Rumkugel

Kindergeschichte zum Thema Aufmerksamkeit

von  Lala

Rumkugel

Wie immer nach der Schule stoppte ich meinen Weg nach Hause bei der Bäckerei Hagedorn. Obwohl Hagedorn mit dem Fahrrad keine fünf Minuten von der Schule entfernt und alle Wege bei uns im Ort  flach wie Pfannkuchen waren, konnte ich nicht anders, als dort anzuhalten. Ich hatte es mir verdient. Jeden Tag hatte ich es mir verdient und bevor ich die Eingangstür öffnete, wischte ich mir den Schweiß von der Stirn.

Während in meinem Kopf die Klingel der Ladentür noch nachhallte, als sei sie ein Windspiel in einem offenen Fang, betrachtete ich schon die verschiedenen Blechkuchen und mehr noch die Tortenauslage in der Vitrine: Schwarzwälder Kirsch-, Sacher-, Erdbeersahne-, Marzipan- und Eierlikörtorte. Auf- und aufeinandergeschichtete Leckereien auf luftigem Teig, aus dicker Butter und glänzendem Email aus Zuckerguss. Wegen meiner täglichen Besuche bei Hagedorn, musste ich tunlichst vermeiden, mir auch nur einmal ein Stück dieser teuren Meisterwerke der Backkunst zu kaufen. Sollte ich jemals solches tun, so fürchtete ich, würde ich wie eine Figur aus dem Struwwelpeter auf ewig der Buttercreme verfallen oder wie in den Geschichten aus 1000 und einer Nacht den Bäcker Hagedorn für immer als alten, einprügelnden oder mich wie eine Gans stopfenden Dämon auf meinen Schultern tragen müssen, ohne ihn je absetzen zu dürfen. Meine Wahl fiel daher immer, weil die Verkäuferin schon ungeduldig wurde und mich genervt aufforderte, mir etwas auszusuchen, auf eine der Rumkugeln, die lieblos aufgestapelt auf der Vitrine standen.

Auch an diesem Tage sah ich die Figur der Verkäuferin hinter dem Glas der Vitrine stehen, als ich all die dargebotenen Leckereien begutachtete. Sie hatte zwar ihre Arme in die Hüfte gestemmt, aber sie blieb auch nach Minuten in ihrem weißgeschürzten, hellblauen Kleid wie angebacken stehen. Sie begann nicht, ihren Körper von links nach rechts zu wiegen oder ihre Ungeduld durch hässliche Körper- oder Unmutsgeräusche zu äußern. Nie zuvor hatte ich soviel Muße gehabt, die geologischen Schichtungen, die poröse Luftigkeit der Teigböden, der geschlossenen Schneedecken von Sahne und der Unversehrtheit von Erdbeeren oder anderer Früchte in zu Gelatine gefrorener Zeit, mir dauerhaft einzuprägen.

Erst als ich aufschaute und vor meinen Augen auf der Vitrine das blecherne Tablett mit den aufgestapelten Rumkugeln lag, von denen ich mir dann eine aussuchen wollte, sah ich eine braune Papiertüte mit einem angemalten Gesicht statt der verärgerten Visage der Verkäuferin. Auf der Tüte waren zwei große, schwarzumrandete, weißausgemalte Ovale mit zwei schwarzen Kreisen als Pupillen aufgemalt. Der Mund war nur ein schmaler, waagerechter Strich.

Erschrocken rang ich nach Luft, fragte mich, welchen Streich man mir nun wieder spielen wollte und dachte hektisch, planlos darüber nach, wie ich mich verhalten sollte. Eine Mischung aus Zorn, Beleidigung, Demütigung bemächtigte sich meiner aber auch das Gefühl von Scham. Scham, weil ich mich ertappt fühlte. Ich fühlte mich ertappt bei etwas, was mich, wie ich in diesem Moment erst begriff: definierte.

