K- atze nackt im Camping-Bus

Skizze zum Thema Anerkennung

von  alter79

Behind Darkness: Campen im Winter ist nicht ohne, aber machbar. Zumindest dann, wenn man nahe einer Stadt kampiert und alles kaufen kann, was das Herz begehrt. Geld dazu haben wir ja reichlich. Und wenn nicht, ich weiß, wo es was gibt. Und mit Grace an der Seite, stehle ich sogar Löwen jeder Größe. Serengeti stirbt nicht, wie du weißt. Affen im Urwald schon.

Die im Wagen 100 Meter neben uns, sind schon 15 Winter hier. Im Sommer auch. Ein Ehepaar, wie sich herausstellt. Hartz 4. Aus Kreuzberg. Wir helfen ihnen mit Lebensmitteln und Gasflaschen aus. „Bist wie Robin Hood!“ Lacht Grace, wenn ich Flaschen und Einkauf anschleppe. Später mal werden die Beiden der Polizei sagen, wie nett wir waren. Doch das bringt es auch nicht mehr. Immerhin haben sie auf einer weiß- grauen Tagesdecke drei braune Teddybären auf dem Bett sitzen. Grace erinnert das an irgendwas. Sie lächelt beim Anblick der Bären. Ich frage aber nicht. Und das Ehepaar faselt was von Orientierung und Sicherheit, - von wegen der Bären. Als ob die frei laufen würden. Ich denke an Robinson Crusoe und überlege, wer von den beiden Rentnern Freitag ist. Karl, der nur ein Bein hat. Oder Susi Super mit ihrem Pseudokrupp. Deren nächtliche Bellanfälle Wölfe in die Flucht schlagen. Gäbe es welche. Jedenfalls dachte ich beim ersten Anfall von Susi, die Polizei wäre da und würde uns per Megaphon zur Aufgabe bewegen wollen. „Wenn die Bullen kommen, - sollen wir uns dann erschießen?“ Frage ich Grace. „Wir haben Waffen satt und sollten Selbstmord begehen, - etwa wie die vom NSU. Das ist doch unglaublich, oder?“
Karl und Susi Super bleiben auf dem Platz so lange es geht, erzählen sie.

Vom NSU ist nur Zschäpe übrig. Und ihre Verteidiger streiten sich seit Wochen mit dem Richter um die Herkunft der Tatwaffe. Dazu kommen noch Aussagen von Zeugen, die alles wissen und nichts. Und also auch alles sagen und nichts. Während bei uns im Wagen die Luft dicker wird. Grace laufend unsere Fingerabdrücke abputzt, als stünde die heilige Inquisition vor der Tür.

„Wir müssen vor dem Frühjahr von hier weg sein“, sagt sie, „diese stinkige Enge halte ich nicht länger aus!“
„Wohin soll’s denn gehen?“
„Wärme“, sagt sie, „ich brauche viel Wärme!“
„Okay, dann machen wir noch wie besprochen den einen Hit, - und dann ab nach Portugal.“
„Aber nicht mit dem Wohnwagen.“
„Wie du willst. Fliegen müssen wir dann aber von Hannover, oder Hamburg.“
„Weil die mich suchen?“
„Der Präsident ist dein Vater - und wir bringen seine Leute um; schon vergessen?“
„Leider nicht!“
„Also, - was?“
„Ab Hamburg!“ Die Zeitungen schreiben, Deutschland sei selber Schuld dass es Clanchefs wie den “Präsidenten“ dauerhaft dulden muss.
„Mach die Kiste aus“, sagt Grace, „das Gejammer der Leute geht mir auf den Keks!“
„Da schlägt dein Vater in dir durch, was?“ Grinse ich. Dann geht komplett das Licht aus. - Du ahnst es schon, was? Dass ich nämlich weinen kann, wenn es drauf ankommt. Und, wenn ich Musik höre, wo Wasser rauscht, muss ich unter Garantie pissen. Hier ist die Mucke. Und ich muss. Ich kann. Also.

