Vater Mutter Kind (oder: Mülljö)
Lied zum Thema Erbe/ Testament
von Isaban
Kommentare zu diesem Text
Hallo Isaban, Dichtung muss schockierende Wahrheiten aussprechen. Das geschieht hier mit der scheinbar für Idyllen vorgesehenen Volksliedstrophe und der geistreichen Überschrift knallhart.
Ich weiß nicht, inwieweit Kinder, die im Mülljö aufwachsen, sich um ihre Zukunft Gedanken machen. Neuköllns ehemaliger Bürgermeister Buschkowski berichtete, einer habe ihm auf seine Vorhaltung, er müsse für die Zukunft lernen, geantwortet, das sei überflüssig, er werde sowieso Harzer wie sein Vater.
Liebe Grüße
Ekki
Ich weiß nicht, inwieweit Kinder, die im Mülljö aufwachsen, sich um ihre Zukunft Gedanken machen. Neuköllns ehemaliger Bürgermeister Buschkowski berichtete, einer habe ihm auf seine Vorhaltung, er müsse für die Zukunft lernen, geantwortet, das sei überflüssig, er werde sowieso Harzer wie sein Vater.
Liebe Grüße
Ekki
Hallo Ekki,
vielen Dank für deine Rückmeldung!
In vielen Kinderliedern wird Schreckliches thematisiert, denk nur mal an "Maikäfer flieg" u.Ä. Wir hören diese Lieder als Kind und folgen der munteren Melodie und denken nicht viel über den Inhalt nach und wenn wir erwachsen sind, vergessen wir ganz und gar, wovon da in dem Lied, dessen Text wir von klein auf kennen, eigentlich die Rede ist, wir summen unseren Kindern zum Einschlafen das gleiche Lied vor, dass auch schon unsere Mutter für uns summte..
Natürlich gibt es Alkohol- und Tablettenmissbrauch in jeder Schicht, aber es ist ganz klar, dass Probleme dieser Art in der Ober- und Mittelschicht nicht bedeuten müssen, dass die Kinder, die durch ihre Eltern mit der entsprechenden Problematik in Berührung kommen, diese als naturgegeben ansehen. Da gibt es noch Hilfe und Rettungsanker, da gibt es eventuell Hausangestellte oder gutbürgerliche Verwandtschaft, da gibt es gute Schulen mit engagierten Lehrern und Sozialpädagogen, die auf- und abfangen können.
Wird man wie zum Beispiel in Kitzingen-Siedlung in einen altbekannten sozialen Brennpunkt hineingeboren, hat man kaum Chancen, sich jemals wieder von dort weg arbeiten zu können.
Menschen mit solch "unpassenden" Adressen bekommen keine Arbeit, bekommen nirgendwo sonst eine Wohnung, besuchen keine hervorragenden Schulen, werden weder durch Ämter noch durch sonstige Retter aufgefangen, haben meist nicht einmal ein eigenes Badezimmer, nur einen Kaltwasserhahn in der minimalistisch eingerichteten und meist nicht einmal abschließbaren Wohnung und ein Klo auf dem Flur, dass sie sich mit der ganzen Etage teilen und wo sie bei jedem Klogang aufpassen müssen, dass ihnen keiner von den anderen, die dort wohnen das mitgebrachte Klopapier entreißt.
Zum Duschen darf man sich zweimal die Woche mit allen anderen aus dieser Umgebung in einem Jugendtreff anstellen, mindestens 2 Stunden Wartezeit für vielleicht 2 Minuten Duschen - schließlich stehen dort alle an, die kein eigenes Bad haben. Früher konnten sie im Hallenbad duschen, aber das ist vorbei, das wurde privatisiert und der Eintritt ist seitdem so teuer, dass Menschen, die von Hartz VI leben es sich nicht mehrmals im Monat leisten können.
Für Mädchen ist die einzige Möglichkeit eine Heirat oder zumindest ein Wegzug zu jemandem, der es besser getroffen hat, denn gute Schulabschlüsse sind eher rar gesät in solchen "Siedlungen", die Kinder wachsen aus eltern- und badezimmertechnischen Gründen unter hygienischen Bedingungen auf, die selbst beim Tierschutz mehr Aufmerksamkeit erregen würden.
Sie müffeln deshalb und sind in der Schule aus diesem Grunde nicht unbedingt beliebt, weder bei den besser behüteten Kameraden, noch bei den Lehrern. Und wer würde nicht gern ein Messer mit zur Schule nehmen, wo alle, aber auch wirklich alle auf einen heruntergucken, ätzende Witze machen oder versuchen, dich fertigzumachen?