  Wir glotzten uns an. Stumm und gefesselt. Sie mich aus ihren aufgemalten, weißen Tipp-Ex Augen, ich sie mit einer kalten Mischung aus Zorn und Scham. So ging es eine Ewigkeit, bis ich aus dem Augenwinkel bemerkte, dass eine Kundin, eine ältere Dame, ihr Holländerrad neben meinem anschloss und sich anschickte, die Bäckerei zu betreten. Als die Frau sich aus der Hocke erhob und ihren dicken Hintern rumdrehte, war ich erleichtert. Ich konnte ihr Gesicht sehen. Sie hatte sich keine Papiertüte über den Kopf gezogen. Nein, sie hatte zwar einen Hals so faltig wie ein Leguan, aber eine gesunde, selbstbewusste Körpersprache. Kurzgeschnittene, graue Haare, lebendige, neugierige, aufmerksame Augen, in der Mitte eine gewitzte Spitzmausnase und wegen ihrer Grübchen umspielte ihren  Mund ein ironisches Lächeln. Insgesamt sah ich durch das Schaufensterglas der Bäckerei ein freundliches, intelligentes Gesicht in den Laden hineinkommen.

Als sie eintrat, klopfte mein Herz in paradoxer Intensität zum gemächlichen Klang des Windspiels. Es drohte zu zerspringen, als wir uns im Laden erstmals ansahen und ihr Gesicht im selben Moment hinter einer ausdrucklosen Papiertüte verschwand. All ihre Bewegungen waren augenblicklich verharrt. Sie schaute mich mit den gleichen aufgemalten Augen an, wie die der Verkäuferin. „Was!?“, schrie ich unvermittelt die Alte an. Sie reagierte nicht. Ich wirbelte herum und schrie die Verkäuferin an. Keine Reaktion. Danach brüllte ich hemmungslos und raufte mir meine Haare, die wegen der sommerlichen Schwüle wieder strähnig und fettig geworden waren. Ich hasste mich dafür. Keine Reaktion.

Ich konnte so viel toben und schreien wie ich wollte. Sie blieben stumm. Egal was. Stumm. Ich bekam Schweißausbrüche und roch den Gestank den ich verströmte. Ich hasste es. Zumal im Sommer. Es erinnerte mich an mein Klassenzimmer. Eingepfercht in einen kleinen Raum mit zwei Dutzend aufgegeilten, tollwütigen Rüden und Fähen, die sofort ihre Nasen kräuseln und Witterung aufnehmen, wenn sie Angst riechen und Dominanz ausleben können.

Aber das hier war nicht mein Klassenzimmer. Das war meine Bäckerei. Und so gehen wollte ich auch nicht. In der Bäckerei Hagedorn war schließlich kein Rudel. Nur zwei alte Frauen mit Gesichtern aus Pappmache.
„Ich will die da“, befahl ich der Verkäuferin in einem trotzigen und rotzigen Ton und zeigte auf eine Rumkugel. Zu meiner Überraschung kam sie meinem Befehl umstandslos und überraschend flott nach. Sie sagte zwar irgendetwas, aber nichts davon konnte ich verstehen. Es war ein dumpfes Gebrabbel. Nichts Wichtiges. Auch die ältere Dame an der Tür war weiterhin still und bewegte sich nicht. Das ausdruckslose Papiertütengesicht der Verkäuferin streckte mir die braune Tüte mit der Rumkugel rüber und ich hörte „80 Cent“ -  und einen Strudel undurchdringlicher Geräusche. 

Während ich umständlich meinen Brustbeutel hervorholte, der sich nur mit einem schmatzenden Geräusch von meinem Körper lösen wollte, wurde ich gewahr, dass ich mir gestern und vorgestern und vorvorgestern und überhaupt immer nur eine Rumkugel gekauft hatte, weil die Verkäuferin sich immer so blöde und fies angestellt hatte. Weil die Zicke immer Grimassen gezogen oder Schlimmeres gesagt hat, nur weil ich ihre Torten, ihre Auslagen in der Bäckerei so erregend fand und mich deswegen nie hatte entscheiden können. Sie hat nie verstanden, dass ich mir niemals das Tortenstück gekauft hätte.

