Zum Schluss höre ich, wie die Grillen zirpen

Kurzprosa zum Thema Stillstand

von  tulpenrot

Meist lässt du dir Schweinsbraten mit Semmelknödeln in dein Luftschloss bringen. Ich speise mariniertes Hühnchen mit Kressesalat und Rosmarinkartoffeln in meinem Wolkenkuckucksheim. Jeder isst für sich.

Wir treffen uns selten.

Eigentlich haben wir uns dann kaum etwas zu sagen. Und das Wenige, das übrig bleibt, legt sich wie eine steif gefaltete Krause um unsere Hälse. Dann zerschneiden wir uns gegenseitig unsere Sätze, kürzen sie dem anderen ungehört und kämpfen darum, wer das Wort haben kann, das in der Luft liegt. Nebenbei buchst du auf deinem Handy einen Auslandsflug für dich alleine und schwärmst davon, wie günstig das Angebot sei. Und dann sagst du, der Mond sei aufgegangen und du müsstest gehen. Morgen hättest du viele Termine. Die wolltest du noch erledigen, bevor du die große Reise bis ans Ende der Erde antrittst.

Während du am nächsten Morgen von den Klippen in die Tiefe springst, zupfe ich meinem Wolkenschaf den wolligen Bauch. Du liebst das Abenteuer.

"Ich rufe dich an, wenn ich zurück bin", sagst du zum Abschied. Ich antworte nichts, lasse mich von dir flüchtig umarmen und denke, es ist ja nichts Böses geschehen. Sieben Tage nach deiner Ankunft hältst du immer noch dein Wort zurück. Dein Schweigen umgibt mich wie ein zu groß geschnittener Mantel. Ohne Gürtel.
Ich hole mein Fahrrad aus dem Schuppen und radele um den Häuserblock. Jetzt höre ich, wie die Grillen zirpen. Wenigstens das.

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Kommentare zu diesem Text


 Jorge (03.10.15)
Ein sehr gefühlvoller Text.
LG
Jorge

 tulpenrot meinte dazu am 03.10.15:
Danke, Jorge. Es war mal wieder ein Versuch, einen Text herzustellen. Ist leider etwas melancholisch geraten.
LG
Angelika
Sätzer (77)
(03.10.15)
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 tulpenrot antwortete darauf am 03.10.15:
Hallo Uwe, das freut mich, wenn der Text so rüber kommt, wie ich es dachte. Danke für deinen Klick und diese Rückmeldung.
Ein schönes Wochenende
Angelika

 niemand (03.10.15)
Zwei, die nicht miteinander können, aber auch nicht ohne einander. Gut getroffen und voll aus dem [Single?]-Leben Mit lieben Grüßen, Irene

 tulpenrot schrieb daraufhin am 03.10.15:
Danke, Irene. Ja, ich hatte zwei Singles vor Augen, von denen keiner aus seiner Haut kann.
LG Angelika
janna (66)
(03.10.15)
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 tulpenrot äußerte darauf am 03.10.15:
Danke, Janna. Ich hab mir bei der Umschreibung Mühe gegeben Schön, wenn es ankommt.
LG und dir auch einen sonnigen Tag
Angelika

 AZU20 (03.10.15)
Ein Dilemma, gefühlvoll geschildert. LG

 tulpenrot ergänzte dazu am 03.10.15:
Danke, Armin, hoffentlich meinst du nicht "gefühlig" .... ich bekomme leichte Zweifel... LG und schönen Feiertag

