METROpole

Prosagedicht zum Thema Alltag

von  Moja

Zwischen Kreuzberg und Neukölln stieg sie ein,
der Mantel flog auf, ihre Knie leckten am Kleidersaum.
Der Zug donnerte durch den Tunnel.
Sie parkte ihr Handy am vorlauten Mund.
  Liebe? – schrie sie hinein, komm mir nicht damit!
Fest presste sie ihre Schenkel übereinander – und zog keinen Blick
auf sich. Ihr Lachen trudelte wie eine Flasche durch den Waggon,
schlingerte um Frauen, schlug heftig an Männer.
  Ich bin Workaholic, du hältst mich ab, und sowieso, ich verstehe dich nicht,
stießen ihre maskierten Lippen ins Mikro.
Der Zug fuhr weiter. Männer stierten zu Boden.
    Liebe? Damit kann ich nichts anfangen. Ich treibe Sport,
keine Zeit, und du bist fünfzig!
Schnell nahm der Zug eine Kurve. Frauen hielten Bücher fest.
    Steh ja nicht vor meiner Tür, rein kommst du nicht!
    Liebe? Spinnst du, wovon redest du?
Flecken blätterten ihre Schminke auf.
Der Zug fuhr in den Bahnhof ein.
      Such dir ein Hobby oder einen Therapeuten!
Die Türen sprangen auf.
    Na gut, auf einen Kaffee, lenkte sie ein.

Weg war sie.
Alle lächelten einander an
                                              – aus Liebe?

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Kommentare zu diesem Text


 DanceWith1Life (24.06.19)
packend mit guter Schlußfrage. RIP Roger Moore, for your eyes only.

 Moja meinte dazu am 25.06.19:
Top secret, versteht sich! Dank und Gruß, Moja

 AchterZwerg (24.06.19)
Gefällt mir ausgezeichnet. Von der formal eher schlichten Machart her, ebenso wie von seiner doppeldeutigen Bebilderung.
Hier passt alles zusammen: Neukölln, die abblätternde Schminke und die Liebe - trotz allem.
Wäre es nicht so heiß, führe ich sofort los!

Liebe Grüße
der8.

Kommentar geändert am 24.06.2019 um 17:08 Uhr

 Moja antwortete darauf am 25.06.19:
Im Polar-Express als Eiszwerg, oder?

Das Samurai-Schwert der Dame verschwieg ich geflissentlich, hätte mir ja doch keiner geglaubt.
Schwarzer Mantel, rotes Minikleid, knallroter Lippenstift, bleiche Knie, sowie diverse adjektivische Ausschmückungen unterließ ich, Deinem guten Rat folgend, ebenso.
Irgendwie warst Du also mit von der Partie -
Dank an Dich, der 8. Beraterin!

Frisch gekühlte Grüße, Moja

 GastIltis (24.06.19)
Mit der Schorfheide-Bahn von der Wald- in die Bäderstadt: Seit Fahrplanwechsel am 9.12.2018 fährt die RB63 von Eberswalde über Joachimsthal bis Templin Stadt. Damit besteht zum ersten Mal seit 12 Jahren wieder eine durchgehende Zugverbindung von Eberswalde nach Templin Stadt und zurück. Von Eberswalde Hbf aus ist Templin Stadt nun ohne Umstieg in rund einer Stunde zu erreichen. Vor dem Haltepunkt Ahrensdorf steht an der Straße folgendes Schild: „Zug fährt wieder.“
Wahrscheinlich, um Raser zur Vorsicht zu mahnen. Der Haltepunkt ist ein Bedarfshalt. Am Freitag gegen 19 Uhr, hielt der Zug, zwei Reisende versuchten durch Drücken der entsprechenden Knöpfe eine Tür zu öffnen. Der Zugführer und der Schaffner unterhielten sich währenddessen sehr angeregt. Dann furen sie weiter. Die beiden aussteigewilligen Reisenden durften bis in die Bäderstadt mitfahren. Ein Ausstieg unterwegs (Anklopfen am Führerstand war sinnlos) wurde verwehrt, ebenso eine Entschuldigung. Das erinnert ein wenig an ungeplante Durchfahrten von ICE in Wolfsburg, man kann dies in Kolumnen von Axel Hacke nachlesen.
Die Reisenden waren übrigens unsere Tochter und Enkelin und nicht das erste Mal auf dieser Strecke unterwegs.
LG von Gil.

Kommentar geändert am 24.06.2019 um 17:26 Uhr

 Moja schrieb daraufhin am 25.06.19:
Wir fahren bis ans Ende, klingt mir in den Ohren, lieber Gil! Aber wo wird das sein? Eine Geschichte wie ein Geschenk, sehr gerne gelesen, schicke Grüße auf die Fahrt, ohne Halt oder Umweg! Moja
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