Ein Wintertag

Dokumentation

von  Fridolin

Ein Winternachmittag in den 20er Jahren im Elternhaus in Amorbach. 3h nachmittags. Die Schule ist zu Ende. Damals war außer Mittwoch und Samstag auch am Nachmittag noch Unterricht. Ich gehe nachhause, denn es ist bitterkalt. Im Seegarten könnte ich eislaufen, aber vorher müssen die Schulaufgaben gemacht werden. (z.B. Rechenaufgaben – Gedicht lernen oder Aufsatz schreiben – Katechismus lernen oder dergleichen mehr)

Zuhause schenkt Mutter Kaffee ein (Mischkaffee). Dazu gibt es ein prima Geleebrot. Und nun die Schularbeiten – zügig erledigt, denn das fällt mir nicht schwer. Die Schule fordert mich nicht. Ich erlebe sie mit Leichtigkeit und wünschte, sie könnte mir mehr an Wissen bieten. Inzwischen ist es aber dunkel geworden und die Mutter erlaubt mir nicht mehr, zum Eislaufen zu gehen. Schade!

Ich sitze also mit Mutter und Tante und einigen Geschwistern im Wohnzimmer am knisternden eisernen Ofen mit den schönen Türen und warte auf die duftenden Bratäpfel, die Tante in ihrer Schürze aus ihrem Häusle brachte, wo so viele von mehreren Sorten auf Stroh lagerten, und die (davon eine Kostprobe) nun im Ofen schmorten. Noch sitzen wir alle im Dämmern, denn Licht muss gespart werden. Man erzählt dies und das. Vielleicht stimmt jemand ein Lied an. Wir singen Volkslieder mit Vergnügen – zwei- und dreistimmig. Oder Mutter beginnt den Rosenkranz und alle beten mit. Diese Stunden vermitteln ein wunderbares Gefühl des Geborgenseins. Sie waren Kraftspeicher für Körper und Seele, und selbst die Erinnerung daran fällt als Ruhe in meine Seele. Fast bedauert man, wenn das Licht eingeschaltet wird. Im Ofen bullert der Topf mit Pellkartoffeln und in der Küche brutzeln die Würstchen von der Hausschlachtung. Vater kommt aus dem Geschäft und gemeinsam essen wir im Wohnzimmer um den großen Ausziehtisch sitzend – und schweigen. Beim Essen darf nicht gesprochen werden. Eine Ausnahme: das Tischgebet voraus. Danach allgemeine Unterhaltung beim Abendtee. Spätestens um 21h verschwinden wir Kinder in unsre Schlafzimmer im Oberstock, nicht ohne die Ermahnung auf den Weg: „Vergesst nicht euer Nachtgebet!



Anmerkung von Fridolin:

auch dies wieder ein Text meiner Mutter.

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