Eine zivile Gesellschaft mit Militär, aber ohne Militarismus - Essay

Gedanke zum Thema Politik

von  pentz

„Um den Frieden zu bewahren, musst du dich auf den Krieg vorbereiten.“

Dieser lateinische Satz ist aktueller denn je ins Bewusstsein der westlichen Bevölkerung gedrungen. Es scheint unvermeidbar, aufzurüsten, um nicht von Russland überfallen, unterdrückt und in Knechtschaft gehalten zu werden.


Wie kann es aber gelingen, einen ausgewogenen Militarismus zu installieren? Einen demokratiegerechten!? Dieses Unterfangen wird entscheidend sein, wie die Zukunft unserer zivilen Gesellschaft aussehen wird, ja, ob die Demokratie überlebt.


Die deutsche Geschichte ist kennzeichnend dadurch, dass ihr dies nicht gelungen ist, eine funktionierende Demokratie aufrechtzuerhalten, denn das Militär hat seine unguten Spuren in der Zivilgesellschaft hinterlassen, als es längst überflüssig und obsolet geworden war. („S. 378 ff. Kapitel: „Die vorbelastete Republik.“ in „Der lange Weg nach Westen.“ Deutsche Geschichte. Winkler, H. A. München 2000.)


Lassen wir noch einmal die Geschichte Revue passieren.

Als es im Obergeschoss der Gesellschaft, im Gebälk des Kaiserreichs ächzt und rumpelt, tritt eine Reichsminister Bismarck in die Bresche und lässt die Franzosen ins Messer laufen, indem er eine französische Depesche falsch wiedergeben lässt und die Franzosen darauf zur Kriegserklärung drängt. Der Krieg 1870/71 Deutschland/Frankreich bricht aus. Das bedrohte deutsch-feudale Regime ist es zufrieden, der Druck nach innere Reformen wird in heiße Luft nach außen gelassen mit Forderungen, die bösen Franzosen in die Knie zu zwingen, eine Aufgabe, die die nationale Einheit realisiert. [Stichwort Emder Depesche. Frieda von Richthofen. Lucas, Robert. S. 14] (In der Geschichtsschreibung sagt man: Eine deutsche Nationalwerdung sei nur als Gegenentwurf anderer entstanden, ein glorreiche wie die der Franzosen mit Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit-Doktrin gab es hier nicht; höchstens vielleicht in den Rassenwahn der Nazis, denke ich).

Kaiser Wilhelm der Zweite bricht als nächster den Stab, ein Adliger höchstselbst, und fordert den Krieg heraus. Er schwafelt dabei etwas von wegen damit in der Welt kein Deutscher sich mehr zu schämen hat. Sogar die ehemals als vaterlandslosen Gesellen geschmähten SPD-ler stimmen den Kriegsanleihen zu.

Interessant ist, dass der Erste Weltkrieg ohne ersichtlichen Grund entstand. Die Beteiligten selbst äußern sich dazu, dass sie gar nicht wüssten, wie es so weit hat kommen können.


*


Oder man nimmt sich für die zukünftige militarisierte, unvermeidliche Gesellschaft westlicher Prägung hierzulande ein Vorbild bei den Engländer, bei denen im II. Weltkrieg Heldenverehrung verpönt war. Die Folge war kurioserweise, dass trotzdem Heldenverehrung allerdings von einem Feind entstand: einem deutschen Piloten. „Flugpilot Richthofen.“


Was ist aber und wie entsteht der verwerfliche soldatische Hochmut?

Der Soldat setzt sein Leben aufs Spiel. Um diese Beeinträchtigung seines Daseins, der Druck auf seine Selbsterhaltungstrieb zu kompensieren, ist er stolz darauf. Dieser Stolz wird anderen als demütigender Hochmut präsentiert.

Es ist aber „nur“ eine Option.

Aber obwohl er noch nicht sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, tut er so, als hätte er es schon getan und leidet damit einen privilegiertes Status gegenüber den Zivilisten ab: Hochmut in reinster Form.

Dass zum Beispiel ein gewisser Verteidigungsminister Boris Pretorius auch in diese Kerbe schlägt und von „stolz“ schwafelt, ist bedauerlich und Hohn. Es erstaunt, das jemand, der als Berufspolitiker aus der Zivilgesellschaft sich so schnell zu solch Tun verleiten und verführen lässt.

Es muss aber gelingen, eine militärisch-wehrhafte deutsche Demokratie und Zivilisation zu installieren und aufrechtzuerhalten, ohne diese Hybris und Arroganz des militärischen Benehmens der Soldaten gegenüber der zivilen Bevölkerung zu entwickeln, wie es einst so typisch deutsch gewesen war. Die Engländer konnten es schließlich auch.


Öffentliche Rekrutengelöbnisse, Ordensverleihungen und militärische Aufmärsche – in aller Öffentlichkeit, in den Nachrichten öffentlicher Anstalten des Fernsehens – wir werden überschüttet und sollen verführt werden. Vor allem letzteres, die wie balettartige Choreographien wirken und beeindruckend sind: Menschenleiber, die in Reih und Glied agil nach einer imaginären Musik stanzen und tanzen – wollen die Menschen verzaubern.

Der Zauber könnte sich als bösartig herausstellen!

Er muss gelingen, ihn zu verhindern!!!




Anmerkung von pentz:

ein Essay

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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (18.10.25, 17:45)
Interessant ist, dass der Erste Weltkrieg ohne ersichtlichen Grund entstand.

