Einmischen

Politisches Gedicht zum Thema Isolation

von  EkkehartMittelberg

Dieser Text ist Teil der Serie  Aphorismen
Waren das noch Zeiten, als ein deutscher Kanzler
zornig Intellektuelle „Pinscher“ nannte,
als Poeten schonungslos polarisierten,
Musenjünger mutig sich verdreschen ließen.

Eingeräumt, die Zeiten haben sich gewandelt.
Wer durchschaut die Institutionen, Mächte,
die verschleiert anonymen Druck ausüben,
Wähler unbemerkt an langer Leine führen?

Lyriker, ins Schneckenhaus zurückgezogen,
treiben tiefsinnig die Eingeweideschau,
deuten keine Vogelflüge, wie Mimosen
schließen sie die Köpfchen, ruhn im Musenbau.

Poeten müssen wieder an die frische Luft, um
Barrikaden, die den Blick verdunkeln, mit
Fragen, Sachverstand, Geduld und klaren Worten
einzureißen, wenn auch Kunst sich Flecken holt.

Ekkehart Mittelberg, März 2015


Anmerkung von EkkehartMittelberg:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46273386.html
siehe:ERHARD: im Stil der Zeit- Spiegel online

Ich habe das Gedicht nach Vorschlägen Monalisas, der ich herzlich danke, gründlich überarbeitet.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (24.03.15)
Vielleicht ist ein 'Stinkefinger' ja ein guter Anfang...
(Im Namen der Kunst)

(Edit: Hinzufügung)
(Kommentar korrigiert am 24.03.2015)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.03.15:
Danke, Trekan. Der Stinkefinger ist eines Dichters unwürdig.
Fragen, Sachverstand, Geduld und klare Worte sollten seine Richtschnur sein.

 TrekanBelluvitsh antwortete darauf am 24.03.15:
Klares Ja!. Die Fraga bleibt: Wie soll ein Künstler, in einer Zeit, die "auf Krawall gebürstet" ist, auf sich aufmerksam machen. Ein "Ich habs euch ja gesagt" wenn ganze Heerscharen von Kindern in diverse Brunnen gefallen sind, hilft auch nicht weiter.

Wenn es natürlich nur bei dem Stinkefinger bleibt, ist er so weRTLos wie RTL.

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 24.03.15:
Trekan, ich bin sicher, dass gerade in einer auf Krawall gebürsteten Zeit (War es die Weimarer Republik mit ihren guten politischen Dichtern nicht auch?) geistreiche, witzige, sachliche politische Gedichte (das müssen keine Gegensätze sein) Gehör finden.
Graeculus (69)
(24.03.15)
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 24.03.15:
Merci. Als Momentaufnahme ist dein Hinweis auf fehlende Überzeugung für den Großteil der Lyriker zutreffend, Wolfgang. Aber man sollte in größeren Zeitintervallen denken.
Im übrigen konnten Lyriker poltische Veränderer immer nur begleiten, ermunternd, kritisch, warnend, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Festil (59) ergänzte dazu am 29.03.16:
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 autoralexanderschwarz (24.03.15)
Ja!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.03.15:
Danke, Alexander, dein "ja" signalisiert mir, nicht allein zu stehen.

 autoralexanderschwarz meinte dazu am 24.03.15:
... und das "!" steht dabei für mein Pathos.
Gruß
AlX
(Antwort korrigiert am 24.03.2015)
Nimbus (41)
(24.03.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.03.15:
Danke, Heike, der Text findet Aufmerksamkeit. Aber der Marsch durch die Institutionen des Kulturbetriebs ist lang und mühsam.

LG
Ekki
chichi† (80)
(24.03.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.03.15:
Merci, Gerda. Ich rechne auch mit Skepsis. Aber solange sie ehrlich ist, ist sie nützlich.

