Der Gregor

Dokumentation

von  Fridolin

Das Nachbarhaus zum Elternhaus war getrennt durchs „Gässle“, ein schmaler gepflasterter Weg – Zugang zum Hof und Gehöft zu Fuß oder per Karre, auch zu einem Haus, das über unseren Hof seinen Eingang hatte, früher bewohnt vom „Apollonia“, einer einschichtigen Frau. – Im Nachbarhaus lebte der Gregor, ich glaube sein Familienname war Link. Er war ein Sonderling, würde man sagen. Er hauste allein, sprach nicht oder sehr selten und lebte von seiner Flickschusterei, die er in dem ebenerdigen Raum seines Häuschens betrieb. Ich denke, er war in hohem Maße menschenscheu oder gehemmt. Sein Gehabe erschien uns Kindern geheimnisvoll. Zudem öffnete er seine Türe nur den Kindern. Wir bekamen ihn nur dann zu Gesicht, wenn er mit seinem Schubkarren und Korb und Gartengerät zu seinem Garten fuhr. Natürlich reizte das alles unsere Neugier aufs höchste. Aber Einblick in seine Behausung bekamen wir nur sehr selten. Was wir sahen, war eine spartanisch möblierte Küche hinter der Werkstatt. Dafür war aber zu Zeiten der Obstreife sein Hinterhof umso beliebter, denn dort stand ein großer Birnbaum, der fast Jahr für Jahr voller süßer gelber Früchte hing. Sie schmeckten uns wunderbar, und ihretwegen überwand ich meine Angst vor diesem Sonderling, der stets scheu und düster in die Welt und auf uns Kinder sah. Dann betrat ich wie auch viele andere Kinder aus unserer Gasse seinen Hof, um vom Fallobst zu naschen. Sicher wusste er das, aber er ließ sich niemals blicken und auch nicht auf das „Gregor – Gregor –Rufen“ der bösen Buben. Wie alt er wurde? Ich kann es nicht sagen. Als er starb, war ich im Internat und als ich nachhause kam, war bereits eine Familie Heller mit mehreren Kindern eingezogen und helles reges Leben ließ uns den Gregor vergessen. Aber – er war ein Stück, eine etwas gruselige Figur unserer Jugendtage, mit der wir äußerlich wenig Berührung hatten, die uns im innersten dafür umso mehr beschäftigte. Wenn sich an Sommerabenden vor den Häusern Feierabendtreiben entfaltete, insbesondere wenn gesungen wurde, öffnete sich verstohlen das Fenster im 1. Stock ein wenig





Anmerkung von Fridolin:

Text meiner Mutter

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (15.03.22, 14:36)
"Eine einschichtige Frau" ? Was soll das sein?
IsoldeEhrlich (12)
(15.03.22, 14:44)
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 Fridolin meinte dazu am 15.03.22 um 18:54:
nach Duden: abgelegen, einsam, oder
einzeln; den vereinzelten Teil eines Paares bildend
beides süddeutsch oder österreichisch
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