Stehe auf und nimm das Kindlein, – oder: Rise like a Phoenix: „Wenn wir ein Kind hätten...“, sage ich.
„Wir werden keins haben!“ Sagt Grace. Und dabei hebt sie die Stimme. Und ich weiß.
„Wenn aber.“
„Ich würde es erschießen!“
„Unser...“
„Und komm mir jetzt nicht von der Frucht der Liebe -, von der heiligen Familie, - und so Scheiß!“
„Aber...“
„Wenn du nicht augenblicklich den Mund hältst, bin ich weg!“
„Meine Güte, Grace, reg dich bitte nicht so auf!“
„Ich will mich aber aufregen, weil du mich aufregst. Halt also einfach dein blödes Maul!“
Und ich denke eben noch ganz lieb an sie, als wir am Restaurant ’Seute Deern’ in Tegel vorbeifahren, Richtung Flughafen. Und ich mir meiner Liebe zu ihr bewusst werde - die wie ein Keulenschlag. Und unbemerkt von Grace Tränen verdrücke. Ey, ich bin irre, oder? Zudem veranstaltet das Restaurant ein Krimi- Dinner mit dem Motto ’Auf Mörderjagd beim 4 Gänge Menü’. Was ich sehr passend finde. Grace aber nicht. Weil sie, als ich wieder mit Kind und Familie und so anfange, die Ceska vom Rücksitz greift und einen durchs Autodach abfeuert, als wäre schon Sylvester. „Ey – bist du komplett irre?“ Und ich wieder denke, was Liebe aus einem macht. Und sie mich wohl nicht liebt. Jedenfalls nicht so, wie ich sie. Weil sie kein Kind von mir haben will - und mich erschießt, wenn ich ihr eins mache.
„Wir sollten ein neues Auto suchen!“
„Wegen der paar Meter?“
„Am Airport wimmelt es von Polizei!“
„Okay. Was soll es denn sein?“
„Eine S- Klasse.“
„Zu groß.“
„Dann nimm eben einen Golf. - Meine Güte!“
„In schwarz?“
„Wenn du so weiter machst, sind wir da!“
„Was nun?“
„Weißt du was, du Idiot, - mir ist Portugal vergangen. Kehr einfach um; ich habe nämlich echt die Schnauze voll!“
„Eine neue Karre brauchen wir trotzdem.“
„Dann mach schon hinne, Mann!“
„Dann legst du aber die Kanone weg.“

„Weißt du eigentlich, dass die NSU- Leute eine solche Ceska benutzten?“
„Benutzt haben sollen!“ Belehrt mich Grace. „Oder glaubst du an Märchen?“
„Stimmt! Benutzt haben sollen!“ Nehme ich den Ball auf. Steige aus und nehme das widerspenstige Kindlein mit.
Es ist ein schwarzer Golf. Steht Nähe Kurt Schumacher Platz, Berlin- Reinickendorf. Keine tausend Meter weit von der Anstalt weg. Munk wohnt dort. Und der Golf ist seine Karre.
Ey, einen guten Rutsch, Bruder, und Gesundheit, Bruder, wünsche ich. Oder soll ich etwa nicht? Kann er meine Gedanken lesen? Und, warum hängt mir seit meiner letzen Pillenaufnahme in der Klapse ein hauchdünnes Kabel aus dem rechten Ohr, - und aus dem linken nicht? Mann, wenn das Grace wüsste.
„Sag mal, dieses Kabel da an deinem Ohr, - was soll der Scheiß eigentlich?“
„ ...wo du es sagst...“ Liebe ich sie mehr und mehr: Rise like a Phoenix!

Banality – oder: Kill the Cat again: Manchmal denke ich, was ich zuletzt sehen werde, wenn ich sterbe. Dann habe ich das brombeerrote Handtuch vor dem Gesicht. Immer! Also werde ich das brombeerrote Handtuch sehen, wenn sie mich erschießen.
Manchmal denke ich, was ich zuletzt hören werde, wenn ich sterbe. Dann höre ich die Dusche rauschen. Also wird es die Dusche sein, die.
Manchmal denke ich, wenn ich so denke, dass ich auf dem Campingplatz sterbe. Und dann frage ich mich, ob es Sommer oder Winter sein wird. Nord oder Süd. Oder irgendwas dazwischen.


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Kommentare zu diesem Text


 uwesch (07.04.23, 17:11)
Interessante Szenerie :ermm: LG Uwe
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