Wir genossen diesen Triumph, doch nicht allzu lange. Mein Gegenpart entdeckte etwas. Etwas, dass vor jeweils vier der umstehenden Paare am Regal angeklebt war. Kleine Schilder waren es, auf die mit Druckbuchstaben sehr ordentlich etwas vermerkt war.

Jetzt regierte nur noch die Neugierde.
„Wieso haben die...und wir nicht??“
Die Entrüstung machte uns kecker. Wir lasen:
„Haus-, Halb-, Sport-, Regenschuhe...!“
Verunsichert schauten wir uns an:
„Was bedeutet das denn?“
Nach einer Minute des Nachdenkens kam ich auf die wohl nur einzig richtige Erklärung:
„Du, das sind schlicht und einfach deren Namen. Die haben Namen und wir nicht!!“
Beleidigt entschieden wir, am nächsten Morgen unseren Meister so lange zu löchern, bis wir eine zufriedenstellende Auskunft bekamen.

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