Christine

Erzählung zum Thema Fremdgehen

von  uwesch

Dieser Text gehört zu folgenden Textserien:  HAMBURG VOR ORT,  Aus dem Leben gegriffen

Am Samstag ist Hannes zu einer Party eingeladen. Die Gastgeberin Hannelore lebt in serieller Monogamie. Ihre Partner wechselt sie in sehr unregelmäßigen Abständen. Einmal waren es sieben Jahre, dann nur ein halbes oder auch mal zwei. Für sie ist Liebe die Freiheit zu lieben. Da ähnelt sie immer mehr Frauen ihrer Generation, die ein unabhängiges Leben wollen. Hannes kommt das sehr entgegen. In Hamburg ist inzwischen jede zweite Wohnung ein Singlehaushalt.
Auf der Party lernt er Christine, eine Freundin von Hannelore, kennen. Leider ist sie verheiratet, aber heute allein gekommen. Ihr Mann hatte keine Lust. Hannes himmelt sie an dem Abend so unverhohlen an, dass es der Gastgeberin schon manchmal peinlich ist.
Am folgenden Samstag kauft er sich zwei Jeans in der Mönckebergstraße, bummelt über den Jungfernstieg an der Binnenalster entlang. Plötzlich sieht er Christine, wie sie aus der Gegenrichtung auf ihn zukommt. Er erkennt sie sofort und sein Herz beginnt heftig auszuschlagen. Sie begrüßen sich freudestrahlend und Christine  sprudelt gleich los:
„Ich habe heute meinen freien Tag von Job und Familie. Immer Samstagvormittag nehme ich mir Zeit für etwas Schönes, das nur mir gehört. Es ist sozusagen ein Treffen mit mir selbst. Eben habe ich mir ein wunderschönes Frühstück im Café des Hotels Vierjahreszeiten gegönnt und will jetzt in die Kunsthalle, mir die neue Ausstellung “Erotische Malerei des 20. Jahrhunderts“ anschauen. Für Erotisches hatte ich schon immer ein Faible.“
Sie muss sich eingestehen, dass dieser sinnliche junge Mann ihr schon auf der Party ausnehmend gut gefiel, und sie war überrascht, dass ihr dieses in ihrem gereiften Alter noch geschah. Manchmal beneidete sie ihre Freundin um ihr abwechslungs-reiches Leben.
Hannes schaut ihr intensiv in die Augen, ihre Wangen röten sich, er nähert sich ihrem Gesicht, will ihr spontan einen Kuss geben. Doch ihr Gesichtsausdruck zeigt ihm, dass sie nicht weiß was tun. Aber vielleicht ist es auch eher er, der das Problem hat, denn im Prinzip ist er stockschüchtern, vor allem bei sehr attraktiven Frauen.
Christine überlegt, ob sie ihren Gefühlen vertrauen und ihnen freien Lauf lassen oder ihren Verstand benutzen soll. Sie mag ihren Mann auch nach vielen Ehejahren immer noch gern und will ihre Sicherheit und Geborgenheit in der Ehe nicht aufs Spiel setzen. Was geht da bloß vor in ihrem Kopf? Doch ihr Körper sendet deutliche Signale.
Ja! Ja! Ja! Was soll die Ausstellung erotischer Kunst. Sie will heute leben, ihrem Körper gehorchen, ihrem Herzen folgen, spontan sein und weiß intuitiv, dass sie jetzt die Initiative ergreifen muss.

