CECILE CARA

Erzählung zum Thema Zufall

von  uwesch

Dieser Text gehört zu folgenden Textserien:  GROßE ERZÄHLUNGEN,  Aus dem Leben gegriffen

Er musste es irgendwann seinem Vater erzählen, denn zu seiner Mutter hatte er keinen Zugang. Sie war dement und vegetierte nur noch vor sich hin, ohne mitzubekommen, was um sie geschah. Er wollte Vater nicht enttäuschen, aber seinen Fragen nicht wirklich begegnen. Doch er hielt es für notwendig, ihn über seine geplante Scheidung zu informieren und beschloss drei Wochen später übers Wochenende ins Elternhaus nach Hamburg zu fahren.
Er gönnte sich eine ICE-Karte in einem Erste-Klasse-Abteil, weil er hoffte, dass es da nicht so voll sei und er in Ruhe seinen Gedanken nachhängen könne. Als er in Freiburg den Wagen bestieg und seinen Platz suchte, stellte er fest, dass der Waggon weitgehend leer war. An seinem Abteil angekommen, konnte er schon durch die Glastür sehen, dass niemand darin saß. Er ließ den Schwarzwald am Fenster an sich vorbeigleiten und hing in seinen Gedanken.
In Frankfurt stieg eine Frau zu, zog die etwas klemmende Abteiltür mit einem Ruck auf, wischte sich Schweißperlen von der Stirn und begrüßte ihn mit einem „Oh diese Hitze“. Sie setzte sich ihm schräg gegenüber, wie das ihre Platzreservierung offensichtlich vorgab. Nur eine Handtasche dabei, entnahm dieser sofort ein Taschenbuch und begann zu lesen. Er warf verstohlene Blicke und tastete die Linien ihres Körpers vorsichtig ab. Sie war etwas füllig um die Hüften herum und hatte schwerwiegende Brüste. Die feinen Züge ihres Gesichtes zeichneten eine Frau mit Bildung und guten Umgangsformen.
Im Verlauf der Fahrt klappte sie ihr Buch zu und sie kamen ins Gespräch, das nach dem Verlassen des Hannoverschen Hauptbahnhofes immer persönlicher wurde. Sie hieß Cecile Cara. Er erzählte, dass er nach Hamburg fahre, um seinen Vater zu informieren, dass seine Frau ihn verlassen habe.
Sie sagte:

„Oh, Sie Armer. So eine Trennung ist sicher nicht einfach und man schämt sich, versagt zu haben und das seinen Eltern mitteilen zu müssen.“
„Ja, mein Vater war immer sehr streng und hat sein ganzes Leben zu meiner Mutter gehalten. Auch jetzt, wo sie dement ist, tut er das und pflegt sie zuhause. Er wird meine Trennung nicht akzeptieren, obwohl sie in erster Linie von meiner Frau ausgegangen ist. Er hatte mir allerdings damals schon vor der Hochzeit abgeraten, die Frau zu heiraten, die mich jetzt verlassen hat.“
Sie plauderten noch bis zur Ankunft im Hauptbahnhof Hamburg über Kunst und Politik. Am Taxistand wartete nur noch ein Wagen auf Kundschaft. Er sagte:
„Bitte, ladies first, ich kann warten.“
Sie fragte:

„Wo müssen Sie denn hin?“
Er nannte die Adresse.
„Oh, in die Gegend muss ich auch. Dort befindet sich meine Hotelpension, in der ich immer absteige, wenn ich in Hamburg bin.“
Sie war Kulturredakteurin bei Arte und sollte über eine Ausstellung mit Bildern von Frida Kahlo, der berühmten mexikanischen Malerin, im Bucerius Kunst Forum am Rathausplatz berichten.
„Kommen Sie doch einfach mit. Wir teilen uns das Taxi.“
„Oh ja, gern.“
Der Fahrer verstaute seinen Koffer in das Auto. Frau Cara hatte nur leichtes Handgepäck dabei, denn sie blieb nur eine Nacht. Als das Taxi vor ihrer Hotelpension anhielt, drückte sie ihm ihre Visitenkarte und einen Zehneuroschein für das Taxi in die Hand und sagte beim Aussteigen:

