Der ungeliebte Freund
Anekdote zum Thema Erinnerung
von Graeculus
Kommentare zu diesem Text
Hallo Graeculus,
ich bin berührt von dieser melancholisch-elegischen Anekdote, von denen es nicht viele gibt.
Hat sie aus deiner Sicht eine Pointe?
ich bin berührt von dieser melancholisch-elegischen Anekdote, von denen es nicht viele gibt.
Hat sie aus deiner Sicht eine Pointe?
Pointe? Vergeblichkeit und Vergänglichkeit. Zwei wichtige Elemente der condicio humana.
Eine ganze Epoche gründete sich darauf, das Barock.
Das stimmt. Und ich lese das auch gerne.
Was mir - bildungsgeschichtlich später - aufgefallen ist: wieviel davon schon in der Antike, speziell in der Spätantike ausgedrückt worden ist. Kennst Du den spätantiken Dichter Palladas? Darf ich Dir einige seiner Gedichte, überliefert in der Anthologia Graeca, vorstellen? Einiges davon paßt auch zu Deinen Aphorismen über den Tod. Vom Lebensgefühl her erscheint es mir geradezu als ein Protobarock.
Was mir - bildungsgeschichtlich später - aufgefallen ist: wieviel davon schon in der Antike, speziell in der Spätantike ausgedrückt worden ist. Kennst Du den spätantiken Dichter Palladas? Darf ich Dir einige seiner Gedichte, überliefert in der Anthologia Graeca, vorstellen? Einiges davon paßt auch zu Deinen Aphorismen über den Tod. Vom Lebensgefühl her erscheint es mir geradezu als ein Protobarock.
Ich bin sehr gespannt auf diese Gedichte.
Sehr gerne! Ich liebe diesen melancholischen Palladas.
[Anthologia Graeca XV 20]
[Anthologia Graeca X 58 f.]
[Anthologia Graeca X 45]
Nach der Zerstörung des Serapeums in Alexandria durch die Christen schrieb der trauernde Heide Palladas:
[Anthologia Graeca X 82]
Das Leben ein Traum - der Traum ein Leben, hier steht es schon.
Σιγῶν παρέρχου τὸν ταλαίπωρον βίον
αὐτὸν σιωπῇ τὸ χρόνον μιμούμενος.
λαθὼν δὲ καὶ βίωσον, εἰ δὲ μή, θανών.
Geh schweigend durch des Lebens Widerwärtigkeit
und mach‘s genau so, wie die Zeit es macht: schweig still!
Leb unbemerkt! Und geht das nicht, stirb unbemerkt!
αὐτὸν σιωπῇ τὸ χρόνον μιμούμενος.
λαθὼν δὲ καὶ βίωσον, εἰ δὲ μή, θανών.
Geh schweigend durch des Lebens Widerwärtigkeit
und mach‘s genau so, wie die Zeit es macht: schweig still!
Leb unbemerkt! Und geht das nicht, stirb unbemerkt!
Γῆς ἐπέβην γυμνὸς γυμνός θ‘ ὑπὸ γαῖαν ἄπειμι.
καὶ τί μάτην μοχθῶ γυμνὸν ὁρῶν τὸ τέλος;
Nackt einst kam ich zur Welt, und nackt einst fahr ich zur Grube:
Seh ich das Ende so nackt – soll ich umsonst mich bemühn?
Προσδοκίη θανάτου πολυώδυνός ἐστιν ἀνίη.
τοῦτο δὲ κερδαίνει θνητὸς ἀπολλύμενος.
μὴ τοίνυν κλαύσῃς τὸν ἀπερχόμενον βιότοιο.
οὐδὲν γὰρ θανάτου δεύτερόν ἐστι πάθος.
Die Erwartung des Todes ist ständige Qual und Betrübnis;
frei von dieser jedoch ist der gestorbene Mensch.
Drum beweine nicht den, der fort aus dem Leben gegangen:
nach dem Tode geschieht keinem ein weiteres Leid.
