Der Geist in der Sestine

Sonett zum Thema Gemeinsamkeit

von  FrankReich

Es weiß der Mensch, er ist nur Mensch durch seinen Geist,
er glaubt schon längst nicht mehr an Zauberei und Geister,
die Lügen, die er einst vernahm, die waren dreist,
und ist sogar die Wahrheit manchmal etwas dreister,
so wird der Mensch doch dann erst wirklich Mensch zumeist,
wenn er sich selbst bezwingt, als eigner Herr und Meister.

Der Mensch ist selten nur sein eigner Herr und Meister,
zu gern wird er bestimmt durch manchen fremden Geist,
und oberflächlich denkt er ebenso zumeist,
er hofft genau so oft als Los auf gute Geister,
doch jene, die er ruft, die werden immer dreister,
und jene, die er braucht, die meiden ihn meist dreist.

Die Lüge und die Wahrheit mischen sich meist dreist,
deshalb ist längst kein Mensch dergleichen immer Meister,
die Menschen um ihn her, sie werden auch stets dreister,
und jeder dringt in ihn, er dringt in seinen Geist,
bis er sich sehnlichst wünscht, sie alle wären Geister,
und er wäre ihr Herr, doch das bleibt Traum zumeist.

Das Leben als ein Spiel, auch das bleibt Traum zumeist,
der Mensch frisst Menschen stets; es nimmt das Leben dreist
dem alles fort, der sich verlässt auf jene Geister,
die ihn bedrängen und sich brüsten als die Meister,
die seinen Freiraum stehlen, sowie seinen Geist,
sie üben Druck und Drall, sie werden immer dreister.

Die Menschen sind im Vorteil, die sich immer dreister,
in eine Rolle denken, die als Wert zumeist,
und sei sie noch so wertlos, sei sie noch so dreist,
das ganze Dasein fördert, und zugleich den Geist;
sie sind nicht ihrer, doch der andren Herr und Meister,
sie glauben nicht an Menschen oder deren Geister.

Es war einmal, und doch glaubt der Mensch da an Geister,
denn so sind sie präsent, sie werden immer dreister,
gebärden sich, als wären sie nun Herr und Meister,
als wiesen sie von Heute auf das Gestern meist,
in Leugnung allen Morgens und der Zukunft dreist,
sie nehmen jedem Menschen Wohlgefühl und Geist.

So fehlt dem Menschen Geist,
trotz jeder Menge Geister,
und dennoch ist er dreist,
er wird tagtäglich dreister,
jedoch erweist sich meist:
Er sucht nur seinen Meister.


Anmerkung von FrankReich:

Dreifaches Sonett oder Sestine mit aufgeklappter Coda.

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Kommentare zu diesem Text


 LottaManguetti (18.12.19)
Hi, Frank,

die Form der Sestine ist erfüllt (die aufgeklappte Coda- warum auch immer aufgeklappt- mal außen vorlassend). Ein Sonett kann ich nicht entdecken, sehe ich einmal von der Anzahl der Verse ab. Dazu fehlen These, Antithese etc.

Aber nun zur Sestine:
Es gibt ein paar Drehs, um eine solche "lesbar" zu machen. Wenn ich eine schreibe, versuche ich, jeder einzelnen Strophe einen eigenen Charakter zu geben, eine eigene Geschichte, die sich im Konvolut dann als durchgängige Erzählung darstellt. Somit umgehe ich die Langatmigkeit bzw. versuche es.
An deiner (den Versuch, eine zu verfassen, dir löblich an die Seite gestellt) fällt mir ebendiese Langatmigkeit auf. Mir fiel das Verständnis der einzelnen Sätze schwer, die sich oberflächlich betrachtet viel zu sehr gleichen, auch thematisch. Mir fehlt Bewegung, Geschehen, ein Andiehandnehmenundführen. Zusätzlich erschweren die Haufenreime ebendieses Verständnis. Ich fühle mich eingeklemmt zwischen Geistern und dreisten Meistern. Verstehst du, was ich sagen will?
Verbildlicht würde ich von einem Klumpen (Haufen) sprechen, der den Leser erdrückt, ihm keinen Platz zum Atmen lässt.
Insofern erkenne ich deine Sestine als Fleißarbeit an, weiß aber auch, wie viel Arbeit darin steckt, eine wirklich lesbare und vergnügliche zu verfassen.
Vielleicht helfen meine Hinweise etwas?

Lotta

 FrankReich meinte dazu am 18.12.19:
Hi Lotta,

danke für Deine Beurteilung. Meine Meinung bzgl. des Sonettes kennst Du ja, denn erstens sind auch These, Antithese und Synthese nicht mehr zwangsläufig dafür vorgeschrieben und zweitens betrachte ich das ganze klassische Gedöns á la Opitz als Kropf, denn was bringt es, wenn ich dieses Brimborium beachtet habe, mir aber ein Vers fehlt, es somit also wirklich kein Sonett darstellt (es gibt ein klassisches Beispiel dafür, das "Sonnet." von Franz Burmeister alias Sylvander aus dem Jahr 1664 in den Passionsandachten von Rist/Coler)?
Zur Sestine: Inhalte sind natürlich stets Geschmacks,- und Ansichtssache, selbst die Sestinen Rückerts erzählen nicht immer nur Geschichten, für meine erste finde ich obige inhaltlich passabel, meistens helfen halt nur Wiederholungen, damit eine Aussage kapiert wird, deshalb wollte ich somit auch ein Exempel statuieren, Experimente mit Form und Inhalt finde ich einfach grandios, und ja, für die Zukunft werden Deine Hinweise mir sicher helfen, obwohl ich persönlich eigentlich gar kein Freund von Sestinen bin, das wird wohl momentan noch am Geist darin liegen, über den ich offensichtlich noch nicht verfüge. :D

Ciao, Frank

P.S.: Haufenreimung? Haufenreimung!
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