Asperger hat *Ausgang und begegnet einer passenden Frau (Romanauszug)

Skizze zum Thema Abendstimmung

von  alter79

Einer passt noch. Klar, sagt Franz. Und ich überlege was er sagen wird, wenn ich ihn um Hilfe bitte Lolita in den Keller zu sperren. Fachwerk. Wolkenweg 18. Ach was, nicht mal die Adresse wird er sich merken können. Nicht mal das! Der Autist. Von wegen Alltag des Bösen. Nur weil er seine Frau im Suff schlägt. Wie die behauptet - und von seinen Nachbarn zu hören ist. Ist das dann Leben in zwei Ebenen? Ja. Oder Nein. Und damit bin ich dann auch durch. Gehe rein in die Vorgeschichte. In die Gegenwart. Danach dann Zukunft. Weiß doch jeder. Auch wenn das Wort jeder nichts entschuldigt. Mich schon überhaupt nicht. Im Gegenteil. Doch es gibt keine Alternative für Glück. Außer es zu leben.


Ich habe sie umgebracht, sagt Franz unvermittelt, - glaube ich.
Und ich. - Ich wollte eigentlich gerade gehen. Gerade eben. Frage ihn: Wo?
Hier oben! Deutet er gegen die Decke.
Blattgold. Und eine Art Wanze sehe ich dort am Leuchter klettern. Spinnweben. Flusen. Wasserflecken. Vom Stuck abplatzende Farbe.
Du hast ein Zimmer gemietet?
Nein, sie.
Wann?
Gestern.
Und dann?
Wollte ich eine Aussprache.
Und sie - nicht?
Genau.
Und dann hast du sie ...
Ja. Mit diesen Händen hier.
Dazu löst er die vom Bierglas, um die mir zu zeigen.
Lass das! Ich kenne deine Pfoten.
Und nun? Fragt er.
Wir schaffen sie weg.
Wie denn?
Mit dem Auto.
Hast du eins?
Nein. - Nicht mehr.
Also?
Müssen wir eins besorgen.
Stehlen?
Was sonst.
Und du kannst das.
Ja, glaube ich. Aus dem Fernsehen. - Ist sowieso alles im Arsch.
Stimmt, brubbelt er.
Wo ist eigentlich Bruno?
Unterm Tisch.
Ach. - Den habe ich überhaupt nicht...
Der schläft auch.
Hast du den etwa auch?
Nein. Nur ein paar Tropfen Baldrian - zur Beruhigung.
War er dabei?
Ja, der hat alles mitbekommen.
Schlimm. - Und wie kommt man in das Zimmer?
Am Tresen vorbei in den Flur, wie zum Klo - und dann die Treppe hoch.
Zimmernummer?
0.
Nicht null sechs?
Vertauscht - wie bei Hitchcock?
Psycho?
Nein. - Weiß ich nicht.
Egal, gib mir den Schlüssel!
Soll ich mit?
Du hältst die Stellung!
Gut.
Wird aber ein bisschen dauern. Ich muss noch aufs Klo.
Klar.
Und schon ist Alltag, was eben noch aufregend war. Der Vermenschlichung von ungeheuerlichen Taten geschuldet. Totschlag. Mord. Vergewaltigung. Kinderschändung. Nicht mehr, als wenn sich jemand das Bein bricht. Husten hat. Normalität. Aus deren Ecken ab und an das Böse lugt. Der Nachbar. Der immer so nett grüßte. Und nun das. Als Fratze von eigentlich Unfassbarem. Im Kranksein. Rein in die Klapse. Wegen dem Fehlen von Bewusstsein. Moral im Gesetz. Das oft ohne jeden Schuldspruch endet. Ohne Verzeihen. Oder Reue. Doch einen Anbeginn gebiert. Während ich in der Ebene Zwei aufs Klo muss. Einem düsteren nach Pisse, Chlor und Beton stinkenden Raum. Mit einer Rinne aus Blech in Schwanzhöhe. Darüber wirres Gekritzel. Gemalte Obszönitäten. Telefonnummern. Mit vier Kabinen gegenüber. Kloake. Von der die Türen geschlossen sind. Die teils ohne Klinke. Unten offen. Wo ich in der ersten Hütte Beine sehe. Vier Stück. Die sich spastisch bewegen. Dazu lautes Stöhnen. Schmatzen. Zischen. Das mein Interesse weckt. Ich die zweite Kabine öffne, um dort