Die Eltern tauchen nie bei Elternabenden auf, niemand zahlt diesen Kindern die Schulbücher und Hefte, die sie sich besorgen sollten, niemand weckt sie morgens, damit sie pünktlich in der Schule sind, niemand schmiert ihnen ein Pausenbrot, niemand hilft ihnen bei den Hausaufgaben oder sorgt dafür, dass bei Bedarf Nachhilfe anläuft, niemand glaubt, dass sie es jemals dort raus schaffen.
Die Jugendlichen bekommen keine Ausbildungsplätze, werden von Arbeitsamt und Jobcenter von einer schulischen Verwahrmaßnahme zur nächsten geschickt, bis sie schließlich 18 sind und aus der Statistik der arbeitslosen Jugendlichen herausfallen, um ohne große Umstände in die Statistik der Langzeitarbeitslosen überzugehen, genau wie ihre Eltern und vielleicht sogar schon ihre Großeltern.
Es gibt dort Familien, die aus einer nahtlosen Kette von Frauen besteht, die mit spätestens 16 das erste Kind bekamen, die Schule abbrachen, von der Stütze lebten, keine Ausbildung absolvierten und deren Töchter mit spätestens 16 dieser Tradition ebenso folgten, wie auch die entsprechenden Enkeltöchter. Das klingt sehr nach Klischee, ich weiß. Das Traurige ist aber, dass es gelebte Realität ist.
Die Kinder müssen das Erbe ihrer Eltern tragen. Für manche bedeutet das Sicherheit und Wohlstand, für andere bedeutet es, dass sie von Geburt an unter keinem guten Stern stehen und dass auch sie an ihre Kinder nicht viel von dem weitergeben können, was ihre Position verbessern könnte.
Wer von klein auf nur Armut, Dreck, Alkohol, Drogen, Gewalt, Sex als Zahlungsmittel und Fahrkarte nach "draußen" und Kriminalität als Lösung für alle Lebensfragen vorgelebt bekommt, schafft es nur in den seltensten Fällen, seinen Kindern andere Lösungswege für ihre Probleme zu vermitteln - eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt.
Liebe Grüße
Sabine
vielen Dank für deine Rückmeldung!
In vielen Kinderliedern wird Schreckliches thematisiert, denk nur mal an "Maikäfer flieg" u.Ä. Wir hören diese Lieder als Kind und folgen der munteren Melodie und denken nicht viel über den Inhalt nach und wenn wir erwachsen sind, vergessen wir ganz und gar, wovon da in dem Lied, dessen Text wir von klein auf kennen, eigentlich die Rede ist, wir summen unseren Kindern zum Einschlafen das gleiche Lied vor, dass auch schon unsere Mutter für uns summte..
Natürlich gibt es Alkohol- und Tablettenmissbrauch in jeder Schicht, aber es ist ganz klar, dass Probleme dieser Art in der Ober- und Mittelschicht nicht bedeuten müssen, dass die Kinder, die durch ihre Eltern mit der entsprechenden Problematik in Berührung kommen, diese als naturgegeben ansehen. Da gibt es noch Hilfe und Rettungsanker, da gibt es eventuell Hausangestellte oder gutbürgerliche Verwandtschaft, da gibt es gute Schulen mit engagierten Lehrern und Sozialpädagogen, die auf- und abfangen können.
Wird man wie zum Beispiel in Kitzingen-Siedlung in einen altbekannten sozialen Brennpunkt hineingeboren, hat man kaum Chancen, sich jemals wieder von dort weg arbeiten zu können.
Menschen mit solch "unpassenden" Adressen bekommen keine Arbeit, bekommen nirgendwo sonst eine Wohnung, besuchen keine hervorragenden Schulen, werden weder durch Ämter noch durch sonstige Retter aufgefangen, haben meist nicht einmal ein eigenes Badezimmer, nur einen Kaltwasserhahn in der minimalistisch eingerichteten und meist nicht einmal abschließbaren Wohnung und ein Klo auf dem Flur, dass sie sich mit der ganzen Etage teilen und wo sie bei jedem Klogang aufpassen müssen, dass ihnen keiner von den anderen, die dort wohnen das mitgebrachte Klopapier entreißt.