„Rufen Sie mich mal in Frankfurt an, wenn Sie wieder in Freiburg sind. Ich habe mich gern mit Ihnen unterhalten.“
Das Gespräch mit seinem Vater verlief überraschenderweise besser als erwartet. Dieser sah sich bestätigt in seiner Meinung, dass das nicht die richtige Frau für ihn gewesen sei. Er bot ihm sogar an, finanziell zu helfen, wenn es Probleme bei der Scheidung gäbe. Beim Abschied nach dem Wochenende bei seinen Eltern – die Mutter hatte ihn nicht mehr erkannt – umarmten sich Vater und Sohn zum ersten Mal in ihrem Leben mit dem Gefühl, sich zu verstehen.
Auf der Rückfahrt blätterte er in seiner TV-Programmzeitung, um zu schauen, was es in der kommenden Woche für interessante Sendungen geben würde. Themenschwerpunkt bei Arte war das Thema Sex. Er beschloss, sich die Sendungen anzusehen, dachte, dass das sicher wie immer bei Arte Niveau hat und er mehr darüber erfahren könnte, was Frauen und Männer in der Hinsicht vom anderen Geschlecht erwarten.

Der Hader auf seine Frau verfloss in den nächsten sechs Monaten, in denen er sich in die Arbeit stürzte. Eines Tages beim Aktualisieren seines Adressverzeichnisses fiel ihm die Visitenkarte von Cecile Cara, mit der er sich damals im ICE unterhalten hatte, in die Hände. Er erinnerte sich, dass sie sagte, er könne sie gern einmal anrufen. Sollte er das tun - nach so langer Zeit? Ja, er wählte ihre Büronummer, denn er wusste, dass sie verheiratet ist, und er wollte sie nicht kompromittieren.
„Hallo, hier Cecile Cara.“
„Hallo, hier Dieter Schuster, der Mann, mit dem Sie in Hamburg Taxi gefahren sind.“
„Oh ja, … ich erinnere mich an unsere interessante Unterhaltung im ICE. Schön, dass Sie mich anrufen. Ich habe jetzt leider wenig Zeit. Kann ich Sie heute Abend gegen Acht zurückrufen?“
„Ja, gern.“
Pünktlich um Acht klingelte das Telefon.
„Ich habe mich sehr gefreut, dass Sie sich gemeldet haben“, sagte sie. Er glaubte ein leichtes Lachen in ihrer Stimme wahrzunehmen. Das machte ihn lockerer und sie plauderten über Dies und Das der letzten Monate. Nach einer halben Stunde meinte sie:

„Hören Sie, ich habe am Freitag einen Termin in Straßburg, muss einen Kulturpolitiker des Europaparlamentes interviewen. Ich nutze dann immer die Zeit, ein privates Wochenende in Colmar zu verbringen. Ich liebe die Stadt der Künste mit dem besonders schön erhaltenen Gerberviertel, sowie das “La petite Venise“. Da hat man die Gelegenheit, sich mit einem kleinen Boot auf dem Flüsschen Lauch entlang schippern zu lassen, was wirklich gut tut, wenn man ein paar Stunden zu Fuß die Stadt erkundet hat. Haben Sie Lust, mit mir das Wochenende dort zu verbringen?“
„Oh ja, das ist eine wunderschöne Idee.“
„Ich freue mich darauf, Sie wieder zu sehen. Ich kenne dort ein sehr schönes kleines Viersterne-Romantik-Hotel direkt an der Lauch, in dem ich immer absteige. Soll ich Ihnen ein Zimmer mitbestellen?“
„Ja, sehr gern. Ich komme dann Samstag am frühen Nachmittag“, sagte er errötend, was sie natürlich nicht sehen konnte.
Sie schlug vor, sich dann im Zentrum des kleinen Parks nahe der Place Rapp an der Fontaine Bruat zu treffen.
Sie verabschiedeten sich und er fieberte dem Wochenende entgegen.

