Vom unzweideutigen Artikulieren

Essay zum Thema Sprache/ Sprachen

von  LotharAtzert

"Die Tüftler-Intelligenz hat zugenommen, aufkosten des Verstandes freilich, dessen Begriff heute keiner mehr vom aufrechten Stand im Sinne der Eigenständigkeit abzuleiten versteht."

So in etwa lautete mein Kommentar auf einen anderen Kommentar eines Aphos zum Thema Intelligenz. Dabei fiel mir wieder einmal auf - zum wiederholten mal - daß sich das scharfe Artikulieren von Jahr zu Jahr mehr verflüchtigt, zugunsten schwammig-interpretierbarem Meinens und Dafürhaltens, Dagegenhaltens usw.
Was ist Intelligenz, was Vernunft, was Verstand - das alles ist den Heutigen keiner konsequenten Klärung, keiner "Unter-Scheidung" mehr wert, als seien die Begriffe von sich aus klar, was mich auf die berühmte Palme bringt. Denn nicht von alledem ist klar, rein garnichts! Besser wäre, das Wort Philosophie fortan nie mehr in den Mund zu nehmen.

Was indessen Klarheit ist, habe ich versucht, in mehreren Schriften im Detail darzulegen (freilich ohne einen Kommentar von den üblichen kV-Verdächtigen zu erhalten) und möchte es deshalb nur kurz wiederholen: Wenn Wasser klar ist, sieht man, was sich auf dem Grund befindet; nicht allerdings wird Klarheit jemals sichtbar. Da gibt es nichts zu deuteln und zu kritteln. Ein geklärter Begriff wird - dementsprechend - erst wieder Untergründe freigeben.

Wie ist es nun um die Intelligenz bestellt? Wenn wir sie nicht von der Vernunft und dem Verstand getrennt betrachten, begreift man gar nicht, daß es drei verschiedene Dinge sind.
Wie oben bereits angedeutet, kommt der Begriff Verstand vom sicheren Stand, dh. vom Erheben der An-Lage eines Individuums. Anlage ist, was an Möglichkeit zur Gestaltung in jedem geborenen Wesen schläft, bzw. darauf wartet, ins Leben gebracht zu werden, um Gestalt anzunehmen, was später "Individualität" heißen wird, was den Einzelnen also von anderen unterscheidet, sofern er das Gestalten nicht verweigert.
Es gibt viele Gründe für die Verweigerung. Vor allem dann, wenn die Anlage eines Menschen nicht kompatibel mit dem Zeitgeist ist. Ich selbst weiß ein Lied davon zu singen. Anlagen ins Leben zu integrieren, welche Unzeitgemäßes beinhalten, setzen ihren Träger  Gefahren aus. Je nach dem, um was es sich handelt, macht es einsam, man wird zum Gespött, wird verprügelt, verfolgt, mit Häme bedacht - halt das volle Programm an Gemeinheiten des Bürgers gegen Außenseiter. Und um noch einen draufzusetzen, gibt's für den Getretenen Sprüche, wie: "Werd' endlich vernünftig!"
Doch all das ist nötig, um an den Widerständen zu wachsen. Heute bin ich meinen Peinigern durchaus dankbar für die harte Lebensschulung. Wie Schiller einmal sagte: "Das Außerordentliche geschieht nicht auf glattem, gewöhnlichem Wege."

Die deutsche Dichter/Denker-Sprache, ihre Bilder, ihre Wortgewalt mit all den Möglichkeiten eines Begreifens und Erfassens von Inhalten -innehalten! -  ist etwas außergewöhnliches, dem Sanskrit in vielem ebenbürtig. Daß mit einem Begriff, wie "Verstand" die Haltung des Eigenständigen ausdrückbar wird, ist nicht in jeder Sprache selbstverständlich. Leider ist sie durch die Tüftler-Intelligenz, wie ich sie jetzt nenne, inzwischen hochgradig "kontaminiert": man tüftelt am Fortschritt und merkt nicht, wie sein Verstreben mit stetig wachsendem Geistesverfall bezahlt wird.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(06.04.15)
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 LotharAtzert meinte dazu am 06.04.15:
Richtig - obwohl sich mir der Sinn dieser Aussage heute morgen wg. Müdigkeit nicht mehr erschließt.
Mal sehen, wie das nach dem Schlafen ist.

 LotharAtzert antwortete darauf am 07.04.15:
Ja das dritte Auge ist noch nicht ganz offen.
BabetteDalüge (67)
(06.04.15)
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 LotharAtzert schrieb daraufhin am 06.04.15:
Die Menschheit wird kraftloser und Kraftlose fallen vorzugsweise übereinander her - das sind trübe Aussichten.
Mut und Kampfeswille hat unsereiner dann doppelt und dreifach aufzubringen.
Das Immunsystem - bloß gesunde Ernährung nutzt nix, da sind wir uns einig. Dennoch würde ich daraus nicht den Umkehrschluß ableiten, daß ungesundes Essen nicht schadet.
Danke und Gruß
Lothar

 Nachtpoet (06.04.15)
Sehr interessante Abhandlung. Es freut mich auch, dass mein Aphorismus zum Denken und Streiten anregt. Zum letzten Satz dieses Textes würde ich noch hinzufügen, dass die "Tüftler-Intelligenz" oft Dinge vollbringt, die sich im gesamt-philosophischen Kontext eigentlich gegen den Menschen und seinem Menschsein stellt. Wie z.B.: der Colt, die Atomrakete oder auch der internationale Handel mit Grundnahrunsmitteln an der Börse, der nur mit einer speziellen Software funktioniert.

Schöne Grüße
Ralf

 LotharAtzert äußerte darauf am 06.04.15:
Ja, so fördern wir uns gegenseitig und so sollte es ja eigentlich auch sein, lieber Ralf.
Deiner Hinzufügung stimme ich inhaltlich ohne wenn und aber zu.
Auch Dir schöne Grüße
Lothar
Overwolf (37) ergänzte dazu am 05.09.16:
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 Dieter_Rotmund (06.04.15)
Schön geschrieben, flüssig zu lesen, auch wenn ich inhaltlich nicht immer einverstanden bin.
Wieso ist von meinen Vorrednern niemand so nett und weist auf das "aufkosten" hin???

 LotharAtzert meinte dazu am 07.04.15:
Aufgrund der Schreibweise ist mein Schiffchen bislang nicht auf Grund gelaufen. Ich bitte darum, dieses so an die Sprachwächter vom Duden weiter zu leiten. (Entsprechendes gilt für die Kosten)
Danke
Mit freundlichem Gruß
;-)
(Antwort korrigiert am 07.04.2015)

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 07.04.15:
Ja, in der Tat ist aufgrund zulässig, aufkosten jedoch nicht, auch nicht als Verb, so wie z.B. vorkosten...
Guter, anschaulicher Vergleich mit dem Grund, der eindeutig zeigt, dass kleine orthographische Unterscheide große Unterschieden in der Bedeutung bedeuten können.

 Regina (27.05.22, 04:07)
Das war so ein Artikel, den ich mit Interesse lese, deutlich ausgedrückt und inhaltlich wohlbedacht.
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