Zum Duschen darf man sich zweimal die Woche mit allen anderen aus dieser Umgebung in einem Jugendtreff anstellen, mindestens 2 Stunden Wartezeit für vielleicht 2 Minuten Duschen - schließlich stehen dort alle an, die kein eigenes Bad haben. Früher konnten sie im Hallenbad duschen, aber das ist vorbei, das wurde privatisiert und der Eintritt ist seitdem so teuer, dass Menschen, die von Hartz VI leben es sich nicht mehrmals im Monat leisten können.
Für Mädchen ist die einzige Möglichkeit eine Heirat oder zumindest ein Wegzug zu jemandem, der es besser getroffen hat, denn gute Schulabschlüsse sind eher rar gesät in solchen "Siedlungen", die Kinder wachsen aus eltern- und badezimmertechnischen Gründen unter hygienischen Bedingungen auf, die selbst beim Tierschutz mehr Aufmerksamkeit erregen würden.
Sie müffeln deshalb und sind in der Schule aus diesem Grunde nicht unbedingt beliebt, weder bei den besser behüteten Kameraden, noch bei den Lehrern. Und wer würde nicht gern ein Messer mit zur Schule nehmen, wo alle, aber auch wirklich alle auf einen heruntergucken, ätzende Witze machen oder versuchen, dich fertigzumachen?
Die Eltern tauchen nie bei Elternabenden auf, niemand zahlt diesen Kindern die Schulbücher und Hefte, die sie sich besorgen sollten, niemand weckt sie morgens, damit sie pünktlich in der Schule sind, niemand schmiert ihnen ein Pausenbrot, niemand hilft ihnen bei den Hausaufgaben oder sorgt dafür, dass bei Bedarf Nachhilfe anläuft, niemand glaubt, dass sie es jemals dort raus schaffen.
Die Jugendlichen bekommen keine Ausbildungsplätze, werden von Arbeitsamt und Jobcenter von einer schulischen Verwahrmaßnahme zur nächsten geschickt, bis sie schließlich 18 sind und aus der Statistik der arbeitslosen Jugendlichen herausfallen, um ohne große Umstände in die Statistik der Langzeitarbeitslosen überzugehen, genau wie ihre Eltern und vielleicht sogar schon ihre Großeltern.
Es gibt dort Familien, die aus einer nahtlosen Kette von Frauen besteht, die mit spätestens 16 das erste Kind bekamen, die Schule abbrachen, von der Stütze lebten, keine Ausbildung absolvierten und deren Töchter mit spätestens 16 dieser Tradition ebenso folgten, wie auch die entsprechenden Enkeltöchter. Das klingt sehr nach Klischee, ich weiß. Das Traurige ist aber, dass es gelebte Realität ist.
Die Kinder müssen das Erbe ihrer Eltern tragen. Für manche bedeutet das Sicherheit und Wohlstand, für andere bedeutet es, dass sie von Geburt an unter keinem guten Stern stehen und dass auch sie an ihre Kinder nicht viel von dem weitergeben können, was ihre Position verbessern könnte.
Wer von klein auf nur Armut, Dreck, Alkohol, Drogen, Gewalt, Sex als Zahlungsmittel und Fahrkarte nach "draußen" und Kriminalität als Lösung für alle Lebensfragen vorgelebt bekommt, schafft es nur in den seltensten Fällen, seinen Kindern andere Lösungswege für ihre Probleme zu vermitteln - eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt.
Liebe Grüße
Sabine
Liebe Sabine,
ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass die Zukunft der Kinder aus dem Mülljö so verbaut ist, wie du sie beschrieben hast. Es tut mir leid, dass ich das nicht deutlicher ausgedrückt habe.
Liebe Grüße
Ekki
ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass die Zukunft der Kinder aus dem Mülljö so verbaut ist, wie du sie beschrieben hast. Es tut mir leid, dass ich das nicht deutlicher ausgedrückt habe.
Liebe Grüße
Ekki
Oh Isaban,
das ist aber echt garstig!
Wir wollen doch nett zu einander sein
LG TT
das ist aber echt garstig!
Wir wollen doch nett zu einander sein
LG TT
Würde alles so laufen, wie wir es wollen, lieber Tasso, bräuchte sich niemand mehr Gedanken darüber machen, wie man ein Erbe wie das dort oben geschilderte ausschlagen kann - man würde einfach alles anders machen wollen als seine Eltern und Großeltern und schwupps, wäre das Problem gelöst.
Herzlichen Dank für deine nette Rückmeldung.