Es war ein strahlender Spätsommertag, und nachdem er sein Auto in einem Parkhaus in der Nähe der Altstadt untergebracht hatte, ließ er sich von seinem Smartphone zum verabredeten Brunnen leiten. Da saß sie auf einer Bank und strahlte ihn an. Er wollte ihr die Hand reichen, doch sie stand auf, nahm ihn in die Arme und küsste ihn auf beide Wangen. Es fühlte sich gut an.
„Komm“, sagte sie, „ich entführe dich – das darf ich doch sagen, oder? ... in den Salon de The. Das ist etwas ganz Besonderes. Zwei ältere Damen betreiben ihn hinter der Kirche St. Martin.“
Um St. Martin herum gingen sie Hand in Hand, fast wie ein Liebespaar, das sich schon etwas länger kannte, durch einen steinernen Torbogen direkt auf die rötliche Jugendstil-Fensterfront des Salons zu. Er öffnete die Tür. Von Glöckchengebimmel begleitet traten sie ein in eine kleine Welt, in der die Zeit der Jahrhundertwende stehen geblieben zu sein schien.
Am Ende der Teestunde machten sie einen langen Bummel durch die Altstadt und sie erklärte ihm die vielen historischen Hintergründe der Gebäude. Es war immer noch erkennbar, dass diese Stadt eine Hochburg für Künste gewesen ist.
Am Abend holten sie seine kleine Reisetasche aus dem Auto und sie eröffnete mit völlig unschuldiger Miene, dass Sie kurzfristig nur noch ein Doppelzimmer bekommen konnte, da das Hotel ausgebucht sei. Sie schlug vor, doch mit ihr zu übernachten und schaute schelmisch zu ihm auf. Er schluckte kurz, aber fand den Vorschlag mutig und selbstbewusst von dieser Frau, die ihn zunehmend faszinierte.

Nach einer romantischen Liebesnacht voller Zärtlichkeiten erwachte er im frühen Licht des Sonntags, das die halb geschlossenen Vorhänge streifte. Die kalte Dusche trieb frisches Leben in ihn. Sie schlief noch immer und er sah sie voller Staunen an, während er sich auf die Bettkante setzte. Sie lag auf dem Bauch. Ohne Worte fand ihre Hand langsam aus dem Laken und tastete nach ihm, zog das Handtuch, das er sich um die Lenden geschlagen hatte, vorsichtig weg und schloss ihre zarten Finger sachte um sein Glied. Es begann anzuschwellen. Ein kleiner Tropfen benetzte ihren Zeigefinger. Sie führte ihn zu ihren vollen Lippen und leckte ihn ab.
„Ich habe den falschen Mann geheiratet“, sagte sie mit sonorer Stimme.
Sie vergrub ihr Gesicht im Kissen und er kniete sich zwischen ihre lang ausgestreckten, gespreizten Beine. Dann rückte er diese ohne Eile zurecht, so als würde er ein Puzzle vervollständigen, in dem jedes Teil nur einen bestimmten Platz hat und in die richtige Position gebracht werden musste. Das frühe Licht zeichnete die makellosen Linien ihres Rückens auf seine Netzhaut. Die Rundung ihrer Hüften ließen ihn an eine der drei Grazien von Rubens denken. Er fühlte wie er ein Teil von ihr wurde. Ein langsamer tiefer Rhythmus begann, veränderte sich kaum, wurde nur nach und nach intensiver. Die anderen Menschen im Hotel schienen alle noch zu schlafen. Mit einem Mal stöhnte sie auf. Er versuchte sich zurückzuhalten, damit es weiterging, aber sie zitterte wie eine Espe und ihre Schreie befreiten sich wie eine Lawine von dem Kissen, auf dem ihr Kopf die Nacht verbracht hatte.



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Kommentare zu diesem Text

Hobbes (38)
(17.08.22, 15:47)
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 uwesch meinte dazu am 17.08.22 um 15:59:
Danke für Dein Lesen. Vermutlich sind ein paar Kommata falsch gesetzt oder weggelassen. Ich bin halt kein Germanist, doch VIELE Fehler bezogen auf die Länge des Textes nehme ich Dir nicht ab. Dann doch bitte konkrete Beispiele!
Danke für deinen Kommentar und LG uwesch
Hobbes (38) antwortete darauf am 17.08.22 um 16:34:
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 uwesch schrieb daraufhin am 17.08.22 um 17:54:
O.K.  Ich habe zwar seit sehr vielen Jahren keine Romane mehr gelesen, doch so in der Zeit von vor 50, 60 Jahren (bin jetzt 79) muss sich dann wohl unbewußt -  so in der Art wie man damals schrieb - was festgesetzt haben. Ich schreibe heute wie es aus meinem Inneren und meiner Lebenserfahrung kommt und reichere es mit Fantasie an. Als Dozent in der Lehrerfortbildung und in der Unterrichtsarbeit mit Auszubildenen sn einer Berufsschule habe ich eine eigene Form von Kreativitätstrainings mithilfe von Mental- und Körpermethoden entwickelt und eingesetzt - publiziert mit praktisch umsetzbaren Übungseinheiten in meinem Buch "lehren lieben lernen", das auch selbst sehr kreativ gestaltet ist. Das hat auch für mich selbst neue Gedankenwelten eröffnet.
so long Uwe

Antwort geändert am 17.08.2022 um 21:36 Uhr
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