Sie strahlt und küsst ihn auf den Mund. Er zuckt zusammen. So viel Direktheit und Ehrlichkeit hat er bei einer Frau noch nicht erlebt, aber das gefällt ihm. Christine schlingt ihre Arme um seine Taille und zieht ihn fest an sich. Beide spüren sofort die feine Sinnlichkeit, die ihre Körper miteinander austauschen, und es bedarf keiner Worte mehr. Christine verkörpert allein durch ihre Gegenwart in seinen Armen das, was er schon immer gesucht habe. Es existiert nur noch ein Verstehen von lange aufeinander gewarteten Leibern, die nach Erfüllung dürsten.
Christine dreht um und führt ihn sanft umarmt zurück zum Hotel Vierjahreszeiten. Da sie ganz betucht ist, ordert sie ein luxuriöses Doppelzimmer mit Alsterblick und schiebt Hannes sanft in den Fahrstuhl. Ihr Druck auf die Taste 2.Stock ist mit etwas Unsicherheit und Gewissensbissen verbunden, aber freimütig genug, dass er darin mehr als den Keim normaler Begierde erraten kann. Dieses wird durch die Tatsache, dass es sich um etwas Verbotenes handelt, nur noch gesteigert.
Hannes spürt wie er immer schwächer wird und gefangen scheint in einer Halluzination, die die Gestalt von Christine angenommen hat. Er ist ihr in einer außergewöhnlichen Fügung begegnet, ohne selbst aktiv werben zu müssen. Jetzt besinnt er sich seiner männlichen Fähigkeiten und öffnet ihr galant die Zimmertür, nachdem sie den Fahrstuhl schon etwas enger umschlungen verlassen haben. Sie geht langsam vor ihm in das Zimmer und er schließt sachte die Tür. Plötzlich bleibt sie unentschlossen vor dem großen Bett stehen, vollkommen durcheinander. Er legt seine Arme von hinten sanft um sie, zieht ihr behutsam die türkisfarbene Jacke von den Schultern und küsst sie zärtlich auf den Hals. Diesen Berührungen kann sie nicht lange standhalten. Die wenigen dunklen Stellen seines Wesens werden von Licht erfasst. Sie hätten verborgen bleiben können, doch in der Berührung mit ihr verändert sich alles. Ihre Gegenwart erfüllt den Raum mit solch einer körperlichen Präsenz, dass beide sich getröstet, geborgen und allmächtig fühlen.
Sie haben im Zimmer noch kein Wort miteinander gesprochen. Er steht immer noch hinter ihr und hält sie im Arm. Mit seinem Zeigefinger der freien linken Hand berührt er ihren Mund. Begierig beginnt Christine den Finger zu belutschen, bis dieser sich in ihrer Mundhöhle verliert, er ihre Zahnhälse sanft massiert. Dieses tut er mit einer solchen Inbrunst, dass sie ein wenig zu zittern beginnt. Sie versucht mit ihrem Verstand dagegen anzukämpfen, dass sich ihr Körper so schnell hingeben will. Der Sinnentaumel steht jedoch kurz bevor. Bald wird sie jeglichen Widerstand aufgeben. Seine Zartheit und körperliche Offenheit sind dabei, sie zu überwältigen.

Nach dem Aufwachen am Nachmittag verschlingen ihre Körper wiederholt einander. Er flüstert: „Ich möchte jetzt keinen Sex mehr, nur kuscheln.“
Zartes massageähnliches Streicheln über Hüften, Po und Schenkel führen jedoch dazu, dass Christine ihn plötzlich auf den Rücken wirft, dann auf ihn springt, und ihn reitet, so als wenn es ein Galopprennen zu gewinnen gäbe. Das solide Bett ächzt und vibriert. In inniger Verbindung gestöpselt komponieren sie Lustduos mit ihren sinnlichen Mündern und einem Tutti ins Finale. Aufschreie verbinden sich in einem wirren Takt.

„Das war Sieben statt Sex“, stöhnt er ganz entspannt im Hier und Jetzt.
Christine sagt nichts dazu. Sie ist überwältigt. Hannes Gegenwart ist in alle ihre Fasern gedrungen. Er spürt sie über sich, schwitzend, zitternd, zerbrechlich, ängstlich, außer sich vor Glück und Furcht.
Beide verabschieden sich ohne Worte mit einem langen innigen Kuss vor dem Eingangsportal des renommierten Hotels. Der Portier schaut ihnen wohlwollend hinterher. Hannes weiß, dass dieses Erlebnis sich nicht wiederholen lässt, denn Christine ist glücklich verheiratet.



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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (18.03.23, 07:57)
Was schön ist, sollte man nicht zerreden.

LG
Ekki

 uwesch meinte dazu am 18.03.23 um 11:13:
So ist es. Dank Dir für Kommi und Empfehlung.  LG Uwe

 lugarex (18.03.23, 11:57)
gefährliche begegnung, hoffentich ohne folgen!

Freuen uns auf schönes Wetter, Frühling ist nicht mehr zu stoppen!
Optimistische Grüsse Luga

©lugasexport

Kommentar geändert am 18.03.2023 um 11:58 Uhr

 uwesch antwortete darauf am 18.03.23 um 12:59:
:)  LG Uwe

 Regina (18.03.23, 12:06)
Da kommt jetzt dein Talent für das Schreiben von Liebesromanen zum Vorschein.

 uwesch schrieb daraufhin am 18.03.23 um 13:04:
Das Genre tendiert doch eher zu "Kitsch-Romanen". Ich verstehe mich eher als Allrounder für viele Themen und die träufeln einfach so aus meinem Gehirn, das ja aufgrund meines Alters ziemlich vollgestopft ist und entlastet werden muss :) 
Dank Dir für Kommi und Empfehlung.  LG Uwe
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