Das ist so nicht korrekt. Da Frankreich und Rußland miteinander verbündet waren, mußte Deutschland einen Zweifrontenkrieg einkalkulieren. Dafür hatte man sich den Schlieffen-Plan ausgedacht. Dieser sah vor, im Kriegsfalle zunächst Frankreich in sechs Wochen zu besiegen und dann die Truppen an die Ostfront zu verlegen, wo man damit rechnete, daß Rußland für seine Kriegsvorbereitungen eben diese sechs Wochen benötigen würde. Auf diese Weise hätte man den Zweifrontenkrieg in zwei Einfrontenkriege umgewandelt, so daß man eine Chance hätte, den Krieg überhaupt zu gewinnen.
Als im Zuge der Serbienkrise Rußland die Generalmobilmachung verkündete, begann - ohne daß Rußland dies bewußt gewesen wäre, denn der Schlieffenplan war selbstverständlich geheim - für Deutschland die Sechswochenfrist zu laufen. 
Nun "mußte" Deutschland Frankreich den Krieg erklären und angreifen - damit auch Rußland; andernfalls wäre der Plan - der einzige, den man hatte - nicht mehr zu realisieren gewesen.

Ein schönes Beispiel dafür, wie aus einem klugen Plan beim Hinzutreten unvorhergesehener Umstände ein Zwang zu einem Krieg werden kann.

Es kam dann hinzu, daß man Frankreich nur dann in sechs Wochen zu besiegen hoffen konnte, wenn man die französischen Befestigungen mit einem Marsch durch das neutrale Belgien umging. Dieser Überfall auf ein neutrales Land wiederum führte zur britischen Kriegserklärung an Deutschland - womit man überhaupt nicht gerechnet hatte.

So hatten sie im August 1914 alle ihren Kriegsgrund; aber die Fehlkalkulation lag auf deutscher Seite.

***

Vielleicht kann man das ewige "Si vis pacem, para bellum", das aus der Antike gar nicht überliefert ist, einmal variieren durch einen Spruch, der tatsächlich antik ist:

Nec ego pacem nolo, sed pacis nomine bellum involutum re-formido. quare, si pace frui volumus, bellum gerendum est; si bellum omittimus, pace numquam fruemur.

Es ist nicht so, daß ich den Frieden nicht wollte, aber mir graut vor einem mit dem Wort „Frieden“ verbrämten Kriege. Wenn wir also echten Frieden wollen, dann müssen wir Krieg führen; können wir uns dazu nicht entschließen, werden wir niemals in den Genuß echten Friedens gelangen.

[Marcus Tullius Cicero: Philippische Reden VII 6, 19]

 LotharAtzert meinte dazu am 19.10.25 um 10:00:
Das ist so nicht korrekt.
Ist dieser Kommentarsanfang nicht genau genommen schon der Beginn späterer Kriegserklärung? - Nie ist was korrekt unter Menschen, aber Du weißt es besser und lieferst die Belege und jetzt umarmen wir uns alle? 
Wenn wir also echten Frieden wollen, dann müssen wir Krieg führen; können wir uns dazu nicht entschließen, werden wir niemals in den Genuß echten Friedens gelangen.
Das ist nicht nur von Cicero so gesagt, auch Buddha sprach ähnlich. Nur sprach er nicht von "wir", denn jeder muß bei sich beginnen und daran haperte es in der Vergangenheit, hapert es gegenwärtig, hapert es in der Zukunft, weil Gier, Haß und Verblödung "die Welt" verkörpern. Und komme mir bitte nicht mit "Korrektheit", lieber Graeculus, das ist auch nur eine todbringende Waffe in falschen "Wir"-Händen, Taurus, der Stier, die Ab-Wehr jaja.

 an pentz
Wie kann es aber gelingen, einen ausgewogenen Militarismus zu installieren? Einen demokratiegerechten!?
Ob eine Demokratie gerecht sein kann, ist nicht geklärt, um so irriger wirkt das "demokratiegerecht".
Die einzige kurzfristige Möglichkeit sehe auch ich in der Wiedererherstellung eines Gleichgewichtes, was bis Gorbatschow ja auch leidlich funktioniert hat. Heute, wo überall Psychopathen (teilweise sogar gewählt) an der Macht sind, ist das mit viel Aufwand und natürlich Verarmung der Bevölkerung immerhin möglich.
Der wahre Krieg sollte im eigenen Inneren stattfinden. Wo er nicht angenommen wird, wird halt äußerlich massakriert.

Antwort geändert am 19.10.2025 um 10:02 Uhr

 Beislschmidt (18.10.25, 18:03)
Danke für den guten Text.


Der Zauber könnte sich als bösartig herausstellen!

Er muss gelingen, ihn zu verhindern!!!


Es muss gelingen....


Wie kann eine komplette Generation nur in kurzer Zeit derart verblöden, frage ich mich.
Beislgrüße 

 S4SCH4 (18.10.25, 21:50)
Stolz und Heldenmut akzeptiere ich und würde es (im Krieg) nicht "verwerflich" nennen. Warum? Es geht ums Leben, das eigene, das anderer. Es leuchtet mir ein, dass dann alle möglichen EMotionen hochkommen und es sich nur bedingt verarbeiten ließe. Ich denke es ist einfach nicht menschlich ohne sowas auszukommen. Irgendwo muss es ja hin, nur weil ein Gros sich als emotionale Mitteler bzw. Nichtgegenständliche darstellen (können), heißt es nicht, dass diese Dinge keine ehrliche Bedeutung haben. Trifft auch für Zeremonien zu. Überspitzt frage ich mich: Muss erst ein Krieg geschehen, damit man diese Sachen wieder Ernst nehmen kann?
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