„ … und die und die … und die …  und … eigentlich alle. Danke“, sagte ich souverän und wies die dargebotene Tüte mit der einen Kugel zu 80 Cent wieder lässig zurück. Sie tat wie befohlen. Alle Rumkugeln, auch die vorselektierte, wanderten in eine andere, größere Papiertüte. Das alles geschah zwar unter etwaigem Gebrabbel aber ohne Widerworte. Alle Kugeln wanderten in eine große Tüte. Bis auf Zwei. Aber die hatte ich willkürlich per Fingerzeig wieder aussortiert, nur um zu prüfen, ob ich es könnte. Ich konnte. Ich zahlte. Ich nahm die Kugeln und ging kommentarlos an der alten Schachtel vorbei, die noch immer steif und stumm an der Tür stand. Als ich draußen mein Fahrradschloss aufschloss, fühlte ich mich so erhaben und so frei wie nie zuvor.


In den folgenden Tagen gewöhnte ich mich daran, dass in der Bäckerei die Papiertütengesichter waren. Es erleichterte mir meine Einkäufe und Mußestunden vor den Backwaren. Ich nahm es hin, dass alle, die bei Hagedorn arbeiteten oder einkauften, diese ausdruckslosen Gesichter besaßen. Ich nahm es hin, dass Gesichter verschwanden, wenn ich in der Bäckerei war und die Tüten wieder verschwanden, wenn ich meinen Hintern, beladen mit einer oder mehreren Rumkugeln, wieder auf meinen Sattel hievte und von außen durchs Schaufensterglas auf die Vitrinen zurückblickte. Es war halt so.

  Natürlich war es surreal. Aber was sollte ich machen? Es war angenehmer als früher. Trotz der Tütenfressen. Meine Rumkugelaussortierspielchen unterließ ich zukünftig und genoss, dass ich in Ruhe schauen und  am Ende meines Schauens mich für meine Rumkugel entscheiden konnte - und sie kommentarlos bekam.


Anmerkung von Lala:

Wenn der Nobelpreis für Literatur dieses Jahr verliehen worden wäre, hätte ich ihn für diese Rumkugel bekommen.
So wude es mir von Gasti, Ekki und Bergmann hoch und heilig versichert. Sie haben diesen Text mehrfach empfohlen.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (11.01.18)
Eine Entwicklungsgeschichte hin zu persönlicher Freiheit, die die Meisten in ihrer Jugend in unterschiedlicher Form durchlaufen.

 Lala meinte dazu am 11.01.18:
Ja, es ist eine Entwicklungsgeschichte. Auch. Hoffentlich: auch.
Danke.
Sätzer (77)
(11.01.18)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 AZU20 antwortete darauf am 11.01.18:
Auch nicht mein Lieblingsessen, aber der Text hat was. LG

 Lala schrieb daraufhin am 11.01.18:
@Sätzer
Meine Mutter meinte dazu: Rumkugeln werden aus den Resten gemacht, die der Bäclermeister am Ende des Tages vom Boden zusammengefegt hat.

@AZU20
Ja, hat er. ;)

Antwort geändert am 11.01.2018 um 17:48 Uhr
Sätzer (77) äußerte darauf am 11.01.18:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Lala ergänzte dazu am 12.01.18:
Um genau zu sein hat meine Mutter gesagt: Da hat der Bäcker die Backtube zusammengefegt und das zu Rumkugeln gerollt. Das klingt schon übler als Resteverwertung.
Stelzie (55)
(11.01.18)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Lala meinte dazu am 11.01.18:
Das freut mich sehr,. dass Du einen solchen Aspekt herauslesen konntest. Sogar sehr, sehr.
LottaManguetti (59)
(11.01.18)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Lala meinte dazu am 12.01.18:
Hallo Lotta.

großen und lieben Dank für Dein Gefallen an der Rumkugel. Geht natürlich runter wie Öl.

