Jung sein

Anekdote zum Thema Alter

von  Graeculus

Nach einem Treffen mit Freunden saß ich am ZOB in Pforzheim, um auf den letzten Bus nach Hause zu warten. Mit mir wartete eine Gruppe junger Leute, bestehend aus vier Mädchen und vier Jungen, alle etwa 18 Jahre alt. Sie waren eigenwillig gekleidet, was sie offenbar bewußt und mit einem bestimmten Geschmack gestaltet hatten. Auffallend waren dabei vor allem die Jungen, von denen einer Ketten an der Hose und ein anderer einen offenen Pelzmantel trug. Ob es sich um Ukrainer oder Russen handelte, kann ich nicht sagen, denn ich hörte lediglich „Da“ und „Njet“ heraus. Sie unterhielten sich fröhlich, lebhaft und rangelten auch ein bißchen miteinander herum, ohne irgendeine Feindseligkeit.

Der Bus kam, und wir fuhren eine längere Zeit miteinander durch den verschneiten Schwarzwald. Die Gruppe hatte sich ganz hinten hingesetzt, sodaß ich ihre Lebensfreude nur noch akustisch wahrnehmen konnte.

Ausgestiegen sind sie dann in Dennach. In Dennach! Da begriff ich, auf welch dünnem Eis sich diese Lebensfreude bewegte. Dennach steht noch zwei Stufen unter Dobel: kein eigenständiger Ort, kein Laden, keine Kneipe, nicht einmal eine Kirche. Aber ein Asylantenheim.

Dennach. Dennoch! Sie waren jung und in Fröhlichkeit vereint. Bob Dylan hat einmal in einem Lied, in dem er sich mit seinem Altern auseinandersetzte, die Verse gesungen: „All the young men / And the young women lookin‘ so good / I’d trade places with any of ´em / In a minute if I could.“

Besser jung in Dennach als alt sonst wo. „Da!“

Allerdings ist das Leben wenigstens in dieser Hinsicht gerecht: In 50 Jahren werden sie wehmütig auf junge Leute schauen.


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Kommentare zu diesem Text


 Redux (20.01.24, 17:52)
Die Anekdote gefällt mir. Sie beschreibt eine gewisse zeitlose Fröhlichkeit und Frische der Jugend, aber dann bist auch du als Betrachter, der noch jung genug ist und diese Fröhlichkeit wahrnehmen und betrachten kann .

 Graeculus meinte dazu am 20.01.24 um 22:59:
Jung genug, um das wahrzunehmen? Ja, das bin ich offenbar. Gibt es auch noch eine Lebensphase, in der man nicht einmal das mehr wahrnimmt? Oje!
Beeindruckt hat mich freilich auch, unter welchen Lebensumständen sie so fröhlich waren, denn welche Perspektive haben sie hier, als Fremde ... in Dennach? Du kennst den Ort sicher. Da sagen sich Fuchs und Hase "Gute Nacht".

 Redux antwortete darauf am 20.01.24 um 23:08:
Ich kenne diese Orte, in einem dieser tausend Orte
 wurde ich geboren.
Wichtig, die wesentlichen Dinge wahrzunehmen,  so wie die Freude dieser jungen Menschen

Antwort geändert am 20.01.2024 um 23:08 Uhr

Antwort geändert am 20.01.2024 um 23:09 Uhr

 Graeculus schrieb daraufhin am 21.01.24 um 18:14:
Laß es uns versuchen, ohne melancholisch oder gar neidisch zu werden.

 Mondscheinsonate (20.01.24, 18:02)
Wie glücklich Freiheit macht. Da ist alles andere nebensächlich. Die Freude und Unbeschwertheit der Jugend ist herzerfrischend, ich glaube, nur mit Lachen kann man Leid ertragen.

 Graeculus äußerte darauf am 20.01.24 um 23:03:
Daß sie frei sind, mag eine Rolle spielen; daran habe ich gar nicht gedacht. Frei von Krieg (falls es Ukrainer waren) oder frei von Diktatur (falls es Russen waren).
Als mir dann klar wurde, daß sie in diesem Dennach leben (müssen), da hatte ich das starke Gefühl, daß sie dennoch fröhlich sind ... oder zumindest irgendwelche Belastungen wenigstens für einen Abend ausblenden konnten.

 Saira (20.01.24, 19:30)
Lebensfreude, die in Freiheit gelebt wird. Eine schöne Anekdote.

Liebe Grüße
Sigrun

 Graeculus ergänzte dazu am 20.01.24 um 23:04:
Die Freiheit, ja. So gesehen hätte ich mich gerne mit ihnen unterhalten oder zumindest verstanden, wovon sie redeten.
Jedenfalls durch und durch sympathische junge Menschen.
Agnetia (66)
(20.01.24, 22:20)
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 Graeculus meinte dazu am 20.01.24 um 22:53:
Interessant! Was hast Du, falls die Frage nicht zu indiskret ist, für ein Gefühl, wenn Du jungen Leuten begegnest, die ihr Leben noch vor sich haben, während Deine Uhr (und natürlich auch meine) in nicht allzuferner Zeit abgelaufen ist? Mich macht das schon wehmütig, wenn auch nicht in der Art, daß ich ihnen ihre Freude mißgönne.
Schöne Momente gibt es auch im Alter, das ist klar. Aber der Moment der Endlichkeit ist stärker betont.
Agnetia (66) meinte dazu am 21.01.24 um 10:54:
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 Graeculus meinte dazu am 21.01.24 um 18:17:
Stimmt, das Gejammer der Alten ist heute, da wir selber alt sind, genauso unterträglich, wie es uns das war, als wir jung waren.

