Nonsens I

Tagebuch zum Thema Magie

von  Augustus

Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (Sidney Lument 1982) habe ich im Sinn zu erzählen. Ich erwarte Frau Baronin von … Sie hat einen Termin bei mir. Sie kommt jede Woche 1 mal um 10 Uhr. Manchmal sogar 2 mal, wenn es dringend ist, wenn sie es wünscht und ich in guter Laune bin. Sie ist eine meiner zwei Kunden, die ich seelisch betreue. Und diese Geschichte, wie’s dazu kam, möchte ich dir erzählen, da du die Absicht erklärst hast, mich besser kennen lernen zu wollen. Nun ja, über meine Nebenbeschäftigung Schlösser zu knacken habe ich dir schon das letzte Mal erzählt. Nun habe ich dir die Geschichte nicht zu Ende erzählt. Das Geld aus den Münzverkäufen, also je 80 Euro das Stück, spende ich zur Hälfte an gemeinnützige Organisationen weiter. Den Rest verteile ich an die Bettler, die ich treffe, die mir über den Weg laufen. Es ist bemerkenswert, das Staunen in den Augen eines Bettlers zu sehen, wenn ich ihm 40 Euro oder 20 Euro in die Hand drücke. In seinen Augen springt ein Licht aus der Dunkelheit hervor, so weiß ich, dass selbst in solchen armen, unglücklichen Kreaturen auch ein Gott lebt. Ihn ernähre ich auf meine Art und Weise, suche die Begegnung mit ihm, ihn aus der Dunkelheit zum Vorschein in das Licht zu verhelfen. Manchmal habe ich 200 €uro mit mir und fahre für zwei Stunden rum, allein um dieses geheimnisvolle Licht in den Augen der Ärmsten zum Erstrahlen zu bringen. Es sind auch wirklich nur die Augen entscheidend. Der Rest ist oftmals verwahrlost. Die Hände sind oftmals aufgedunsen, die Münder halb am Zähnen voll und die Zähne – nun ja – am Schicksal zerbrochen.


Eigentlich habe ich noch einen weiteren Nebenberuf, zwei sogar, ich will ja die Wahrheit sagen.

Aber mein Hauptberuf besteht aus 1 Stunde Arbeit am Tag. Haha! Wie das staunst und fragst du? Mein vorzüglicher Intellekt erlaubt es mir eine Lücke im System zu finden, die ich einfach ausnutzte. Des Weiteren erzähle ich dir‘s gleich.

Zu aller erst bemerkte ich schon vor vielen Jahren, dass alle Menschen nach einem Beruf streben und sich dafür über 3, 5,8,10 Jahren ausbilden lassen. Ich fand etwas wozu ich 2 Tage brauchte. Ich nahm nach dem ich gerade mal so den Hauptabschluss geschafft hatte, teil an einer Ausbildung, die am Ende des 2 tätigen Lehrgangs mich zum Hypnosetherapeuten qualifizieren sollte. Ich lernte im Kurs simpel gesagt Grundlagen Menschen in einen Schlafzustand zu versetzen und ihnen etwas zu suggerieren.


Mit dem Zertifikat in der Hand hatte ich nun nach 2 Tagen einen offiziellen Beruf. Ich war Hypnosetherapeut. Übrigens nahm ich dafür einen Kredit. Die staatlichen Arbeitsämter wollten gleich einen Hauptschüler als Bäckerlehrling oder Handwerkslehrling verdonnern. Als ob ich um Nachts um 4 Brötchen backen will! Als ob ich den Zement hin und her in einem Karren fahren will! Ich wollte einen Beruf, in dem ich ausschlafen konnte, aufstehen wann ich wollte, tun was ich wollte, frei sein was ich wollte, ohne 10 Jahre zu studieren. Ich meine, mit meinem Hauptabschluss ginge das eh nicht. Ich verließ mich ganz und gar auf – nennen wir’s – mein Genie. In ihm ruhte eine ungeheure Intuition, auf die ich einfach hörte und mich vollends auf seine Ratschläge verließ, vollends auf ihn vertraute. Gut, also, nach 2 Tage Ausbildung zum Hypnosetherapeuten meldete ich meine Selbständigkeit offiziell an. Im Amt staunte man nicht schlecht als ich - so jung – mein Beruf als Hypnotiseur eröffnen wollte. Nun wollte ich arbeiten, aber nicht zu viel, vielleicht 1-2 Stunden am Tag stellte ich mir vor. Ich hatte keinen Kunden, keinen einzigen. Ich hatte keine Marketingkenntnisse, ich wusste nichts in der Welt, Bruchrechnen war das Maximum,  und ich wusste, wie man Menschen mit wenigen Tricks zum Einschlafen brachte.

Doch unabhängig von meinen breiten Unkenntnissen sprach der Genius in mir, ich solle zu besonderen Anlässen von gemeinnützigen Stiftungen teilnehmen, denn dort fänden sich genügend wohlhabende und reiche Menschen, die als Heilstifter der Welt auftreten möchten.

So scharf wie mein Verstand war und mir stets Lücken im System aufwies, überlegte ich weiter nicht lange, sondern fing an im Internet nach Anlässen solcher Art zu suchen, wo reiche Menschen sich zusammenfinden.  


Es war eines Abends, da ging ich zu einem solchen Anlass, und ich hatte nur eine Aufgabe, ganz genau zu beobachten. Ich stierte auf Personen, die gerne mal öfters das Glas zum – Prosit – schlugen. Dabei fiel mir eine vornehme kleine Dame, hübsch gekleidet mit funkelnden goldgelben Schmuck um Hände, Finger, Hals und Ohren, auf. Ich schätzte sie Anfang 40. Es sollte sich herausstellen, dass sie 39 war. Ich wusste, dass Menschen, die dem Alkohol zu viel geneigt sind, etwas Unverarbeitetes mit sich trugen. Ich wusste nur nicht was.

Ich ging zu ihr hin und fragte sie welchen Wein sie trinke, und so kamen wir ins Gespräch. Im Laufe des Gesprächs wagte ich ein Risiko einzugehen. Ich verrat ihr meinen Beruf und sagte ihr direkt in die Augen starrend, dass ich ihr den inneren gordischen Knoten zu lösen vermag. Sie war sprachlos. Ich gab ihr mein Kärtchen und verschwand. Ich wusste, ich habe jetzt nur noch zu warten bis sie sich meldet. Ich wusste, dass das Tage, Wochen, vielleicht Monate es dauern könnte, bis die Dame der dunkle Zustand, der sie hartnäckig verfolgte, wieder vereinnahmen würde. Was mache ich bis dahin?


Da ich einen Kredit abzubezahlen hatte und doch nicht arbeiten wollte, und auch die Welt besser machen wollte, bewarb ich mich bei der Firma Nestle. Ich gebe zu, mein Genie ist nicht gerade ganz sauber. Ich fälschte Zeugnisse. Ich druckte im Internet für jeden Beruf ein Zeugnis aus. Mal war ich Techniker, mal Kaufmann, mal irgendwas. Aber immer meinem Alter entsprechend. Zuvor las ich über einen Tag hinweg ein Buch, das den Beruf beschrieb. So schnitt ich aus den a priori Theorien und gab sie als meine posteriori Erfahrungen aus. Nun, ich gebe zu, ich hatte immer eine Vorliebe zur Philosophie, auch als ich 13 war. Ich wurde eingestellt. Blieb jedoch der Arbeit fern, da ich mich am ersten Tag krankgemeldet hatte. Zwar trudelte nach einem Monat die Kündigung ohne Begründung, doch hatte für einen Monat Geld. Ich bewarb mich zwischenzeitlich erneut bei Nestle auf eine andere Position in einer anderen Stadt. Allerdings für den nächsten Monat. Für zwei Tage Arbeit, hatte ich für zwei Monate Geld ohne zu arbeiten, vorgesorgt. Mit dem ersten Lohn bezahlte ich die Hälfte des Kredites ab und mit dem zweiten Monatslohn, die andere Hälfte. Vielen Dank Nestle für meine Ausbildung zum Hypnosetherapeuten!

Während ich meiner Nebenbeschäftigung dem Schlossknacken nachkam (schon mit 15 faszinierten mich Schlösser aller Art) und mich darin von der Couch aus übte, schneller zu werden, weil mir’s langweilig war, klingelte mein Handy. „Hier ist die Baronin von … „ sprach es aus dem Lautsprecher. Meine Sinne waren aufs höchste angespannt. „Ich würde gerne einen Termin bei ihnen wahrnehmen. Hätten sie heute Zeit?“


Nach dem ich die Baronin von …, die von einen düsteren Geist überwältigt war, am selben Tag im Traumschlaf versetzte und sie in einen Märchenwald zu führen vermochte, fühlte sie sich beim Aufwachen wie neugeboren, frisch, jung, befreit, wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Überglücklich wie sie war, so sah ich sie, und so sah sie sich selbst, sagte ich ihr, die erste Sitzung sei ein Geschenk meinerseits an sie. Sie sah mich stillschweigend an und lächelte weiterhin glücklich und zog aus ihrem Geldbeutel einen 1000 € Schein uns sagte: „Das ist ein Geschenk von mir an sie.“ Ich nickte stillschweigend und fand durch sie den Preis für den Wert meiner Sitzung, die 1 Stunde Arbeit am Tag betrug. Wir machten für den Monate 7 weitere Termine aus, sie wollte 10 Termine haben. Ich hielt das für zu viel Arbeit und konnte auf 7 herunterhandeln. In den folgenden Jahren meiner Tätigkeit machte ich nie mehr als 10 Sitzungen im Monat. Die Frau Baronin von … brachte gar ihre Tochter zu mir, gar mal ihre Freundin, sie hatte ja Freundinnen. Aber wie gesagt: nie mehr als 10 Sitzungen im Monat. Zwar waren 10 Stunden im Monat für die Arbeit verschwendet. Aus Spaß bewarb ich mich nochmals bei Nestle und in den nächsten Jahren immer mal wieder. Ich blieb natürlich der Arbeit bei Nestle fern. Mittlerweile habe ich in den Jahren 100 Kündigungen von Nestle angesammelt. Das Geld von Nestle für je 1 Monat „Arbeit“, ehe die Kündigung kam, spendete ich nach Afrika, ehe ich einmal selbst mit einem Geldkoffer nach Afrika flog und es einem Häuptling eines Stammes in die Hände drückte und ihm sagte, er könne damit machen was er will. Es waren damals 20.000 Euro.  Heute kann ich nur 9999 Euro ins Ausland bar mitnehmen. Der wollte das Geld verbrennen, weil er meinte, dass sei Papier. Ich nahm den Koffer und ließ einen Lehrer dort einstellen, der in einer Hütte, die auch gebaut wurde, den 10 Kindern lesen und schreiben beibringt. Ich überweise jeden Monat 1000 Euro dem Lehrer sein Gehalt und für die 10 Kinder soll er von 500 Euro Stifte, Hefte, Blöcke, Bücher etc kaufen. Dem Stamm spende ich auch nochmal 200 Euro pro Monat. Die Kinder sind heute erwachen und die Hälfte davon studieren in aller Welt. Niemand weiß, dass ich sie unterstützt habe, der Lehrer kennt auch meinen Namen nicht, nur mein Synonym.

So jetzt muss ich los: gleich kommt die Baronin von  … um 10 Uhr. Sie ist immer pünktlich


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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (23.09.22, 11:17)
Ja, Sidney Lumet! (Sorry, weiter habe ich nicht gelesen).
The Verdict ist mir leider unbekannt, ich fand Before the devil knows you are dead von 2007 klasse.

Kommentar geändert am 23.09.2022 um 11:17 Uhr

 Augustus meinte dazu am 23.09.22 um 19:34:
Fand ich auch klasse.

 Regina (23.09.22, 12:16)
Eher ne Groteske als ein Tagebuch. Solche Angebote gibt es ja zuhauf, wo man mir nichts, dir nichts, ein passives oder fast passives Einkommen erzielen kann, während Ausbildung und Studium sich finanziell nicht mehr lohnen.

 Augustus antwortete darauf am 23.09.22 um 19:35:
Danke für die Empfehlung. Bald mehr aus meinem Leben!

 Dieter_Rotmund (24.09.22, 08:30)

Ich fand etwas wozu ich 2 Tage brauchte. Ich nahm nach dem ich gerade mal so den Hauptabschluss geschafft hatte, teil an einer Ausbildung



Der geringe Bildungsgrad deines Ich-Erzählers soll sich auch in den schlechten sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten widerspiegeln?
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