Die monierten Stellen werde ich umsetzen, wobei ich nicht weiß ob mir das „mir“ an der Stelle wo Du es setzen würdest (sofern Du den Satz nicht völlig anders schreiben würdest) , besser gefällt. Warum? An dem Satz, an diesem steilen Tortengebirgssatz habe ich – ich weiß nicht? –Dutzendmale? rumgedoktert und hin und wieder und wieder her geschoben. Wobei ich schon lange brauchte, die richtigen Vokabeln zu finden, um meine Torten auch nachvollziehbar lecker, verlockend und interessant zu machen. Ich hasse Beschreibungen von Dingen. Ich war echt froh, als ich ihn so hatte wie er jetzt hier steht. Mal sehen, vielleicht wage ich mich nochmal an ihn ran.

Und das hier:- „welchen Streich man mir nun wieder spielen wollte"

Ist sehr fein beobachtet. Dieser Text ist 2014/15 entstanden und sollte ein Mehrteiler werden. Ich hatte mir eine Mörderschtorry zusammengereimt aber dieses erste Kapitel an dem ich auch am Längsten gewurschtelt hatte, erschien mir Angesichts der weiteren, völlig missratenen Folgekapiteln irgendwie am besten geraten zu sein. Es war mir auch nie aus dem Kopf gegangen. So musste ich nur drei Sätze löschen, um es herauszulösen. Den Deinen aber hatte ich übersehen. Wenn Du wissen willst, was ich mir da zusammengekaspert hatte, dann warte auf meine Antwort auf Isaban.
Mittlerweile denke ich, dass dieser Mehrteiler eine zu große Nummer war und dieses Kapitel eigentlich schon dicht genug ist und für sich selbst steht, immer schon stehen wollte und eben auch genügend Freiheiten lässt sich alles andere vorzustellen.

PS: Wenn ich mir überlege wieviel ich an dem Kapitel schon „geraspelt“ hatte, bin ich auf der einen Seite frustriert, dass immer noch “Laub“ herumliegt, aber andererseits weiß ich: Wenn ich das nicht gemacht hätte? Der Ersteindruck dieses Textes wäre um Längen schlechter gewesen. Daher nochmal Danke für Deine Hinweise.

 Sylvia (11.01.18)
Bei der Torten-Reizüberflutung entsteht gewiss ein Stresszustand, mit dem der Prot überfordert ist und zusätzlich die Tüte, die gemeine Tüte, die noch nicht mal lächelt, wo er sich über das Visuelle definiert. Die Überreaktion, das 'Haare-Raufen, Schreien', ein Ventil für den Umgang mit der neuen Situation. Die Rumkugel zu wählen erscheint logisch, da sie in der Auslage heraussticht und mich würde interessieren, ob er sie überhaupt mag? Ich könnte mir vorstellen, er mag sie nicht und kauft sie, weil es Kugeln sind und ihm Sicherheit geben. Sollte er sich mal für eine Torte entscheiden, sagt die Verkäuferin womöglich nein und er würde die Entscheidungsfreiheit verlieren.
Gerne gelesen
LG Sylvia

 Lala meinte dazu am 12.01.18:
Hallo Sylvia,

den Stresszustand in der Bäckerei - auch angesichts der Torten - dern wollte ich beschreiben. Allerdings ziehst Du eine Ebene ein. an die ich nicht gedacht habe - aber das ist besonders schön, denn es bestätigt mir, dass der Text - so wie ich es in meiner Antwort an Lotta beschrieben habe - genügend Spielraum lässt, ihn mehrschichtig wie eine Torte zu lesen.

Dein geometrische Ansatz - Kugel, Dreieck (Tortenstück), Papiertüte (im ungebrauchten Zustand: rechteckig), der fasziniert mich gerade.

Danke Dir.

 Sylvia meinte dazu am 15.01.18:
Also, ich hätte ebenfalls gekauft :)
Die Anmerkungen/ Kommentare zum Text finde ich ausfschluss- und hilfreich, die Rumkugeln mal mit anderen Augen zu lesen :)
fdöobsah (54)
(12.01.18)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Lala meinte dazu am 12.01.18:
Hallö fdöobsah,

traurig. war eindeutig die Grundfarbe dieser Geschichte. Es sollte mal ein Mehrteiler werden. Die oder der Portagonistin entkoppelt sich bzw. - wodurch auch immer - versucht sie die Außenwelt so weit von sich abzuschirmen, dass ihr die Außenwelt nicht mehr weh tun kann. Sie hört nur Gebrabbel. Sie lässt es nicht mehr an sich heran. Zugbrücke hoch. Wie das Klassenzimmer wahrgenommen wird, sollte das zusätzlich unterstreichen. Die Bäckerei als Zufluchtsort und die Torte als Sehnsuchtsziel, war auch meine Idee. Ein fieser Text? So sehe ich ihn auch.

