Ungewesen

Sonett zum Thema Licht

von  FrankReich

Ein Paar lebte immer schon spärlich
und sinnlos so unter dem Strich,
ein Tag nach dem nächsten entwich,
ergraut und vor allem beschwerlich,

da war nichts, das schön, was begehrlich,
das Herz gab dem Herzen den Stich
und alles, was niemals verblich,
blieb Bleiche, und wurde gefährlich,

als dieses Gefühl sie beschlich,
der andere sei nun entbehrlich,
weil er schon den anderen glich,

denn Frau Lich und sicher auch Herr Lich
zwar liebten sich innig und ehrlich,
ein jeder jedoch stets nur sich.

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Kommentare zu diesem Text


 monalisa (30.08.20)
Sehr raffiniert, Ralf, wie du hier mit nur zwei Reimendungen ("-ehr/ähr/Herr-lich/" und "-ich") die Monotonie und Begrenztheit des Paares, das eigentlich kein Paar ist, weil jede/r nur selbstherrLICH um SICH selbst kreist, in ein Sonett packst, das zudem im Dreivierteltakt fast tänzelnd leicht daherkommt bei nur schwer verdaulichem Inhalt.

Wie direkt aus dem Leben gegriffen!

Liebe Grüße
mona

 FrankReich meinte dazu am 30.08.20:
Danke Mona, und auch aus der Monotonie der Reimendungen entsteht ein Gegensatz, weibliche Kadenzen wechseln sich mit männlichen ab, selbst die Vokale 'e/ä' und 'i' habe ich bis auf den letzten Vers durchgängig verwendet, als vokale Pointe sozusagen.
Auf 'Frau Lich' und 'Herr Lich' bin ich fast ein wenig stolz, denn ohne Bezug zum Adverb würden die beiden als Senkung und Hebung gesprochen werden müssen.
Was den Titel und das Thema betrifft, habe ich mir ebenfalls einen Gag erlaubt, der vll. auf diese Schreibweise besser zur Geltung kommt: "Lich/t".
Danke auch für Deine Empfehlung.
Ciao, Frank

 loslosch (30.08.20)
erst das gemecker:

weil er schon den übrigen glich - besser als "anderen", vor allem für den vortrag. vor den letzten absatz gehört ein semikolon.

vorschlag zur überschrift: "ährlich".

und dann ...

 FrankReich antwortete darauf am 30.08.20:
Danke loschi, besonders für das Gemecker, das erklärt, wie unterschiedlich sich die Rezeption von Texten gestaltet, denn Mona wies schon bzgl. der Reimelemente auf das Beschränkte in der Beziehung hin, dieses Profane spiegelt sich von innen nach außen und letztlich invers (der Andere - den Anderen), den rhythmischen Gegensatz vervollständigen die aus dem zweiten Quartett fließenden Terzette und deshalb werde ich auch nur den Abschluss des ersten anpassen, ein Semikolon würde die uneinheitliche Einheit sprengen.
Was Deinen Änderungsvorschlag bzgl. des Titels betrifft, ist er zwar ganz niedlich, träfe allerdings das Wesentliche nicht, und dann ... Danke für Deine Empfehlung.
Ciao, Frank

 loslosch schrieb daraufhin am 30.08.20:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 30.08.2020 um 18:18 Uhr wieder zurückgezogen.

 EkkehartMittelberg (30.08.20)
Am besten gefällt mir die Illusion an diesem Sonett: Wie oft glauben Menschen einen anderen innig und ehrlich zu lieben, ohne zu merken, dass sie nur sich selbst lieben.
LG
Ekki

 FrankReich äußerte darauf am 30.08.20:
Das, Ekki, scheint mir jedoch das geringere Übel zu sein, denn wie oft geben Menschen vor, einen anderen zu lieben im Wissen, dass sie nur sich selbst lieben? Ebenfalls haarig ist es, einem anderen Menschen hörig zu sein, auch das hat m. E. n. mit Liebe nichts zu tun, entweder wird der Mensch zum Objekt oder macht sich dazu, in diesem Fall aber sind die Seiten ausgewogen, und wenn die Herzlosigkeit sich gegenseitig ausrotten würde, wäre wieder etwas mehr Platz für die wahre Liebe, aber ich fürchte, gerade das ist die Illusion. 🤔
Ciao, Frank
P.S.: Danke auch für Deine Empfehlung.

 loslosch ergänzte dazu am 30.08.20:
"... da ein amphibrachyscher Vers auch anapästisch oder daktylisch interpretiert werden kann. Beispiel:

◡—◡ˌ◡—◡ˌ◡—◡ (amphybrachisch)
◡—ˌ◡◡—ˌ◡◡—ˌ◡ (hyperkatalektisch akephal anapästisch bzw. Jambus gefolgt von Anapästen)
◡ˌ—◡◡ˌ—◡◡ˌ—◡ (katalektisch daktylisch mit Auftakt) ...)

sucht euch was aus.

 loslosch meinte dazu am 30.08.20:
das gehört zu buchtstabenphysik weiter unten.

 FrankReich meinte dazu am 30.08.20:
Was mich schon immer an dieser Art von Interpretation gestört hat, ist der Taufakt, äh, Auftakt, ich meine, dass der eh nur geschaffen wurde, um solche Präzedenzfälle zuzulassen, vollkommen überflüssig also, lass Dir das doch mal auf der Zunge zergehen: ' hyperkatalektisch akephal anapästisch, bzw. jambisch, gefolgt von Anapästen' oder 'katalektisch daktylisch mit Auftakt'! Bitteschön, wer braucht diesen Schwachsinn?

 loslosch meinte dazu am 30.08.20:
was mich am amphibrachys schon immer störte: man braucht das große graecum: amphi -> beide und brachys -> kurz. dh, zwei kürzen umschließen eine länge.

Ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα, der das versteht.

 FrankReich meinte dazu am 30.08.20:
Wenn Du in ein Weinfass Bier füllst, ändert sich doch nichts am Behälter, oder was willst Du mir damit sagen?

 harzgebirgler (30.08.20)
es heißt gern: 'wer sich selbst liebt nur, kann lieben'
das scheint mir allerdings voll übertrieben
vielleicht lebt ja manch mensch zu monogam
weshalb die liebe ihm abhanden kam.

 FrankReich meinte dazu am 30.08.20:
Ich denke, dass es die Art ausmacht, auf die sich jemand liebt, ein Egoist oder Narzisst wird wohl kaum in der Lage sein, jemand anderen zu lieben, allerdings ist es tatsächlich fraglich, ob jemand, der sich ablehnt, andere lieben kann, das würde wohl eher in den Bereich der Hörigkeit, o. ä., fallen.
Ciao, Frank
P.S.: Danke für Deine Empfehlung.
buchtstabenphysik (25)
(30.08.20)
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 loslosch meinte dazu am 30.08.20:
schon mal was von daktylen gehört?
buchtstabenphysik (25) meinte dazu am 30.08.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 FrankReich meinte dazu am 30.08.20:
Zunächst einmal danke für Deinen Kommentar und natürlich auch Deine Empfehlung, Patrick, was allerdings die Prosodie betrifft, wage ich es, Euch beiden zu widersprechen, denn, loschi, was Du für einen Daktylus hältst, ist ein Amphibrachys, der in den männlichen Reimen zugegebenermaßen im Abschluss unvollständig ist, und die Reimkette in den Quartetten, Patrick, lautet korrekt nicht 'lang, kurz, kurz, lang' (der Vokal wird durchgehend kurz ausgesprochen, Gegenbeispiele wären 'Ziel, Spiel, Stil' ), sondern 'unbetont, betont, betont, unbetont' und genau das dürfte die Irritation ausmachen.
Ciao, Frank
P.S.: Mir fällt da gerade noch eine bessere Unterscheidung für lange, kurze, bzw. betonte Reimendungen ein: 'Hahn, Plan und Fasan' sind lang und betont, 'hat, platt und satt' sind kurz und betont.

Antwort geändert am 30.08.2020 um 17:23 Uhr

 loslosch meinte dazu am 30.08.20:
"... da ein amphibrachyscher Vers auch anapästisch oder daktylisch interpretiert werden kann. Beispiel:

◡—◡ˌ◡—◡ˌ◡—◡ (amphybrachisch)
◡—ˌ◡◡—ˌ◡◡—ˌ◡ (hyperkatalektisch akephal anapästisch bzw. Jambus gefolgt von Anapästen)
◡ˌ—◡◡ˌ—◡◡ˌ—◡ (katalektisch daktylisch mit Auftakt) ..."

sucht euch was aus.

 FrankReich meinte dazu am 30.08.20:
s. meine Antwort unter Ekkis Kommentar weiter oben. 😂

 Didi.Costaire (30.08.20)
Sie sollten mehr tun. Es gibt doch eine so naheliegende Steigerungsform. Ich jedenfalls empfehle Ihnen Licher Bier.

Schöne Grüße,
Dirk

 FrankReich meinte dazu am 30.08.20:
Saufen gegen seelische Armut, wenn das mal gutgeht. 😂
Ciao, Frank
P.S.: Danke auch für Deine Empfehlung, Dirk.

 millefiori (30.08.20)
Das Gedicht erinnert mich an ein Lied von Anett Louisan:
"Läuft alles perfekt (nur die Liebe ist weg)"

Liebe Grüße
millefiori

 FrankReich meinte dazu am 30.08.20:
Falls eine Partnerschaft nicht schon als Zweckbeziehung beginnt, besteht ja noch Hoffnung die Liebe wieder ans Laufen zu bekommen, in diesem Fall jedoch ...
Ciao, Frank
P.S.: Danke für Deine Empfehlung.

Antwort geändert am 30.08.2020 um 19:06 Uhr

 niemand (30.08.20)
@ Ralfi

Manchmal trügt ein Blick von außen

So manches, von außen besehen,
stimmt nur, weil die Brille der Seher
von Weitem betrachtet, nicht näher.

So stimmt zwar, im Großen und Ganzen,
der Blick jener fremden Pupillen,
verlangend nach Lautsein, nach Tanzen
der Beiden, nicht sehend die Stillen

die lieben auf andere Weise -
nicht spektakulär, sondern leise.
Die Blicke der Fremden, sie wandern
und sehen doch wenig von Andern.

LG Irene

 FrankReich meinte dazu am 30.08.20:
Danke für Deine kritische Würdigung, Irene, Dein Auftakt besagt es jedoch schon: 'Manchmal ...' 😉
Ciao, Frank
P.S.: Danke auch für Deine Empfehlung.

Antwort geändert am 30.08.2020 um 19:50 Uhr
Sätzer (77)
(01.09.20)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 FrankReich meinte dazu am 02.09.20:
Danke und recht hast Du, allerdings bin ich da immer noch der Meinung, dass auch Gefühle erlernbar sind. Ciao, Frank
Sätzer (77) meinte dazu am 03.09.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
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