LG I
Herzlichen Dank für deine nette Rückmeldung.
LG I
Cora (29)
(11.08.19)
(11.08.19)
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Das kommt vermutlich auf die Größe der Stadt an und darauf, wo der Heimweg entlang führt, liebe Cora.
In meiner Heimatstadt liegt Freud und Leid schön nah beieinander und ihre Kinder besichen manchmal sogar dieselbe Schule oder zumindest eine der drei weiterführenden Schulen, die ebenfalls recht eng beieinander zu finden sind.
Vielleicht kommt es auch ein wenig auf die Definition von "Bonzensöhnchen" an. Manche sehen hinter dieser Bezeichnung gleich ein elterliches Millionenvermögen, manche haben ein gutbürgerliches Eigenheim, Gut- oder Doppelverdiener, funktionierende Familie m. Neuwagen, schicker Markenkleidung, Angeberfahrrad und Tennisstunden u.s.w. vor dem inneren Auge, wenn sie an Bonzenkinder denken.
In meiner Heimatstadt liegt Freud und Leid schön nah beieinander und ihre Kinder besichen manchmal sogar dieselbe Schule oder zumindest eine der drei weiterführenden Schulen, die ebenfalls recht eng beieinander zu finden sind.
Vielleicht kommt es auch ein wenig auf die Definition von "Bonzensöhnchen" an. Manche sehen hinter dieser Bezeichnung gleich ein elterliches Millionenvermögen, manche haben ein gutbürgerliches Eigenheim, Gut- oder Doppelverdiener, funktionierende Familie m. Neuwagen, schicker Markenkleidung, Angeberfahrrad und Tennisstunden u.s.w. vor dem inneren Auge, wenn sie an Bonzenkinder denken.
Wohlstand kann Zustände bemänteln, die sich andernorts katastrophal auswirken. Ich fürchte, dass auch der eine oder andere "Bonzenhaushalt" Valium führt oder Stärkeres, dem Alk frönt oder unerwünschte Schwangerschaften hervorbringt. Hauslehrer und bezahlte Reinigungskräfte allerdings richten da das eine oder andere. Andererseits gibt's relativ "bürgerliche" Arb.losenhaushalte, wo man sich nicht so gehen lässt. Dass wir uns da auf keiner Seite in Vorurteile verstricken. Lieben Gruß Gina
Kommentar geändert am 11.08.2019 um 13:32 Uhr
Liebe Gina,
ich bin ganz sicher, dass es jedes einzelne der oben angeprangerten Probleme auch in begüterten Haushalten zu finden sind, aber dort gibt es vielleicht noch das andere funktionierende Elternteil, dort ist vielleicht die Hürde "Jugendamt" nicht so hoch, dort gibt es vielleicht Verwandte oder Freunde, die weiterhelfen können, dort stehen noch jede Menge Rettungswege offen.
Aus sozialen Brennpunkten gibt es definitiv sehr viel weniger Fluchtwege, dort ist "Jugendamt" eine Drohung, dort ist die Polizei nicht dein Freund und Helfer sondern tägliche Unannehmlichkeit, dort sind die Lehrer an den Hauptschulen (und in andere Schulformen schaffen es die Kinder aus den Brennpunkten eher selten) so ausgebrannt, dauergestresst und all ihrer Ideale und Illusionen beraubt, dass sie kaum noch Hilfe sind, die Schulen eher zur Verwahranstalt verkommt, zu viele (meist notenschwache) Schüler, extrem hoher Anteil von Schülern, die einer besonderen Förderung bedürfen, weil Deutsch nicht ihre Muttersprache ist, zu wenig Lehrkräfte, kaum Sozialpädagogen, kaum Chancen, von der Schule aus direkt ins Berufsleben zu treten etc.
Es hat wenig mit Vorurteilen zu tun, wenn man hautnah mitbekommt, wie viele Mädchen weit unter 18 in bestimmten Schulen schwanger werden, wenn man sieht, wie viele nach Schulabschluss noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, wie viele dennoch nach der 8. oder 9. Klasse abgehen, weil sie den vorgegebenen und von den Lehrern anweisungsgemäß durchgepeitschten Stoff einfach nicht bewältigen können, wie wenige es schaffen, in die M-Klassen der Mittelschulen zu kommen, auf diesem Wege die mittlere Reife zu machen, um so ihre Aussicht auf einen Ausbildungsplatz zu verbessern, wie viele Kids Ritalin schmeißen und schon mit 12 saufen, kiffen, auf Kraut oder Chrystal und bestens polizeibekannt sind, wie viele Mädchen sich kleiden und geben, als wäre es immer Sommer, als wären High Heels etwas gegen Hüftleiden und sie selbst mindestens 10 Jahre älter als sie sind und als würde ihr Gesicht ohne die festigende Schminkschicht in Einzelteile zerfallen und wie viele der Kinder sich immer wieder die Flasche geben, bis sie komatös im Krankenhaus eingeliefert werden müssen.