Danke und sollte ich im Eigenverlag das Ding rausbringen., weiß ich ja schon wer mir meine zukünftigen Fantastilliarden überweist.

PS: Danke für den Vergleich mit Dahl. Das wäre toll, wenn es die Qualität hat. Das wäre richtig geil.

 Isaban (12.01.18)
Kaufen würde ich das auch - auch wenn ich mir den letzten Satz etwas konservativer interpunktiert und insgesamt sortierter wünschte.

Es ist eine spannende Geschichte. Mich beruhigt vor allem, dass die Tütengesichter anscheinend ausschließlich in der Bäckerei auftauchen, es gibt also andernorts noch "Außensicht"; so ganz und gar muss der Protagonist also nicht abgeschottet sein. Ich glaube auch nicht, dass da nur Hassgesichter vertütet werden, denn die alte Dame, die den Laden betrat, wurde ja als freundlich beschrieben. Nach meiner Interpretation verdecken die Tüten nur die menschlichen Faktoren, die den Genuss (vielleicht die Selbstfindung, vielleicht ein verbotener Genuss, vielleicht das Ausleben eines Traumes) verhindern oder zumindest doch mindern.
Ich hadere noch mit mir, ob ich sie als "traurig" betrachten soll oder ob die Papiertütengesichter nicht eher eine Erlösung sind, eine Befreiung von den Zwängen, sich nach der Stimmung und Meinung der anderen richten zu müssen, eine Möglichkeit, sich seinen Leidenschaften ohne Rücksicht auf das, was "die Leute denken" hinzugeben, eine Möglichkeit, seine eigenen Bedürfnisse zu erspüren, ohne sich von anderen reinreden zu lassen.

Betrachtet man es als „Selbstfindung“, ist es natürlich eine sehr positive Geschichte. Baut man sie – nur um ein Beispiel zu geben -in den Rahmen einer Serientäter/Kinderschänder/Machtergreifungs- oder einer Drogenmissbrauchs-Story (oder eben eine Geschichte um all das, was man begehrt, aber nicht haben darf) ein, wird sie ein regelrechter Thriller – und zwar einer, bei dem jeder einzelne Leser sich in die Rolle des „Missetäters“ versetzen kann, denn wer unter uns hat noch nie nach einem besonders verlockenden Törtchen greifen wollen, noch nie etwas begehrt und haben/nehmen wollen, von dem er genau wusste, dass es nicht gut für ihn/andere war und ziemlich böse enden konnte?

Wie gesagt: Eine sehr spannende Geschichte und auch ich würde sie kaufen.

Liebe Grüße

Sabine

 Lala meinte dazu am 12.01.18:
Hallo Sabine,

Diese zwei Festellungen:

„Mich beruhigt vor allem, dass die Tütengesichter anscheinend ausschließlich in der Bäckerei auftauchen, es gibt also andernorts noch "Außensicht"; so ganz und gar muss der Protagonist also nicht abgeschottet sein. Ich glaube auch nicht, dass da nur Hassgesichter vertütet werden, denn die alte Dame, die den Laden betrat, wurde ja als freundlich beschrieben.“

„Ich hadere noch mit mir, ob ich sie als "traurig" betrachten soll oder ob die Papiertütengesichter nicht eher eine Erlösung sind, eine Befreiung von den Zwängen, sich nach der Stimmung und Meinung der anderen richten zu müssen“

sind faszinierend für mich.