Ah, Du glaubst an ein Leben nach dem Tod! Tja, "die Botschaft hör ich wohl / Allein mir fehlt der Glaube."
Agnetia (66) meinte dazu am 23.01.24 um 21:59:
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Verlo (65) meinte dazu am 24.01.24 um 20:07:
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Verlo (65)
(24.01.24, 16:16)
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 niemand meinte dazu am 24.01.24 um 16:24:
@ Verlo

Sehr gut gesagt!  <3  

Mit schmunzelnden Grüßen, niemand :D

 Mondscheinsonate meinte dazu am 24.01.24 um 18:32:
Leider muss ich deine Küchenpsychologie ein bisschen dämmen, du schreibst: 


Normalerweise schaut man nicht wehmütig auf die Jugend, weil sie, außer daß man jünger ist, nicht besser war.
Was, eine Behauptung ist, die du nicht belegen kannst, denn du kennst nicht "alle" Menschen.

Oder anders: wer wehmütig auf die Jugend schaut, hat sich nicht wesentlich entwickelt.
Das ist eine sinnlose Subsumtion, keine, nur eine Behauptung.

 Graeculus meinte dazu am 24.01.24 um 18:37:
Man muß sich, liebe Mondscheinsonate, entscheiden zwischen dem normalen "ignorieren" und dem österreichischen "nichtmal ignorieren" (Nestroy, oder?). Du bist die Österreicherin.
Verlo (65) meinte dazu am 24.01.24 um 19:00:
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 Mondscheinsonate meinte dazu am 24.01.24 um 19:04:
Nun, dann gibst du dir selbst die Antwort und widerlegst deine hübsche Behauptung.
Studien sind nicht "alle".

Antwort geändert am 24.01.2024 um 19:05 Uhr
Verlo (65) meinte dazu am 24.01.24 um 20:05:
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Verlo (65) meinte dazu am 24.01.24 um 20:07:
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 Mondscheinsonate meinte dazu am 24.01.24 um 22:16:
Also von Graeculus, Verlo, liebend gerne. Der ist intelligent und sehr nett.
Verlo (65) meinte dazu am 24.01.24 um 23:29:
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 eiskimo (06.02.24, 09:20)
Nur weil´s im Schwarzwald spielt, muss man ja nicht schwarz sehen... Kleines Wortspiel. 
Ich beneide die Jüngeren durchaus um ihre Möglichkeiten, allein schon um ihre Fitness und Belastbarkeit. Und die in Dennach haben vielleicht den nötigen Antrieb, beherzt etwas zu lernen. Dann stehen ihnen etliche Wege offen.
Sie könnten bei mir in der Fahrradwerkstatt anfangen. Da ist großer Andrang.

 Graeculus meinte dazu am 06.02.24 um 17:35:
Eine Neuigkeit: Der Schwarzwald ist gar nicht mehr so schwarz, d.h. die Fichten-Monokultur ist Vergangenheit.

Wer von Pforzheim nach Dennach mit dem Fahrrad fährt, muß schon sehr sportlich sein. Umgekehrt geht's leichter.

Aber an Deiner Fahrradwerkstatt hätte ich großes Interesse ... wenn sie in Dobel läge. Das Fahrrad (heute: Pedelec) ist für mich lebenswichtig.

 Pearl (26.03.24, 23:02)
Das ist wehmütig, und sehr stimmungsvoll beschrieben... schöne Beobachtungsgabe. Ich sehe alles bildlich vor mir, obwohl ich (leider) noch nie im Schwarzwald war.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.24 um 23:12:
Der Schwarzwald? Für den, der Wien zum Maßstab nimmt, ist es ein Kulturschock. Aber passend, wenn man Wald liebt.
Ich frage mich, was diese jungen Menschen empfinden, wenn sie abends nach Dennach zurückkehren, wo wirklich das Wort Nichts eine viel intensivere Bedeutung bekommt.

 Pearl meinte dazu am 27.03.24 um 23:23:
Oh, momentan nehme ich meine Umgebung (kleine Dörfer) in Südtirol als Maßstab. 
Und mit dem Bus durch den verschneiten Schwarzwald fahren, hat einfach was.
Nach meiner Erfahrung richten es sich die Jungen schon, solange sie sich haben. Diese spezielle Erfahrung in Dennach ist zwar sicher sehr schwierig, doch deine Beschreibung lässt auf Lebenskünstler schließen. Und die beherrschen die Kunst des Lebens.

 Graeculus meinte dazu am 29.03.24 um 17:57:
Ja! Junge Leute können es sich einrichten ... sobald sie zu mehreren sind. Und das waren sie ja.

Der verschneite Schwarzwald, das muß vor dem Klimawandel gewesen sein ... oder im höhergelegenen Südschwarzwald. Hier gibt es zwar noch Skilifte, aber nurmehr drei oder vier Tage pro Winter den dazugehörigen Schnee.

Schöne Ostergrüße ins schöne Südtirol!

 Pearl meinte dazu am 30.03.24 um 15:56:
... überall dasselbe mit dem Schnee. Blöder Klimawandel!

Ja, das meine ich, sie sollten zu mehreren sein. In der Jugend sind (für die meisten) Freunde am wichtigsten. Die Familie ist Basis, gibt Halt. Aber die Freunde verstehen einen wirklich.

Frohe Ostern auch zu dir!

Stefanie

 Graeculus meinte dazu am 30.03.24 um 16:16:
Schöne Festtage wünsche ich Dir, Stefanie.
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