LG
Ekki
JamesBlond (63)
(24.03.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.03.15:
Hellsichtiger Kommentar! "Jeder isoliert sich mittlerweile und pudert sein Ego im Spiegel Gleichgesinnter."
Das stimmt und auch deine Feststellung, dass es keine einfache Dichotomie mehr gibt, die zu einfacher Parteinahme einlädt. Und damit entfällt auch Barrikadengeschrei.
Das bedeutet, dass sich heute Politische Lyrik als Agitprop verbietet.
Ihre erste Aufgabe ist Analyse, aber eine, die gelesen wird, weil sie Witz hat und verständlich ist. Danach muss sie Engagement einfordern. Sie stirbt, wenn sie akademisch wird.

Liebe Grüße
Ekki
JamesBlond (63) meinte dazu am 24.03.15:
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Festil (59) meinte dazu am 29.03.16:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.03.16:
Lieber Festil,
ein guter Beleg für die These von JamesBlond.

 Didi.Costaire (24.03.15)
Poeten müssen wieder an die frische Luft
Das gefällt mir und gerade vor drei Tagen habe ich versucht, es zu leben und mich gleich begeistert darüber geäußert, wie herrlich es sei - bis mir mein Schatz sagte, dass der Zigarettenqualm um mich herum dem erheblich entgegenstünde. Es ist also nicht so einfach, aber wir haben herzlich darüber gelacht.
Ansonsten geht der Trend leider mehr zum Mitmischen als zum Einmischen.
Liebe Grüße, Dirk

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.03.15:
Merci, Didi. Ja, der Genosse Trend ist ein hartleibiger Geselle. Bequem und bräsig sitzt er im Sessel und kriegt man ihn endlich mal an die frische Luft, dann weicht diese erschrocken vor der muffigen Aura zurück, die ihn umnebelt. Doch eines Tages - man reibt sich die Augen - ist er nicht mehr da. Frühlingwinde haben ihn davon geblasen.

Liebe Grüße
Ekki
Patrix (65)
(24.03.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.03.15:
Lieber Patrix, wenn es um politische Lyrik geht, liest das Volk besonders ungern. Das hat Tradition.
Dein Verweis auf den Überfluss digitaler Fluchtwelten stimmt natürlich. Aber lasst uns nicht resignieren wie der tapfere Heinrich Hofmann von Fallersleben:
"„Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied / Ein leidig Lied!", so lautet das Verdikt Johann Wolfgang von Goethes, das dieser im 1808 veröffentlichten „Faust I" der Figur des Brander in den Mund legt. [Fn-1: Johann Wolfgang von Goethe , Faust. Der Tragödie erster und zweiter Teil und Urfaust, hrsg. v. Erich Trunz, München 1986, 68.] Diese Geringschätzung einer politisch engagierten Lyrik aus der Feder eines der bedeutendsten deutschen Dichter hat die Wahrnehmung und Beurteilung dieser Form von Dichtung bis heute entscheidend geprägt. Dennoch gab es immer wieder Zeiten, in denen ein solches Urteil hinterfragt oder geradezu auf den Kopf gestellt wurde. So ruft August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der Freiheitssänger von 1848, einige Jahrzehnte später dichtend aus: „Ein politisch Lied, ein garstig Lied! / So dachten die Dichter mit Goethen / […] / Doch anders dachte das Vaterland: / Das will von der Dichterinnung / Für den verbrauchten Leiertand / Nur Mut und bied're Gesinnung. / Und wer nicht die Kunst in unserer Zeit / Weiß gegen die Kunst zu richten, / Der werde nun endlich beizeiten gescheit / Und lasse lieber das Dichten!" [Fn-2: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben , Gesammelte Werke, 8 Bde., hrsg. v. Heinrich Gerstenberg, Berlin 1890-93, hier: Bd. 1, 45.]"
Quelle:http://library.fes.de/fulltext/historiker/01141001.htm
(Antwort korrigiert am 24.03.2015)
Fabi (50)
(24.03.15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.03.15:
Danke, Fabi, das ist doch ein Wort.