καὶ τί μάτην μοχθῶ γυμνὸν ὁρῶν τὸ τέλος;
Nackt einst kam ich zur Welt, und nackt einst fahr ich zur Grube:
Seh ich das Ende so nackt – soll ich umsonst mich bemühn?
Προσδοκίη θανάτου πολυώδυνός ἐστιν ἀνίη.
τοῦτο δὲ κερδαίνει θνητὸς ἀπολλύμενος.
μὴ τοίνυν κλαύσῃς τὸν ἀπερχόμενον βιότοιο.
οὐδὲν γὰρ θανάτου δεύτερόν ἐστι πάθος.
Die Erwartung des Todes ist ständige Qual und Betrübnis;
frei von dieser jedoch ist der gestorbene Mensch.
Drum beweine nicht den, der fort aus dem Leben gegangen:
nach dem Tode geschieht keinem ein weiteres Leid.
Wenn dich der Stolz überkommt, dann wird dich wohl eine Erinnerung
heilen, o Mensch: bedenk, wie dich dein Vater gezeugt.
Der phantasierende Platon gab Hochmut ins Herz dir, er hat dich
einen Unsterblichen und „himmlische Pflanze“ [φυτὸν οὐράνιον] genannt.
„Dich, einen Kloß nur aus Lehm, ergreifet der Dünkel?“ so könnte
einer mit blendendem Schein schön es verhüllend gestehn.
Willst du die Wahrheit jedoch, dann merk dir, dein Dasein verdankst
du
nur einem geilen Gelüst und einem schmutzigen Saft.
[εἰ δὲ λόγον ζητεῖς τὸν ἀληθινόν, ἐξ ἀκολάστου
λαγνείας γέγονας καὶ μιαρᾶς ῥανίδος.]
heilen, o Mensch: bedenk, wie dich dein Vater gezeugt.
Der phantasierende Platon gab Hochmut ins Herz dir, er hat dich
einen Unsterblichen und „himmlische Pflanze“ [φυτὸν οὐράνιον] genannt.
„Dich, einen Kloß nur aus Lehm, ergreifet der Dünkel?“ so könnte
einer mit blendendem Schein schön es verhüllend gestehn.
Willst du die Wahrheit jedoch, dann merk dir, dein Dasein verdankst
du
nur einem geilen Gelüst und einem schmutzigen Saft.
[εἰ δὲ λόγον ζητεῖς τὸν ἀληθινόν, ἐξ ἀκολάστου
λαγνείας γέγονας καὶ μιαρᾶς ῥανίδος.]
Nach der Zerstörung des Serapeums in Alexandria durch die Christen schrieb der trauernde Heide Palladas:
Ἄρα μὴ θανόντες τῷ δοκεῖν ζῶμεν μόνον,
Ἕλληνες ἄνδρες, συμφορᾷ πεπτωκότες,
ὄνειρον εἰκάζοντες εἶναι τὸν βίον;
ἢ ζῶμεν ἡμεῖς τοῦ βίου τεθνηκότος;
Sind wir nicht tot und bilden uns nur ein zu leben,
wir Griechen, die wir tief ins Unglück sanken, und
im Traume bloß das Leben sahen? Oder leben
wir selber zwar - indes das Leben unterging?
Ἕλληνες ἄνδρες, συμφορᾷ πεπτωκότες,
ὄνειρον εἰκάζοντες εἶναι τὸν βίον;
ἢ ζῶμεν ἡμεῖς τοῦ βίου τεθνηκότος;
Sind wir nicht tot und bilden uns nur ein zu leben,
wir Griechen, die wir tief ins Unglück sanken, und
im Traume bloß das Leben sahen? Oder leben
wir selber zwar - indes das Leben unterging?
Das Leben ein Traum - der Traum ein Leben, hier steht es schon.
Kannst Du damit etwas anfangen?
Gratias, Graeculus, ich kannte Palladas als Vorboten des Barock nicht. Freilich ist das Barock dichotomisch, indem der irdischen Vergänglichkeit das ewige Leben in Gott gegenübergestellt wird.