Klar, all das kommt auch mal in wohlhabenden Familien vor. Dort sind sie aber die Ausnahme und nicht die Regel. Wie viele Kinder von wohlhabenden Familien gehen auf die Hauptschule? Wie viele wohlhabende Jugendliche finden keinerlei Ausbildungsplatz, nicht mal den Notplatz in Papas oder Onkel Franzens Firma? Wie viele Mädchen aus reichem Elternhaus legt es darauf an, so schnell wie möglich schwanger zu werden, um von dort wegzukommen? Wem schreien gestresste Lehrer wutentbrannt entgegen, dass er dumm sei, passiert das auch auf dem Gymnasium, trauen sie sich das bei Kindern engagierter Mittelstandseltern oder gar bei reichen Kindern, von denen sie wissen, dass deren Eltern oder sogar ihr Rechtsanwalt gleich am nächsten Tag auf der Matte stehen?
Nein, wir wollen keine Vorurteile schüren. Wir wollen aber auch die Augen nicht vor Missständen verschließen, die man kaum schönreden oder auf den gesamten Bevölkerungsdurchschnitt verteilen kann.
Liebe Grüße,
Sabine
ich bin ganz sicher, dass es jedes einzelne der oben angeprangerten Probleme auch in begüterten Haushalten zu finden sind, aber dort gibt es vielleicht noch das andere funktionierende Elternteil, dort ist vielleicht die Hürde "Jugendamt" nicht so hoch, dort gibt es vielleicht Verwandte oder Freunde, die weiterhelfen können, dort stehen noch jede Menge Rettungswege offen.
Aus sozialen Brennpunkten gibt es definitiv sehr viel weniger Fluchtwege, dort ist "Jugendamt" eine Drohung, dort ist die Polizei nicht dein Freund und Helfer sondern tägliche Unannehmlichkeit, dort sind die Lehrer an den Hauptschulen (und in andere Schulformen schaffen es die Kinder aus den Brennpunkten eher selten) so ausgebrannt, dauergestresst und all ihrer Ideale und Illusionen beraubt, dass sie kaum noch Hilfe sind, die Schulen eher zur Verwahranstalt verkommt, zu viele (meist notenschwache) Schüler, extrem hoher Anteil von Schülern, die einer besonderen Förderung bedürfen, weil Deutsch nicht ihre Muttersprache ist, zu wenig Lehrkräfte, kaum Sozialpädagogen, kaum Chancen, von der Schule aus direkt ins Berufsleben zu treten etc.
Es hat wenig mit Vorurteilen zu tun, wenn man hautnah mitbekommt, wie viele Mädchen weit unter 18 in bestimmten Schulen schwanger werden, wenn man sieht, wie viele nach Schulabschluss noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, wie viele dennoch nach der 8. oder 9. Klasse abgehen, weil sie den vorgegebenen und von den Lehrern anweisungsgemäß durchgepeitschten Stoff einfach nicht bewältigen können, wie wenige es schaffen, in die M-Klassen der Mittelschulen zu kommen, auf diesem Wege die mittlere Reife zu machen, um so ihre Aussicht auf einen Ausbildungsplatz zu verbessern, wie viele Kids Ritalin schmeißen und schon mit 12 saufen, kiffen, auf Kraut oder Chrystal und bestens polizeibekannt sind, wie viele Mädchen sich kleiden und geben, als wäre es immer Sommer, als wären High Heels etwas gegen Hüftleiden und sie selbst mindestens 10 Jahre älter als sie sind und als würde ihr Gesicht ohne die festigende Schminkschicht in Einzelteile zerfallen und wie viele der Kinder sich immer wieder die Flasche geben, bis sie komatös im Krankenhaus eingeliefert werden müssen.
