Reise zu den Toten

Kurzgeschichte zum Thema Abschied

von  Hartmut

Es war der Anruf eines Kollegen mit dem er über 10 Jahre nicht mehr gesprochen hatte: „Anna hat einen Schlaganfall bekommen, es geht ihr nicht gut, besuche sie einmal und zeige ihr ein paar der alten Fotos aus unserer gemeinsamen Zeit.“
Er versprach es und legte nachdenklich den Hörer weg.  Sie, warum sie? Sie war die einzige Frau an der Technikerschule und viel jünger! Nein, keine Kollegin aus Leidenschaft,  Freundlichkeit und Empathie lernt man nicht auf der Uni. Sie war einfach eine Lehrerin, an die man sich als Schüler später gerne erinnert!
Die Pflegerin begrüßt ihn in ihrem Dienstzimmer und begleitet ihn. .Sie sitzt im Rollstuhl neben ihrem Bett.  Freundlich kündigt sie den Besuch an, dann streicht sie über ihre Haare, nimmt ein Tuch und säubert den Mund und das Kinn. Dann geht sie wieder.
Er schaut auf ihre weit geöffneten Augen, nennt  noch einmal seinen Namen, erzählt von früher: „Weißt Du noch…? Vergeblich, Stille, sie will etwas sagen und verschluckt sich. Nein, sie erkennt ihn nicht wieder, oder doch? Aber auch er nicht. Eine Katastrophe ist  über ihr Gesicht hereingebrochen, sie kann nicht mehr sprechen. Er gibt ihr vorsichtig die Bilder, sie schaut sie mit zittrigen Händen an, dann verschluckt sie sich wieder, Tränen rollen.
Die Pflegerin kommt mit  Kuchen, überreichte auch ihm ein Stück,  „ füttert“ sie . Dann sind  sie wieder allein. Er lächelt, erzählt wieder von Gestern, Stille!
Die Pflegerin kommt noch einmal um abzuräumen und verabschiedet sich.
Auch er möchte  gehen. Unaufrichtig verspricht er wiederzukommen und flieht - wie manche Helden vor ihm.

Die Toten hassen uns, und wir hassen die Toten. (John Updike)

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(29.07.18)
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 LotharAtzert meinte dazu am 29.07.18:
… weil du die Toten so gut kennst?
Mir dient zur Veranschaulichung eher der Begriff "Technikerschule".
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