Als ich diesen Text ausarbeitete, wollte ich unbedingt einen Mehrteiler bauen. Eine tieftraurige Geschichte. Mit dem für mich zusätzlichen, erzählerischen Mörderstunt immer offen zu lassen, ob der Prot Männlein oder Weiblein ist. Andererseits war mir die Szene mit der Bäckerei mal eigefallen, zugeflogen und die hatte ich als Erstes aufgeschrieben. Ganz roh. Die Tütengesichter beim Rumkugeln kaufen in der Bäckerei Hagedorn.

Dann aber meinte ich, daraus mehr machen zu müssen. Das wollte ich unbedingt ausspinnen. Die Szene bei Hagedorn sollte den Auftakt bilden, die Initialzündung dafür sein, dass der Ich-Erzähler immer mehr Tütengesichter sieht.
Am Ende der Schulzeit sollte es in der Welt für ihn nur noch Tütengesichter geben. Und dann passiert es: Unser Prot begegnet einem Tütengesicht, welches er akustisch immer besser versteht. Er oder sie hört, filtert nicht mehr nur die wichtigsten Infos heraus (also direkte Anweisungen, Ansagen wie 80 Cent , sondern beginnt diese(n) Andere(n) zu hören (also auch das Geraspel :) )
Und nun ist klar, was kommen muss: die Liebe. Die Sehnsucht. Das Tortenstück zu kaufen. Aber leider kann sie oder er nur ein Tütengesicht mit TippEx Augen sehen, so sehr sie es auch anders will. Zumal die Lippen schmecken. Was ein Pech: Die Möglichkeit stark zu sein, sich behaupten zu können, überleben zu können, dreht sich ins Gegenteil .Eines Nachts entschließt sich unser Ich während der Du schläft - endlich seine erste und einzige Liebe ein und für allemal die Tüte vom Gesicht zu entfernen. Keine gute Idee. Das wollte ich aus der ersten Szene zimmern. Aber das ist vielleicht eher was für begabtere Thriller oder Horror Autoren und jetzt bin ich heilfroh, dass ich das nicht weiter versucht habe. Aber bin extrem begeistert, dass Du (und Lotta) diese Verweise und Merkwürdigkeiten im Text entdeckt habt. Du hast ja quasi meinen Plot schon geahnt, den ich mir zu dieser Szene dazu gesponnen habe. Mittlerweile denke ich, dass – selbst wenn ich es hingebracht hätte- die Szene ohne meinen Rest sehr viel besser ist, weil sie mehr zulässt und nicht alles erklären will und auch nicht durch diese „Erklärung“ beschädigt wird. Lange habe ich gedacht, das ginge nur mit dem Rest und wollte keine halben Sachen mehr einstellen. Mittlerweile denke ich: die Rumkugel hat es schon immer besser gewusst. Also nochmal lieben Dank für Dein Feedback.

 Isaban meinte dazu am 12.01.18:
Aber sortier das hier vielleicht doch noch mal:

Meine Spielchen, als da wären alle Rumkugeln zu nehmen oder mit der Auswahl der Kugeln – die ja, die nein … oder doch andersrum? – diese Spielchen unterließ ich und genoss, dass ich schauen und am Ende meines Schauens mich für meine Rumkugel entscheiden konnte - und sie kommentarlos bekam.

LG Sabine

 Lala meinte dazu am 12.01.18:
Warum?

 Isaban meinte dazu am 12.01.18:
Drei Bindestriche, dazu noch Auslassungspünktchen und ein Fragezeichen mitten im Satz zusätzlich zu den normalen Kommata und dem Schlusspunkt - das ist mir ganz einfach zuviel.

Die erste Satzhälfte könnte man z.B. etwas verdichten.
Nur um als Beispiel zu dienen:

Meine mutwilligen Rumkugelaussortierspielchen unterließ ich zukünftig und genoss, dass ich in Ruhe schauen und mich am Ende meines Schauens für meine Rumkugel entscheiden konnte - und sie kommentarlos bekam.
fdöobsah (54) meinte dazu am 18.01.18:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Lala meinte dazu am 19.01.18:
... und ich habe ja auch den ein oder anderen Rat umgesetzt. Nochmals Danke.
matwildast (37)
(27.02.18)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram