Ich gestehe, dass ich parteiisch bin

Text zum Thema Politik

von  nadir

Ich gestehe, dass ich parteiisch bin und schon in der Auswahl meiner Quellen einseitig. Ich gestehe, dass ich mir selten zu irgend einem Thema eine Studie oder einen Artikel im Original durchlese, sondern immer nur über die Vermittlung einer zweiten Partei und ich gestehe außerdem, dass ich dennoch zu allen Themen eine Meinung habe und anderen gerne das vorwerfe, was ich selber nicht leisten kann, weil ich zu faul dafür bin. Ich gestehe, dass ich, sobald ich verstanden habe, was jm. sagen will schon zustimme oder widerspreche, obwohl ich mir noch gar keine Gedanken darum gemacht habe warum ich das eigentlich tue, geschweige denn über das Thema selbst.


Ich gestehe, dass es mir extrem leicht fällt intellektuell und abstrakt anzumerken, dass ich wahrscheinlich sieben Bretter vor dem Kopf habe, von denen ich acht nicht sehe, dass es aber nicht ins Herz sinkt und erst recht nicht in mein Verhalten. Ich gestehe, dass ich mich gerne mit dem solidarisiere was schlecht wegkommt und dass ich dazu neige oppositionelle Meinungen zu glorifizieren, weil ich keine Autoritäten akzeptieren kann. Ich gestehe, dass ich Hunde manchmal nur deshalb liebe, damit ich auf das schlechte Verhalten ihrer Besitzer hinweisen kann. Ich gestehe, dass ich manchmal eine perverse Lust im hintersten Winkel meines Herzens empfinde, wenn ich Menschen darauf hinweise, dass wir nur Trockennasenaffen in der Untergattung der Schmalnasenlippenaffen in der Obergattung der großen Menschenaffen sind.


Ich gestehe, dass ich weiß, dass die meisten Menschen nur deshalb nicht glauben, dass die Medien einseitig und unfair berichten, weil sie die Meinung, die in den Medien nicht oder nur abgewertet vorkommt für schwachinnig oder gefährlich halten und das ich es ihnen trotzdem vorwerfe. Ich gestehe, dass mich Wahrheit eigentlich nur in der Naturwissenschaft wirklich interessiert und das die Motive für die meisten meiner Überzeugungen so trivial und streckenweise erschreckend sind, dass ich sie die meiste Zeit über verdränge.


Ich gestehe, dass ich davon überzeugt bin, dass meine Ansichten besonders klug sind und unbedingt gehört werden müssen. Ich gestehe, dass ich meine eigenen moralischen Überzeugungen für die besten halte und nicht einmal in der Lage bin das wirklich in Frage zu stellen, so sehr ich mich auch bemühe. Ich gestehe, dass ich Leute gerne für Klug halte, wenn sie mir zustimmen. Ich gestehe, dass mich vieles von dem antreibt, dass ich anderen so inbrünstig vorwerfe, sei es nun Wut, Neid, Irrationalität oder Verachtung und ich gestehe, dass ich Sklave dieser Gefühle bin.


Ich gestehe, dass ich die meiste Philosophie für Schwätzerei halte  und dennoch gerne über sie rede, weil andere es für klug halten. Ich gestehe, dass ich gerne sarkastisch gegenüber Leuten reagiere, weil ich sie damit auf geistreiche Art erniedrige und mich über sie stelle. Ich gestehe, dass ich manchmal zynisch reagiere um zu verdecken, dass mich eine Sache zutiefst verletzt hat. Ich gestehe, dass ich weiß, das ich mich ständig belüge aber genau an dem Punkt, an dem ich ehrlich sein müsste, abbreche und mich etwas anderem zuwende. Ich gestehe, dass ich die Rache nur als Gedanken ablehne wenn ich mit anderen rede, aber eigentlich sehr schätze und es mich im Stillen nicht einmal stört.


Ich gestehe, dass ich die Urteilsfähigkeit der meisten Menschen derart in Frage stelle, dass ich ihnen vorzuschreiben suche mit was sie sich beschäftigen sollen, indem ich sage dieses oder jenes sei "gefährlich". Ich gestehe, dass ich Positionen manchmal ablehne, weil mir die Leute, die sie vertreten, nicht in den Kram passen. Ich gestehe, dass ich so gerne recht behalte und intelligent dastehen möchte, dass ich hautsächlich mit Menschen auseinandersetze, die man als "tiefhängende Früchte" bezeichnen muss und das ich trotzdem so tue als habe ich nicht eine dumme Variante einer Position widerlegt, sondern die Position selbst.


Ich gestehe, dass ich bei Positionen, mit denen ich in der Opposition stehe, schnell in die Extreme dieser Position abrutsche. Ich gestehe, dass ich dazu tendiere die Probleme die mein Gegner anspricht schnell als nichtexistent abzutun, während ich jene, die mir persönlich problematisch erscheinen, schnell als die größten Probleme unserer Zeit wahrnehme, weil dann der Kampf gegen sie besonders bedeutsam ist. Ich gestehe, dass ich so gerne recht habe, dass ich dafür manchmal die Wahrheit über den Haufen werfe. Ich gestehe auch, dass ich nachdem ich diesen Text geschrieben habe genau so weiter machen werde wie zuvor. Mit anderen Worten: Ich gestehe das ich ein Mensch bin. Und du?



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Kommentare zu diesem Text


 niemand (16.12.22, 11:46)
Die Überschrift spricht mich total an und ich glaube, dass jeder Mensch parteiisch ist. Im grunde genommen hast Du das Wesen Mensch sehr gut eingefangen, so dass ich mich in sehr Vielem davon wiedererkenne. Dass ich mich nicht in Allem wiedererkenne, liegt aber nicht daran, das ich mich als besser einschätze, sondern einiges kommt nicht so in mein Inneres (z.B. die Stelle warum man Tiere, hier Hunde liebt). Dennoch erkenne ich meine Widersprüchlichkeit in so manchem. Etwas worüber ich fortdauernd stolpere :(
und von dem ich mich nicht befreien kann. Tja, das Elend des Spezies Mensch eben. Wäre das nicht so vorhanden, die Welt sähe vielleich halb so schlimm aus, denke ich. Dein Text ist aber gut!

LG niemand

Kommentar geändert am 16.12.2022 um 11:47 Uhr

 nadir meinte dazu am 20.12.22 um 04:27:
Danke niemand :) Du hast exakt begriffen, worum es mir ging.


Wäre das nicht so vorhanden, die Welt sähe vielleich halb so schlimm aus, denke ich
 Genau das :)


LG
nadir

 AZU20 (16.12.22, 12:10)
Ein irres Geständnis. Bravo. LG

 nadir antwortete darauf am 20.12.22 um 04:28:
Danke dir AZU20 :)

Und auch, dass du meine Texte so konstant empfiehlst, dankeschön:

LG
Patrick
Taina (39)
(16.12.22, 12:57)
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 nadir schrieb daraufhin am 20.12.22 um 04:29:
Ja, ein wenig unfair ist das schon, aber es trifft nun mal auf jeden zu, dass er auf irgendeine Art parteiisch ist, darauf wollte ich ja hinaus.
Taina (39) äußerte darauf am 20.12.22 um 06:00:
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 nadir ergänzte dazu am 20.12.22 um 19:38:
Das wollte ich auch nicht sagen. Ich hatte die Diskussionen auf einer anderen Literaturplattform verfolgt und war einfach entsetzt darüber, das jeder die absolute Wahrheit zu besitzen schien und alle anderen notwendigerweise Vollidioten sind, wenn sie widersprechen.

Antwort geändert am 20.12.2022 um 19:38 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 20.12.22 um 20:37:
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 Terminator (16.12.22, 23:53)
Mit anderen Worten: Ich gestehe das ich ein Mensch bin. Und du?
Warum verallgemeinerst du eine besondere charakterliche Disposition und unterstellst sie jedem? Manches davon macht fast jeder, und dafür die 90% des Aufgezählten gar nicht.


Hier trifft, weil das Thema Politik ist, das Meiste am Stück auf den sogenannten Gutmenschen linksliberaler Provenienz zu. Auch eine typisch kleinbürgerliche Haltung ist größtenteils repräsentiert. Sozialpsychologisch betrachtet, versteckt sich der Gamma in der soziosexuellen Hierarchie der Männer angesichts dieses Textes unter einer feministischen Schürze, um mit seinem Gesichtsausdruck das Ertapptsein nicht zu gestehen.

Ansonsten sind die genannten Verhaltensweisen kulturell und sozial zu spezifisch, um menschlich-allzumenschlich zu sein.

Aber ich gestehe auch, dass ich ein Mensch bin:

• Ich bin faul, und ich weiß es, halte mich aber für fleißiger und gewissenhafter als andere
• Ich halte mich für überdurschnittlich in all den Bereichen, wo es objektiv keinen Anlass dafür gibt
• Ich halte all das, worin meine Stärken liegen, für wichtiger als all das, was ich schlecht kann (und werte den Rest gern ab, indem ich sage: "Ich bin intelliegent und geistreich, dafür können andere besser Tango tanzen". Aber nein, sie können auch 1000 andere Sachen besser, die wichtig und bedeutend sind.)
• Ich schaue mir schöne Gesichter lieber an als hässliche
• Ich schreibe schönen Menschen positive Eigenschaften zu, um meine Oberflächlichkeit bezüglich Sympathie/Antipathie zu rechtfertigen
• Ich mag Bestätigung lieber als Widerspruch
• Ich neige dazu, emotional-Persönliches ins rational-Politische zu übertragen und sehe meine Interessen gern als alternativlose Gebote, die jeder befolgen sollte, während ich hinter echten Bedürfnissen der anderen egoistische Interessen vermute