Das ist zutreffend, lieber Ekkehart - diese Antithese kommt bei Palladas nicht vor. Das heißt nicht, daß sie in der Antike nicht vorkäme, aber dann müßte man sich eher an Platon bzw., was die Spätantike angeht, an den Neuplatonismus halten.
Der Begriff "Protobarock" stammt übrigens von mir und ist nur ein spontan entstandener Eindruck. Ein Verdacht, sozusagen, und ich wollte wissen, ob er Dir einleuchtet.
Der Begriff "Protobarock" stammt übrigens von mir und ist nur ein spontan entstandener Eindruck. Ein Verdacht, sozusagen, und ich wollte wissen, ob er Dir einleuchtet.
Ich überlege gerade, ob man nicht die Epoche des Hellenismus als den Barock der Antike ansehen könnte.
Aus meiner Sicht fehlt das zweite Standbein, das religiöse.
Wir kommen um diesen Unterschied, die Transzendenz, nicht herum.
Danke für Deine Gedanken.
Danke für Deine Gedanken.
Taina (39)
(24.01.23, 18:07)
(24.01.23, 18:07)
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Er leider nicht. Und wenn das in Liebe aufeinandertrifft ...
Hallo Graeculus
Eine lebensnahe Geschichte, alltäglich und tragisch zugleich, die Realität der Liebe ist nicht unbedingt poetisch, d.h. nicht für alle. Ein Jüngling liebt ein Mädchen, doch die ...
Wenn es schon ein Literat sein muss (weil ein Rock-Star o.ä. nicht zur Verfügung bzw. Vergnügung steht), mögen die Damen wohl ohnehin eher den Bestseller-Autoren als einen verkrachten Poeten
Ich hätte H. und U. in der kurzen Erzählung dennoch einen Namen verpasst, den richtigen oder einen erfundenen, das müsste der Leser nicht unbedingt erfahren.
LG
Tula
Eine lebensnahe Geschichte, alltäglich und tragisch zugleich, die Realität der Liebe ist nicht unbedingt poetisch, d.h. nicht für alle. Ein Jüngling liebt ein Mädchen, doch die ...
Wenn es schon ein Literat sein muss (weil ein Rock-Star o.ä. nicht zur Verfügung bzw. Vergnügung steht), mögen die Damen wohl ohnehin eher den Bestseller-Autoren als einen verkrachten Poeten
Ich hätte H. und U. in der kurzen Erzählung dennoch einen Namen verpasst, den richtigen oder einen erfundenen, das müsste der Leser nicht unbedingt erfahren.
LG
Tula
Ja, der Geschmack der Damen ... aber ist der der Männer besser? Versager gelten allseits als unattraktiv.
Den Beteiligten fiktive Namen zu geben (wie Journalisten es oft tun), hätte ich in meiner Erinnerung an sie nicht als passend empfunden. Klarnamen hingegen wären mir zu indiskret erschienen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, daß Beteiligte oder deren Hinterbliebene das hier lesen, sehr gering ist.
Schon der Name, der sich hinter dem Initial H. verbirgt, ist altmodisch und war es damals bereits.
Den Beteiligten fiktive Namen zu geben (wie Journalisten es oft tun), hätte ich in meiner Erinnerung an sie nicht als passend empfunden. Klarnamen hingegen wären mir zu indiskret erschienen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, daß Beteiligte oder deren Hinterbliebene das hier lesen, sehr gering ist.
Schon der Name, der sich hinter dem Initial H. verbirgt, ist altmodisch und war es damals bereits.
Schimmel (60)
(02.02.23, 00:02)
(02.02.23, 00:02)
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Der Äther ist in seiner ursprünglichen Bedeutung die Himmelsluft. Gemeint ist daher etwas wie: mehr Geist als Körper.
Die Frauengestalten bei Edgar Allan Poe hatte ich ja noch als Bezug angegeben.
Die Frauengestalten bei Edgar Allan Poe hatte ich ja noch als Bezug angegeben.
Das Leben steckt voller Entscheidungen. Die meisten sind schlecht.
Mehr als 50 %. Deshalb sollte man überlegen, ob man sich nicht besser immer für das Gegenteil von dem entscheiden sollte, wofür man sich entscheidet.