Feines Schreiben à la carte

Kurzprosa zum Thema Schöpfung

von  eiskimo

Schreiben ist Handwerk. So ähnlich wie Kochen. Aus unterschiedlichsten Ingredienzien ein ... Erlebnis machen.Wollt ihr mal reinriechen? Willkommen in meiner literarischen Vorratskammer!
Als erstes zeige ich euch die Ablage meiner diversen Zutaten. Da warten Satzanfänge, rhetorische Fragen, Appelle, sogar ganze Schimpfkanonaden. Auch ein Riesen Repertoire Nichtssagendes. Oder hier, Sprechblasen und Klischees.  Die brauchen wir sozusagen als Sättigungsbeilage. Aber Vorsicht!  Nicht alles passt in die aktuelle Speisekarte. Vieles vergammelt. .
Seht ihr links das Regal? Ein Arsenal voller Satzfragmente.  Und die können alle weg:  Alles rhetorische Floskeln, verbrauchte Metaphern, aussortierte Modewörter. Die schmecken heute einfach nicht mehr, verbale Ladenhüter sozusagen. Schade eigentlich, aber wem sollten die dann noch was sagen?
Hier rechts die Kisten, da habe ich ein paar nette Assoziationsketten abgelegt, allerlei leckere Alliterationen, aber auch ein paar leicht zu schluckende Worthülsen. Die eignen sich gut für spontane Einfälle, z.B. bei KV. – jedenfalls reichen sie zum Aufpeppen kleinerer Texte.
Unten die Schubladen, die sind thematisch belegt. Sportvokabular, Jugendsprache, Werbesprüche – also eher was für moderne Gerichte mit künstlichen Geschmackstoffen. Leider muss ich die permanent aktualisieren, weil die sich im Nu verbrauchen. Da diese Fastfood-Sprache aber keinen Tiefgang hat, reichen mir auch hier die paar Schubladen – es ist ja alles so flach…
Weiter vorne,  seht ihr die altertümliche Anrichte? Da wird geformt, geknetet, zusammengefügt - eigentlich mein liebster Arbeitsplatz. Denn Texte sind ja letztlich etwas  sehr Sinnliches. Ihr kennt das: Jemand liest, und Bilder bauen sich auf, die Gedanken fließen, die Handlungsstränge winden sich in- und umeinander. Da muss einfach vom Geschmack her Klarheit herrschen, auch handwerklich!
Manchmal bin ich auch wortschöpferisch und wortgestaltend tätig.  Dann verschmelze ich Worte, baue Wortbrücken oder verquirle alles zu einem großen Wort-Smoothie. Sprachpuristen haben über meine Smoothies schon einmal die Nase gerümpft, aber gerade damit halte ich meinen Laden am Laufen. Ich liefere für Jubiläen, Geburtstage, Feste wie Weihnachten oder auch an Politiker.
Apropos Politiker: ich habe natürlich auch ein spezielles Jauchefass, dahinten in der rechten Ecke. Da wabert völkisches Kampfvokabular in einem Sud mit Höcke-Reden und  populistischen NS-Ergüssen. Es stinkt ein bisschen, aber so entlarvt sich das selbst. Und ich brauche kein Warnschild anzubringen.
Nach der Jauche die Juwelen. Schaut, was ich da als Abschluss zu bieten habe: Mein Schatzkästchen, den Tresor mit meinen  Schlüsselwörtern, mit wohl behüteten Geheimrezepten, den „magic words“ , die mir alle Türen öffnen.
Diese Edelsteine meiner bescheidenen Kunst, die verballere ich natürlich nicht im Alltag. Die bewahre ich respektvoll auf für besondere Kreationen à la carte. Die brauchen auch einen intimen Rahmen, vielleicht sogar  eine längere gemeinsame Geschichte.
Um an dem Geheimnis  teilzuhaben, müsstet ihr öfter wiederkommen, hier in diese kulinarische Sprach-Werkstatt. Und wir sind ja erst einmal im Vorratsraum geblieben – die Küche, wo daraus echte Delikatessen entstehen, und den Speiseraum, wo das Gesamtkunstwerk am Ende genossen werden kann, die habt ihr ja noch gar nicht gesehen.
Ihr müsst wiederkommen. Die Adresse heißt Chez Eiskimo.

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Kommentare zu diesem Text


 LottaManguetti (17.03.20)
Und zu welcher Art Koch zählst du dich?

Ah ja, ich vergaß:

Hier! Ein Beutel voller Klischees! Ich dachte, du kannst die gebrauchen. Ich sammle das Zeug nämlich (lachmichschief) ... immer auf, weil die ständig die Auffahrt zumüllen.

Was gibts heute bei dir zum Mittag/ wahlweise Abend? Ich hoffe, keine Klopapiertarte an Wiener Würstchen!

In diesem Sinne:
Tolle Idee, nur m.E. noch ein bisschen zu verwuselt. Aber das ließe sich glätten.

Lieben Gruß
Lotta

Kommentar geändert am 17.03.2020 um 08:38 Uhr

 eiskimo meinte dazu am 17.03.20:
Danke fürs Mitspielen. Den Beutel Klischees übernehme ich gerne. So etwas passt ja immer.
Tja, im Zuge der Pandemie ist meine Küche sehr geschrumpft. Italienisches geht gar nicht mehr, Österreich und Südtirol sind gestrichen, da bleibt nur Hausmannskost.....
Dafür hat uns die Politik ja wieder einiges zu knabbern gegeben.
Das sollten wir erst einmal verdauen.
In diesem Sinne
Eiskimo
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