 nadir meinte dazu am 17.12.22 um 01:01:
Klaro: manches davon trifft nicht mal auf mich zu. Darum ging es mir aber nicht, sondern darum, dass wir alle immer parteiisch sind, wo oder warum auch immer und das man sich dessen bewusst werden sollte. Dann würde sich schon der Ton, in dem wir miteinander sprechen ändern. Um die einzelnen Inhalte geht es eigentlich nicht. Wer sich selbst und andere nicht versteht ist nicht nur anfällig für jeden scheiß, den andere ihm andrehen wollen und nicht nur einer der Gründe dafür, dass die Geschichte ein derartiger Müllhaufen ist, er wird auch als Individuum nicht glücklich werde. 

Hieltest du es für sinnvoller, wenn ich die Frage am Ende umformuliere in einen Satz, der deutlicher macht, dass es darum gehen soll, dass jeder persönlich in sich geht?

 Terminator meinte dazu am 17.12.22 um 01:34:
Auf die Formulierung des Satzes bin ich gespannt. Einerseits soll ja nicht nur pauschal gesagt werden, dass kein Mensch nicht perfekt ist, und andererseits soll sich nicht jeder in etwas wiedererkennen sollen, worin er sich nicht wiedererkennen kann, weil seine Fehler  andere sind. Das menschliche Fehlverhalten ist vielfältig.

Ein Beispiel:

Ich gestehe, dass ich die Urteilsfähigkeit der meisten Menschen derart in Frage stelle, dass ich ihnen vorzuschreiben suche mit was sie sich beschäftigen sollen, indem ich sage dieses oder jenes sei "gefährlich".
Ich kenne einige, die so etwas grundsätzlich nie sagen würden. In deren Augen wäre es abscheulich, anderen vorzuschreiben, womit sie sich (nicht) beschäftigen dürfen. Und ich kenne einen, der das ständig macht, und der z. B. jemanden ohne Argument verurteilt, der einen als rechts verpönten Denker liest. Und nun liest einer der Ersteren deinen Text und sagt sich (zurecht): "So bin ich gar nicht, was soll das! So sind Leute, die ich nicht ausstehen kann!" Natürlich wird er nicht "gestehen", "ein Mensch zu sein", weil solches Verhalten für ihn nicht zum Menschsein gehört, sondern für ihn gerade etwas Unnatürliches ist, was er nicht einmal nachempfinden kann.

 nadir meinte dazu am 17.12.22 um 01:50:

Auf die Formulierung des Satzes bin ich gespannt. Einerseits soll ja nicht nur pauschal gesagt werden, dass kein Mensch nicht perfekt ist, und andererseits soll sich nicht jeder in etwas wiedererkennen sollen, worin er sich nicht wiedererkennen kann, weil seine Fehler   andere sind. Das menschliche Fehlverhalten ist vielfältig.


Du hast absolut recht! Ich überlege mal.

Dein Beispiel ist übrigens ein Punkt, der auf mich selber nicht zutrifft, den ich aber immer wieder beobachte und deshalb mit hineingenommen habe.

 AngelWings (20.12.22, 19:26)
Ich bin Parteilos gehöre keine Stoff Puppen an🤣! Ich gehöre zum Troll Gemeinschaft! 🤣 Die Denker und aufwacher! Ostherzkampfer! 
Ein Team!

 AngelWings (20.12.22, 20:49)
Man muss auch Meinung respektieren, auch der anderen. 

Und nicht andere verurteilen, weil sie keine Mitläufer sind und jede Partei gut finde. 

Ich habe nicht davon mich an Partei zu hängen! 

Wo Menschen wichtig sind, und unser Kinder. Regierung hat nie Menschen geholfen, eher Menschen krank gemacht. Guck die an Rentner an die um Leben kämpfen. Oder guckt Obdachlose, die keine Lebensmittel mehr bekommen, weil sie Hilfe ausbleibt.. Und Hartz-IV-Empfänger die nicht weiter wissen, weil sie Storm, Heizkosten selber auf kommen müssen, oder wegen Krankheit noch eine Sanktionen starf bekommen, weil Häkel und aus Mal Maßnahmen verweigern. 

Regierung nutze uns Menschen aus, so jetzt habe es mal geschrieben. Könne ihr wieder beleidigen und Mobbing aus üben.

 nadir meinte dazu am 20.12.22 um 21:13:
Ich hab nicht vor irgendjemanden zu mobben ... kann es sein, dass du den Text falsch verstanden hast?

 AngelWings meinte dazu am 20.12.22 um 21:47:
Habe ich geschrieben, das du Mobbing. Es es alle gemeine, gemeinte. Es immer wieder Persönlichkeiten die es tun.

Antwort geändert am 20.12.2022 um 21:47 Uhr
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