LG
Ekki

 monalisa (24.03.15)
Lieber Ekki, im engeren Sinn sehe ich in deinem Werk kein politisches, sondern eher ein metapolitisches Gedicht, das 'politische Enthaltsamkeit der Lyriker' beklagt, indirekt die Dichter (wohl nicht nur sie?) aufruft, zu hinterfragen, sich zu informieren, eine Meinung zu bilden, zu analysieren, aufzuzeigen, aufzurütteln, anzuprangern … und sich dabei durchaus lyrischer Methoden zu bedienen.

Du selbst gehst mit gutem Beispiel voran, indem du mit Reim (Assonanz/Aliteration) und Metrum spielst, Vergleiche/Metaphern heranziehst, doppeldeutige Wendungen einbaust, etwa die 'Eingeweideschau' (Haruspicien) die mit der 'Deutung des Vogelflugs' (Auspicien) zusammen beliebte Methode der Römer für Vorhersagen war, andererseits aber auch als 'Nabelschau' innerer Befindlichkeit gedeutet werden kann. Im persönlichen Austausch habe ich dir schon versichert, dass ich politische Lyrik für sehr schwierig halte, eine Gratwanderung zwischen Fakten, Meinungen, Analysen und lyrischem Gestaltungsanspruch.
Die 'politische Enthaltsamkeit', meine ich, betrifft ja nicht nur die Lyriker, Verdrossenheit und Misstrauen (Angst vor z.B. medialer Manipulation) machen sich in allen Bevölkerungsschichten breit, dazu kommt ein Gefühl der Unwissenheit und Ohnmacht (von dir treffend so ausgedrückt: 'Wer durchschaut die Institutionen, die hinter anonymen Schleiern Macht ausüben'), das viele veranlasst in private Bereiche/Innenschau zu flüchten.

Liebe Grüße,
mona

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.03.15:
Liebe Mona,
die richtige Unterscheidung zwischen politischem und metapolitischem Gedicht ist mir in diesem Falle nicht so wichtig. Hauptsache, die politische Abstinenz von Lyrikern wird angesprochen. Richtig ist natürlich auch, dass Politikverdrossenheit fernab von Kunst für weite Kreise der Bevölkerung gilt, aber hier ist das literarische Forum und hier will ich springen.
Ganz wichtig ist mir aber, dass du so sorgfältig auf die Form meiner Verse eingegangen bist. Das kostet die Kommentatorin Zeit. Ich war zum Beispiel gespannt, ob jemand die Verweise auf auf die Eingeweide- und Vogelschau der römischen haruspices (Priester) entdecken würde.
Wie du zu Recht schreibst, ist politische Lyrik schwierig, wenn sie nicht platte Tendenzliteratur sein soll. Aber in der Herausforderung liegt ja auch der Reiz.
Gracie especiale für deine Interpretation.

Liebe Grüße
Ekki

 TassoTuwas (24.03.15)
Hallo Ekki,
ich glaube Flagge zeigen oder Zivilcourage üben, ganz gleich auf welchem Gebiet, ist wenig reizvoll zu Zeiten, wo die Ellenbogen der Selbstverwirklichung und des persönlichen Vorteils gebraucht werden!
Leider Mainstream.
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.03.15:
Merci. Wer könnte dem widersprechen, HannsGeorg? Dennoch hat es mich positiv überrascht und gefreut, dass dieses Gedicht, das ein bisschen Flagge zeigt, aber keine Zivilcourage erforderte, hier so vel Beachtung gefunden hat.

Herzliche Grüße
Ekki
Festil (59)
(29.03.16)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.03.16:
Lieber Festil,
ich freue mich sehr über die positive Bewertung und besonders darüber, dass du dem Text Aktualität bescheinigt hast. Vielen Dank.
Liebe Grüße
Ekki
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