Klar, all das kommt auch mal in wohlhabenden Familien vor. Dort sind sie aber die Ausnahme und nicht die Regel. Wie viele Kinder von wohlhabenden Familien gehen auf die Hauptschule? Wie viele wohlhabende Jugendliche finden keinerlei Ausbildungsplatz, nicht mal den Notplatz in Papas oder Onkel Franzens Firma? Wie viele Mädchen aus reichem Elternhaus legt es darauf an, so schnell wie möglich schwanger zu werden, um von dort wegzukommen? Wem schreien gestresste Lehrer wutentbrannt entgegen, dass er dumm sei, passiert das auch auf dem Gymnasium, trauen sie sich das bei Kindern engagierter Mittelstandseltern oder gar bei reichen Kindern, von denen sie wissen, dass deren Eltern oder sogar ihr Rechtsanwalt gleich am nächsten Tag auf der Matte stehen?
Nein, wir wollen keine Vorurteile schüren. Wir wollen aber auch die Augen nicht vor Missständen verschließen, die man kaum schönreden oder auf den gesamten Bevölkerungsdurchschnitt verteilen kann.
Liebe Grüße,
Sabine
Antwort geändert am 16.08.2019 um 17:22 Uhr
Herrlich!
Danke, du seltener Gast!
Wirklich toll wäre es, wenn ich auch erfahren dürfte, warum du den Text so herrlich findest. Man kann sich (und sein Schreiben) nur weiterentwickeln, wenn man Rückmeldungen darüber erhält, was richtig und was falsch läuft.
Liebe Grüße,
Isaban
Wirklich toll wäre es, wenn ich auch erfahren dürfte, warum du den Text so herrlich findest. Man kann sich (und sein Schreiben) nur weiterentwickeln, wenn man Rückmeldungen darüber erhält, was richtig und was falsch läuft.
Liebe Grüße,
Isaban
Nun ja, es ist völlig frei von jeglicher Moralinsäure, was für KV schon sehr, sehr ungewöhnlich ist. Die allermeisten KVler können sich diesem Thema nur mit dem hoch erhobenen Zeigefinger nähern. Das in "Mulljö" ("Vater Mutter Kind" gefällt mir allerdings besser) gezeichnete gesellschaftliche Sittenporträt des Prekariats ist treffend gezeichnet, derb und schnörkelos. Bestenfalls würde ich vermissen, dass dort alle früher oder später ganzkörpertätowiert sind. Aber einen Vollständigkeitsanspruch gibt es natürlich nicht.
Wenn Du dich weiterentwickeln willst, schreib' doch mal Prosa!
Wenn Du dich weiterentwickeln willst, schreib' doch mal Prosa!
Nicht dass ich mich nicht schon daran versucht hätte, lieber Dieter, aber bist du dir sicher, dass Prosa eine Weiterentwicklung der Lyrik ist?
Nein, das würde ich sicherlich nicht behaupten.
Es war als Anregung gedacht, wie DU dich weiterentwickeln könnest. Ich jedenfalls kann mich nicht erinnern, jemals einen Prosatext von Dir hier auf KV gelesen zu haben.
Immer nur dieses Gedichte-Einerlei....
Es war als Anregung gedacht, wie DU dich weiterentwickeln könnest. Ich jedenfalls kann mich nicht erinnern, jemals einen Prosatext von Dir hier auf KV gelesen zu haben.
Immer nur dieses Gedichte-Einerlei....
Hier sind ein paar zur Auswahl:
https://www.keinverlag.de/193158.text
https://www.keinverlag.de/316320.text
https://www.keinverlag.de/225617.text
https://www.keinverlag.de/287740.text
https://www.keinverlag.de/191700.text
https://www.keinverlag.de/225181.text
https://www.keinverlag.de/226340.text
https://www.keinverlag.de/139582.text
https://www.keinverlag.de/214447.text
https://www.keinverlag.de/195100.text
https://www.keinverlag.de/139730.text
https://www.keinverlag.de/143167.text
https://www.keinverlag.de/130390.text
https://www.keinverlag.de/342771.text
https://www.keinverlag.de/130140.text
https://www.keinverlag.de/197251.text
https://www.keinverlag.de/289891.text
https://www.keinverlag.de/235501.text
https://www.keinverlag.de/414041.text
https://www.keinverlag.de/193158.text
https://www.keinverlag.de/316320.text
https://www.keinverlag.de/225617.text
https://www.keinverlag.de/287740.text
https://www.keinverlag.de/191700.text
https://www.keinverlag.de/225181.text
https://www.keinverlag.de/226340.text
https://www.keinverlag.de/139582.text
https://www.keinverlag.de/214447.text
https://www.keinverlag.de/195100.text
https://www.keinverlag.de/139730.text
https://www.keinverlag.de/143167.text
https://www.keinverlag.de/130390.text
https://www.keinverlag.de/342771.text
https://www.keinverlag.de/130140.text
https://www.keinverlag.de/197251.text
https://www.keinverlag.de/289891.text
https://www.keinverlag.de/235501.text
https://www.keinverlag.de/414041.text
Hallo Isaban,
ich, als jemand, der "eigentlich" gerne zwischen Geschichten herumflutscht und nun hier gelandet ist, muss ich sagen, dass mir dein Lied gefallen hat.