 AZU20 meinte dazu am 03.10.15:
Natürlich nicht. LG und noch einen schönen Abend

 idioma (04.10.15)
Sehr sehr guter Text :
Der "zu groß geschnittene Mantel. Ohne Gürtel."
Der zweitletzte Abschnitt !!
Der letzte Abschnitt !
Sehr sehr vielsagend.......
Sobald dann eines Tages der letzte Satz mit diesen zwei allerletzten Worten wegoperiert sein wird wie ein Blinddarm und den Grillen eindeutig und endgültig der Vorrang zuerkannt werden wird, dann beginnt das wahre Leben.... prophezeit gratulierend idioma
:-))

 tulpenrot meinte dazu am 04.10.15:
Hallo idioma, Danke für deine Rückmeldung und dein Lob. Du meinst, ich könne die beiden Schlussworte weglassen? Dann endet der Text natürlich nicht so bitter, wie ich ihn eigentlich dachte.
LG tulpenrot

 idioma meinte dazu am 04.10.15:
Nein liebe tulpenrot, Du sollst diesen letzten Satz keinesfalls weglassen !
Ich hatte nur die Idee, die weitere seelische Entwicklung des LyrIch zu "prophezeien" bzw. skizzieren.........
idi

 tulpenrot meinte dazu am 04.10.15:
Gut, dann bin ich zufrieden.
LG und schönen Sonntag
tulpenrot

 franky (04.10.15)
Hi liebe Angelika!

Außer dass der Text eine ärgerliche Situation schildert, und das brillant, sind da viele poetische Perlen enthalten.
Habe es mit großem Interesse gelesen.

Herzliche Morgengrüße

Von Franky:-)

 tulpenrot meinte dazu am 04.10.15:
Danke, Franky, so viel Lob! Freue mich natürlich sehr.
LG und schönen Sonntag
Angelika
Jonathan (59)
(18.10.15)
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 tulpenrot meinte dazu am 18.10.15:
Doch, das ist doch gar nicht so traurig, sondern humorvoll. Dein "gekonnt" freut mich natürlich. Danke für deinen Kommentar und liebe Grüße Angelika
ues (34)
(25.10.15)
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 tulpenrot meinte dazu am 26.10.15:
Danke, ues, für deine Worte. Ja, so war es gemeint - es ist nichts Böses geschehen - diesen Teil hast du treffsicher herausgepickt und ihm die Beurteilung zugeschrieben, die ihm zukommt.
Herzliche Grüße und Danke auch fürs *
Angelika

 princess (16.11.15)
Liebe Angelika,

ein leiser Text ist das. Mit Zwischentönen, die in meinen Ohren ganz kurz schrill aufbrausen, bevor sie wieder einen leisen Klang annehmen. Besonders mag ich die beobachtende Perspektive des Textes. Da darf einfach alles mal so sein, wie es gerade ist. Eigentlich geht es hier ja um zwei, denke ich mir. Aber so ganz sicher bin ich mir nicht. Denn wenn Grillen zirpen, dann weiß man mitunter gar nicht genau, ob es wirklich die Grillen sind oder möglicherweise nur der eigene Tinnitus.

Liebe Grüße
Ira

 tulpenrot meinte dazu am 16.11.15:
Liebe Ira,

die Idee mit dem Tinnitus finde ich bomforzionös. ))
Wie schön, dass dir das beobachtende Leise im Text gefällt. Danke fürs *.

Liebe Grüße
Angelika

 GastIltis (03.03.17)
Liebe Angelika,
ein ausgesprochen phantasiereich verfasster Text, der durch seine knapp gehaltene Form besticht, und der seit 2015 nichts an Aktualität verloren hat. Manche Widersprüche kann man nicht besser ausdrücken, auch die scheinbare Unvoreingenommenheit nicht, offenbar einvernehmlich zu handeln. Und die Bilder sind wunderbar treffend, fast verzaubernd.
LG Giltis.

 tulpenrot meinte dazu am 03.03.17:
Lieber GIltis,

dein so freundlicher Kommentar und das darin enthaltenes Lob gefällt mir. Danke sehr dafür. Ich freu mich natürlich.

Ich hab an dem Text gestern nur einiges Weniges umgestellt - er ist aber wörtlich erhalten geblieben. Manchmal weiß ich erst nach Jahren, wie ein Text "richtig" sein muss , obwohl schon sehr viele positive Rückmeldungen da waren.

Herzliche Grüße
Angelika
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