Der Clown (Auszug aus meinem Buch "Wenn es Nacht wird")

Betrachtung zum Thema Lebensbetrachtung

von  Nora

Der Clown


Der Clown ist zurück in der Manege.

Der Clown, der lacht und innerlich weint.

Die Hose mit bunten Flicken notdürftig ausgebessert und doch viel zu groß. Ein Kostüm, das nicht passt, nicht sitzt und doch getragen werden muss. Es bleibt die Rolle seines Lebens. In einem Leben, dass einem Zirkus gleicht.

Da trompeten Elefanten und trampeln auf Gefühlen rum. Wilde Löwen springen mutig durch Feuerreifen, sitzen stolz auf ihrem Sockel um zu brüllen, erhaschen sich so ihren Respekt und ziehen innerlich doch aus Angst vor der Peitsche den Schwanz ein. Giraffen strecken ihre Hälse immer weiter und weiter in die Höhe um alles sehen zu können – sie lauschen und interessieren sich für alles und jeden, nur um nicht auf sich selbst sehen zu müssen. Artisten bewegen ihre wohlgeformten Körper sanft im Takt der, nur für sie gespielten Musik und dressierte Äffchen setzen sich lächerliche Hüte auf den Kopf, um ihren kleinen Teil der Anerkennung zu erhalten, der ihnen sonst verwehrt bleiben würde. Auf die eine oder andere Art findet jeder seinen Weg der Anpassung in der großen, allgegenwärtigen Ordnung der Dinge und des Seins. Schön gesagt! Doch irgendwann fängt jede Fassade an zu bröckeln.

Da sind die Individualisten, die Egoisten, die Chauvinisten, die Weltverbesserer, die Egozentriker, die Optimisten, die Analytiker, die Zyniker und viele, viele mehr. Für jeden wurde ein eigenes Drehbuch geschrieben. Abweichungen sind nicht vorgesehen, um den Spielplan nicht zu gefährden. Wen mag es da schon interessieren, dass der Elefant aus Sorge trompetet, der Löwe nur springt, weil ihm sonst Schläge drohen, die Artisten nie etwas anderes gelernt und die Äffchen nie etwas anderes gespürt haben.

Es sind Rollen. Manch einer suchte sich seine selbst aus, andere wurden, wie der Clown, in eine Rolle gepresst, die nicht seinem Naturell entspricht und doch Tag ein, Tag aus, gelebt wird, gelebt werden muss und vermutlich nie den Höhepunkt erreicht, um dankend die Manege verlassen zu können.

Es ist der Clown, der andere zum Lachen bringt und für wenige Minuten Ablenkung vom Alltag in die Herzen der Menschen zaubert. Der Clown – unermüdlich darin bestrebt, ein wenig Glück zu verschenken. Momente der Freude. Zu Geben – niemals zu nehmen. Niemals eingestehen, dass sich dieser Clown diesen Moment für sich selbst so sehr wünscht, dass er sich mehr und mehr treibt über seine Möglichkeiten zu gehen, sich selbst drückt und schiebt, sich immer und immer weiter anfeuert, mehr zu geben, um letztlich dann doch sein viel zu hoch gestecktes Ziel nicht zu erreichen. Die Schnur reißt und er fällt zurück zu Boden. Tatsache!

Sieht denn niemand die kleine Seele, die dort tief in diesem Clown verweilt? Die kleine Seele, die so oft verletzt wurde und dennoch mutig genug ist, immer und immer wieder von vorn zu beginnen?

Die Vorstellung ist ausverkauft. Der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Überall strahlende Augen und lachende Gesichter. Geblendet vom Scheinwerferlicht schwingt der Direktor seine Reden. Wie jeden Abend!  Applaus als Lohn für eine gelungene Darbietung. Verbeugen und danke schön!

Ich war schon immer ein Clown und sah nicht, wie viele Illusionisten diese Vorstellung Abend für Abend begleiteten. Sie nahmen sich was sie brauchten und der Clown glaubte, gemocht, gewollt und gebraucht zu werden, ohne zu sehen, dass man nicht mit ihm, sondern über ihn und seine Naivität lachte. Irgendwann endete das Engagement und der Clown verließ die Bühne. Die Lichter erloschen und der Vorhang fiel. Er blieb einsam zurück und schrie in diesem stillen Moment – ungehört – den Schmerz in die Welt hinaus.




Anmerkung von Nora:

Auszug aus meinem Buch "Wenn es Nacht wird". Vielleicht sollte ich dazu sagen, dass es eine Erzählung ist... Das ICH unterhält sich mit dem Leser... nimmt ihn mit in seine Welt... 

Meinungen und Kritik ist erwünscht. Nur so kann man besser werden.

Danke Euch und alles Liebe :)

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Kommentare zu diesem Text


 Pearl (03.08.22, 18:37)
"Da sind die Individualisten, die Egoisten, die Chauvinisten, die Weltverbesserer, die Egozentriker, die Optimisten, die Analytiker, die Zyniker und viele, viele mehr. Für jeden wurde ein eigenes Drehbuch geschrieben. Abweichungen sind nicht vorgesehen, um den Spielplan nicht zu gefährden. Wen mag es da schon interessieren, dass der Elefant aus Sorge trompetet, der Löwe nur springt, weil ihm sonst Schläge drohen, die Artisten nie etwas anderes gelernt und die Äffchen nie etwas anderes gespürt haben."

Das ist mein Lieblingsabsatz... viel gesagt in  wenigen Zeilen und das ist gut an einem Roman. Hier wird auch die Analogie zu unserer Welt deutlich - und in seiner Anschauung gebe ich dem Erzähler recht. Ich fühle oft ähnlich und die Metapher der Zirkusleute und -tiere ist hierfür gut gewählt. Auch wenn wir Menschen keine Schläge bekommen, wenn wir aus unserer Rolle ausbrechen, so stiften wir zumindest Verwirrung oder verlieren sogar liebgewonnene Menschen.

Ich denke, du könntest (wenn du magst) die Ausschmückungen hier und da etwas kürzen, die Beschreibungen.

Aber ich finde den Gedanken cool.

Liebe Grüße, Pearl

 Nora meinte dazu am 10.08.22 um 13:12:
Vielen lieben Dank Pearl :)

 Nora antwortete darauf am 10.08.22 um 13:16:
Und vielen lieben Dank für die Empfehlung :) Freut mich sehr, wenn es gefällt :)
Hobbes (38)
(04.08.22, 01:29)
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 Nora schrieb daraufhin am 10.08.22 um 13:14:
Hallo Peter,

abgeschrieben? Nein. Sollte es irgendwo Ähnlichkeiten geben, sind die zufällig und nicht beabsichtigt. 
Der Vergleich ist gewiss nicht neu, ist aber von keinen anderen Texten motiviert, sondern nur von meinem Gefühl :)

Welche Stelle ist denn gleich? Ich möchte ungern, dass solche Gedanken aufkommen... 

lieben Gruß
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