(Gibt es keinen Refrain oder verwechsle ich da was mit Musik? )
Hat es einen Grund, warum die Josy einen Nachnamen hat, aber die anderen nicht?
Du wechselt ansonsten zwischen Personen und Orten (am Ende die Erkenntnis, die da gut reinpasst), da ist mir die "Strophe" mit "Ostern gab es ..." aufgefallen, als etwas, das nicht ins "System" passen mag. Verstehst du, was ich meine?
LG, Buchstabenkrieger
ich, als jemand, der "eigentlich" gerne zwischen Geschichten herumflutscht und nun hier gelandet ist, muss ich sagen, dass mir dein Lied gefallen hat.
(Gibt es keinen Refrain oder verwechsle ich da was mit Musik? )
Hat es einen Grund, warum die Josy einen Nachnamen hat, aber die anderen nicht?
Du wechselt ansonsten zwischen Personen und Orten (am Ende die Erkenntnis, die da gut reinpasst), da ist mir die "Strophe" mit "Ostern gab es ..." aufgefallen, als etwas, das nicht ins "System" passen mag. Verstehst du, was ich meine?
LG, Buchstabenkrieger
Hallo Buchstabenkrieger,
es freut mich ungemein, dass dir der Text gefällt.
Falls es bei diesem (Kinder-)Lied) sowas wie einen Refrain gäbe, wäre es wohl Strophe 2, die im Grunde eine (sehr, sehr böse) Metapher für die angesprochene Problematik ist.
Zu den Namen: Ich lebe wochentags in einer sehr kleinen Stadt in ländlicher Umgebung und am Wochenende in Thüringen, mein Herz schlägt also für West und Ost. Sowohl im Westen als auch im Osten besteht die gleiche Problematik: Es gibt soziale Brennpunkte, stadtbekannte Adressen, Straßen, aus denen diejenigen, die dort einmal mit Meldeadresse gelandet sind, nur sehr schwer wieder rauskommen.
Den Namen Dennis habe ich gewählt, weil er sowohl im Westen als auch im Osten zu den beliebtesten Namen gehörte und gerade unter Kindern in den Klassen 5-10 ungemein häufig ist. Jeder kennt irgendeinen Dennis. Bei den Mädchen bin ich auf die eher östlichen Ypsilons verfallen, weil ich festgestellt habe, dass sich gerade diese Roman- und TV-bekannten Verniedlichungen allergrößter Beliebtheit erfreuen konnten.
Josy, das zuletzt erwähnte Mädchen, bekam einen Nachnamen, weil ich eine Großaufnahme wollte, ein Zoom, eine nähere Betrachtung, einen Einzelfall - und den Übergang zu den Eltern schaffen wollte, zeigen wollte, wie aus den beschriebenen Eltern später Großeltern werden, aus den Kindern Eltern, was aus den Nachkömmlingen wird, die selbst irgendwann mehr oder weniger erwachsen sein und ebenfalls Kinder bekommen werden- ich wollte an einem Einzelfall zeigen, dass und wie die Geschichte sich fortsetzt.
Hansi kann einem jetzt schon leid tun - er ist erst drei und lebt bei seiner Oma, die ihn nie wollte, sich seiner schämt und ihn wegsperrt, seine Oma, die nicht mit ihm spricht, die ihm nicht einmal die Möglichkeit schenkt, sprechen zu erlnen, die Oma, die schon mit seiner Mutter nicht klarkam, die ihm ganz gewiss in keiner Beziehung weiterhelfen kann.