aufzusteigen. Um über die Trennwand hinweg auf das Geschehen zu glotzen. Wo einer auf der Schüssel hockt - der andere mit herabgelassener Hose davor steht. In Sozialkontakten schmatzend und stöhnend. Weshalb ich die Sekunden bis zum Grande Finale warte. Um Bravo zu rufen: Bravo! - Ihr Meister! Mir aber das da capo erspare. Um dann in die Kabine vier, solo, versteht sich. Solo! Zu sitzen. Wie auf des Messers Schneide. Auch um nachzudenken. Aber nicht weil nicht das kommt, was ich erwarte. Nein. Es kommt überhaupt nichts. Lieber Franz. Weil du mir die Sache eingebrockt hast. Wie ich sonst mir was. Sonst. Mir! - Wenn ich meiner Biografie folge. Und das passiert nicht das erste Mal in meiner Chronik. Eine Verstopfung. Von wegen Aussteigerprogramm. Dann höre ich in meine sinnlose Beschäftigung hinein Schritte. Stimmen. Zwei Männer. Dann die Tür. Wie einer sagt: Ich muss vorher aber noch ... Um Luft für die Energie zu lassen. Damit alles fließen kann. Es gleich darauf gegenüber in die Rinne prasselt, wie von einem Ochsen abgeschlagen. Während ich mit einem Tempotuch bei mir wische, wo es nichts zu wischen gibt. Hochziehe. Abziehe. Einer fragt: Wo bist du? Der andere mit Kabine eins antwortet. Ich raus bin. Vor dem Spiegel stehe. Das Licht von oben. Indem man aussieht als wäre man schon... Hätte es hinter sich. Ich dann dem rhythmischen Klatschen nachgehe. Das schneller wird. Rasanter. Als Stakkato kommt. Das mich erneut in die Kabine zwei treibt. Ich über den Rand hinweg glotze. Marionetten sehe. Eine gebückt. Die andere von hinten. Mein lieber Mann. Was für ein Betrieb. Dieses Klo. Und ich genug habe vom Klobecken, absteige, um wenige Schritte später voll mit Gedanken über das eben Erlebte das Absperrseil löse. Die knarrende Treppe nur für Pensionsgäste erklimme. Nicht vergesse Zimmer Null- Sechs (06) zu checken. Das komplett leer steht. Um dann bei Null- Neun (0) die Tür aufzuschließen versuche. Doch es klemmt. Ich drücke. So what. Und dann das, direkt hinter der Tür schon: Liter Blut! - Fleisch in Fetzen und Würfel. - Von wegen erwürgt. Die Bude muss neu. Tapeten runter. Andere rauf. Streichen. Putzen. Scheuern. Die Leisten. Auch das Bodenholz. Dielen. Mein lieber Franz. - Du Idiot! Der plötzlich hinter mir steht. Fragt: Wirst du darüber schreiben?
Wie Capote. - Einen Roman. - Mit dir als Protagonisten?
Ja.
Schon möglich.
Und wann?
Wenn mit Schnaps aus ist.
Wann ist das?
Wenn wir sie hier weg haben.
Im Koffer?
Klar. - Du hast ja schon allerhand vorgearbeitet.
Alles Kleinholz im roten Licht.
Und genau das presse ich in einen Satz. Auf eine Seite. Gedanken - wie das Leben. Auch wenn der Verleger widerspricht. Es bleibt dabei. Give me five.
Runde um Runde.




Anmerkung von alter79:

Hinweis: ""Der Dichter und Literat  Andre Breton war einer der wichtigsten "Treiber" und Künstler des Surrealismus. Im Jahr 1924 verfasste Breton das "Manifest des Surrealismus" und hob die Kunstbewegung als einen "reinen psychischen Automatismus“ heraus (Quelle: Wikipedia). Andre Breton war es auch, der zu den Herausgebern der Zeitschrift "La Révolution surréaliste" gehörte. Erschienen sind die Publikationen in den Jahren von 1924 bis 1929 (12 Ausgaben).""

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