Romeo und Julia in New York

Tagebuch zum Thema Kultur

von  Pearl

Gerade komme ich aus dem "HAYDN" Kino in Wien, wo ich mir mit einer lieben Freundin die Neuverfilmung von "West Side Story" angeschaut habe. Schon als Kind hatte ich das Musical mit meiner Familie im Gärtnerplatztheater in München gesehen, später dann den Originalfilm aus dem Jahr 1961.

Die Liebe von Maria und Tony, so schön untermalt von schönster Musik, berührte mich wieder sehr, noch mehr als damals, als ich ein Kind war. Und die Welt in der sie sich bewegen, ein altes, vielleicht verlorenes New York, ist so mythisch wie das uralte Verona der Capulets und Montagues.
Denn "West Side Story" basiert auf Shakespeares "Romeo und Julia". Doch während dieses berühmteste Liebespaar aller Zeiten reich und adelig war, sind Maria und Tony arm. Maria putzt in Spielbergs Neuverfilmung Kaufhäuser und Tony hilft im Drugstore der puerto-ricanischen älteren Lady Valentina aus.
Der Schauplatz des Musicals ist ein New Yorker Armenviertel, um dessen "Vorherrschaft" sich zwei Banden streiten: die puerto-ricanischen "Sharks" und die weißen "Jets".
Anfangs mutet dieser Revierkampf unschuldig, spielerisch an. Sicher, da fliegen Fäuste, es kommt zu Raufereien zwischen den "Sharks" und "Jets". Aber es ist eher harmlos und gipfelt in konkurrierende Tanzeinlagen auf einem Tanzfest, an dem beide Gruppen teilnehmen.
Auf besagtem Tanzfest lernen sich dann Tony und Maria kennen. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Und wünschen wir uns nicht alle manchmal in jene Zeit zurück, bevor es lautete: Liebe auf den ersten Klick?
Aber da gibt es ein Problem. Maria ist die kleine Schwester des Bandenanführers der "Sharks", Bernardo. Und Tony ist ein ehemaliges Gründungsmitglied der "Jets". Sein bester Freund, Riff, ist noch immer deren Anführer.
Doch wie in einer Seifenblase schweben Maria und Tony zwischen Hass, Kämpfen und den Anfeindungen der anderen. Wir sehen eine Balkonszene, nicht weniger schön als in "Romeo und Julia". Ein New Yorker Hinterhof, mit seinen Feuertreppen und der überall aufgehängten Wäsche, weist denselben Charme, dieselbe Schönheit auf wie ein Palazzo in Verona... wenn da wahre Liebe ist. Und die ist da. Wir sehen in einer Kirche das geheime, gespielte Eheversprechen der beiden Liebenden, die der Kindheit erst entschlüpft sind. Das nachdem Tony Maria erzählte, wie er als Bandenmitglied fast einen anderen Jungen getötet hätte und wie er sich nachher von den "Jets", und der Gewalt, abgewandt hat.
Maria und Tony sind blauäugig, naiv. Sie denken, sie können den finalen Revierkampf der beiden Banden verhindern. Auch die Polizei setzt alles daran, besagten Kampf aufzuhalten, sie wollen aus ihrem Revier keine Schlagzeilen mit toten Halbwüchsigen machen.
Aber jeder, der "Romeo und Julia" kennt, jeder, der diese Welt kennenlernen musste, weiß: Hass, wenn einmal entfacht, lässt sich nicht löschen. Die Geschichte geht nicht gut aus, auch wenn das letzte Bild versöhnlich stimmt.

Am Ende des Films hatte ich Tränen in den Augen. Und wer von Bernsteins Musik und dieser unsterblichen Story über Liebe (nicht nur der wahrhaften und unschuldigen zwischen Maria und Tony, auch der wahrhaften und erwachseneren zwischen Bernardo und seiner Anita) nicht berührt wird, aber auch der einer kapitalistischen Gesellschaft, die halbe Kinder, Außenseiter, gegeneinander, anstatt gegen das System, welches sie zu Verlierern machte, kämpfen lässt..., der, ja der muss wohl ein Stein sein.






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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (29.01.22, 23:47)
Für die Liebe scheint es in Literatur und sonstiger Kunst nur zwei Möglichkeiten zu geben;:
1. Sie scheitert.
2. Irgendwann sinken sich die beiden selig in die Arme, der Vorhang fällt und wir ahnen: jetzt fangen die eigentlichen Probleme erst an - weil es so viel leichter ist, jemanden zu lieben, als mit ihm zu leben.

Sollte es eine dauerhaft gelingende Liebe geben, dann findet sie in der Literatur jedenfalls nicht statt. Mein Eindruck.

 Pearl meinte dazu am 29.01.22 um 23:56:
Vielleicht weil das Magische nur kurz, viel zu kurz, andauert. Aber durfte man es erleben, hallt es ein Leben lang nach.

Über "dauerhaft gelingende Liebe" bin aber auch ich die Nichtexpertin in persona !
Was keine Klage sein soll. Ich hatte magische Momente, ja.

 Graeculus antwortete darauf am 30.01.22 um 00:06:
Das stimmt, magische Momente gibt es - und das ist wahrhaft nicht unbedeutend!

Über "dauerhaft gelingende Liebe" bin aber auch ich die Nichtexpertin in persona !
Das ist gut gesagt!


Gestatte mir eine Literaturempfehlung zum Thema:

Florian Illies
Liebe in Zeiten des Hasses
Chronik eines Gefühls 1929-1939
Frankfurt/Main 2021
In Form von Anekdoten berichtet Illies über Liebesbeziehungen in dieser Dekade. Es ist unglaublich, was er da ausgegraben hat. Ein Panoptikum der Liebe. Ich lese es fasziniert und zugleich ein bißchen froh, daß ich in etwas normaleren Umständen lebe.

Du wirst viele Schriftsteller(innen) wiederfinden, die Du kennst. Aber so kennst Du sie nicht.

 Pearl schrieb daraufhin am 30.01.22 um 00:26:
Oh, danke, das werde ich mir kaufen! Ich will auch noch die "Alienerzählung" lesen, die du mir empfohlen hast...un bedingt.

Liebe Grüße

 AZU20 (30.01.22, 12:47)
Ja, die West side Story. Ich liebte dieses Musical vom ersten Moment an, als ich die Melodien hörte. Eine Zeitlang wurde es dann ein wenig ruhig um Maria und Tony. Nun ist der tolle Film da. Gott sei Dank. LG

 Pearl äußerte darauf am 30.01.22 um 19:11:
Es ist mein Lieblingsmusical, mit so vielen tollen und bekannten Melodien! Leonard Bernstein war ein Genie <3

Liebe Grüße, und mir klingen heute noch die Ohren :)
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