Und seine Mutter, die ihn mit 12 bekam, ist jetzt 15, wurde ihr Hilfe zuteil und konnte sie inzwischen etwas an ihrem Leben ändern? Nein. Sie kann höchstens versuchen zu verhindern, dass sie noch ein Kind mit gleichem Schicksal austrägt. Nicht etwa, dass sich an ihrem Lebensstil viel geändert hätte. Nein, sie ist immer noch minderjährig und wird immer noch ungewollt oder fehlgeplant schwanger, aber sie weiß inzwischen – etwas zu spät für Hansi - wie sie manche immer wiederkehrenden Probleme still und heimlich lösen kann. Ob Hansis Oma ihr den Tipp gegeben hat?
Hab vielen Dank für deine hinterfragende Rückmeldung.
LG, Isaban
es freut mich ungemein, dass dir der Text gefällt.
Falls es bei diesem (Kinder-)Lied) sowas wie einen Refrain gäbe, wäre es wohl Strophe 2, die im Grunde eine (sehr, sehr böse) Metapher für die angesprochene Problematik ist.
Zu den Namen: Ich lebe wochentags in einer sehr kleinen Stadt in ländlicher Umgebung und am Wochenende in Thüringen, mein Herz schlägt also für West und Ost. Sowohl im Westen als auch im Osten besteht die gleiche Problematik: Es gibt soziale Brennpunkte, stadtbekannte Adressen, Straßen, aus denen diejenigen, die dort einmal mit Meldeadresse gelandet sind, nur sehr schwer wieder rauskommen.
Den Namen Dennis habe ich gewählt, weil er sowohl im Westen als auch im Osten zu den beliebtesten Namen gehörte und gerade unter Kindern in den Klassen 5-10 ungemein häufig ist. Jeder kennt irgendeinen Dennis. Bei den Mädchen bin ich auf die eher östlichen Ypsilons verfallen, weil ich festgestellt habe, dass sich gerade diese Roman- und TV-bekannten Verniedlichungen allergrößter Beliebtheit erfreuen konnten.
Josy, das zuletzt erwähnte Mädchen, bekam einen Nachnamen, weil ich eine Großaufnahme wollte, ein Zoom, eine nähere Betrachtung, einen Einzelfall - und den Übergang zu den Eltern schaffen wollte, zeigen wollte, wie aus den beschriebenen Eltern später Großeltern werden, aus den Kindern Eltern, was aus den Nachkömmlingen wird, die selbst irgendwann mehr oder weniger erwachsen sein und ebenfalls Kinder bekommen werden- ich wollte an einem Einzelfall zeigen, dass und wie die Geschichte sich fortsetzt.
Hansi kann einem jetzt schon leid tun - er ist erst drei und lebt bei seiner Oma, die ihn nie wollte, sich seiner schämt und ihn wegsperrt, seine Oma, die nicht mit ihm spricht, die ihm nicht einmal die Möglichkeit schenkt, sprechen zu erlnen, die Oma, die schon mit seiner Mutter nicht klarkam, die ihm ganz gewiss in keiner Beziehung weiterhelfen kann.
Und seine Mutter, die ihn mit 12 bekam, ist jetzt 15, wurde ihr Hilfe zuteil und konnte sie inzwischen etwas an ihrem Leben ändern? Nein. Sie kann höchstens versuchen zu verhindern, dass sie noch ein Kind mit gleichem Schicksal austrägt. Nicht etwa, dass sich an ihrem Lebensstil viel geändert hätte. Nein, sie ist immer noch minderjährig und wird immer noch ungewollt oder fehlgeplant schwanger, aber sie weiß inzwischen – etwas zu spät für Hansi - wie sie manche immer wiederkehrenden Probleme still und heimlich lösen kann. Ob Hansis Oma ihr den Tipp gegeben hat?
Hab vielen Dank für deine hinterfragende Rückmeldung.
LG, Isaban
Hallo Isaban,
Ja, das ist sinnvoll. Sehr gut gelöst. Bin ja selbst ein Fan des Zooms bzw. vom Vertiefen aus der Vogelperspektive in den Einzelfall/in die Detailsicht.
LG, Buchstabenkrieger
Josy, das zuletzt erwähnte Mädchen, bekam einen Nachnamen, weil ich eine Großaufnahme wollte, ein Zoom, eine nähere Betrachtung, einen Einzelfall - und den Übergang zu den Eltern schaffen wollte,
Ja, das ist sinnvoll. Sehr gut gelöst. Bin ja selbst ein Fan des Zooms bzw. vom Vertiefen aus der Vogelperspektive in den Einzelfall/in die Detailsicht.
LG, Buchstabenkrieger