Roh- Stoff -Dichter

Skizze zum Thema Stimmung

von  alter79

davongekommen.

Die DDR hat mich dazu gemacht, Menschen mit bloßen Händen zu töten!

Ja, alles hat seinen Preis.

Vogtmann hat es nicht begriffen.

Aber wer begreift schon große Politik.

Die Sprache der Machthaber. Den kalten Krieg in seiner heißen Phase. Den Mauerbau. Schießbefehle. Die Toten im Draht.

Wer? Und wie auch.

Fast zehn Jahre sind abgesessen.

Jimmi war mit Vogtmann auf dem Friedhof.

Bewachte Ausführung. Vogtmann gefesselt.

Vogtmann besuchte das Grab von Monika.

Langstielige Rosen legte er ab.

Seine Schuld wurde dadurch nicht geringer. Sein Schmerz auch nicht. Seine Schulden im Knast schon gar nicht. Denn Vogtmann zockt.

Für danach braucht er das Geld, sagt er, wenn er spielt. Doch er verliert.

Jimmi weiß, wie das endet. Wie das enden wird, wenn Vogtmann wieder draußen sein sollte.

Vogtmann spricht perfekt russisch.

Und die Russen sind schon da. In Berlin.

Die Kantstraße gehört zwei Drittel ihnen, der halbe Kudamm. Von Juden gekauft. Von Juden an Juden verkauft. Erbe jüdischer Verwandten.

Die Gemeinde ist stolz auf ihren Zuwachs.

Dahinein wird Vogtmann gebraucht.

Für die Drecksarbeit.

Und der kann die ... Aktenkundig!

Jimmi weiß das - und er weiß viel mehr, als er wissen will.

Er schloss Vogtmann vor dem Friedhof von der Acht, von wegen der Leute, trank mit ihm am Kiosk neben dem Friedhof danach ein Bier.

Nach fünf Bier und drei Kurzen hatte Jimmi in Vogtmann einen Freund fürs Leben - nicht nur in der Anstalt.

Lebenswichtig, so was.

Für beide.


Ich werde entlassen. Wieder einmal. Aber nur auf Bewährung -, wie immer. Vor der Tür steht wartend mein Vater. Daneben ein Mädchen. Blond, schlank, leicht gebräuntes Gesicht, lange Arme und Beine - und lacht mich zahnpastaweiß an. Ich gehe an den beiden vorbei und höre noch wie mein Vater Hallo! sagt. Daran anschließend weint das Mädchen herzzerreißend, wie man so sagt. Als ich so an die fünfzig Meter an den beiden vorbei bin, steche ich mit einer Stecknadel in den Luftballon, in dem mein Kopf steckt. Es knallt mächtig - und ich ziehe Sauerstoff. Nase, Zunge und Lippen sind ziemlich blau angelaufen, sehe ich mit einem Blick im Spiegel des Taxis. Dessen Fahrer, ein cooler Vollbarttyp a la Gott, mit einem Geruchs- Geschmacksbaum am Innenspiegel, mir frohes Fest wünscht als ich aussteige und ohne zu bezahlen davongehe, um über Weihnachten nachzudenken, - dabei habe ich Geburtstag.
Kaum sitze ich im Restaurant, kommt Vater rein.
War das dein Auto? fragt er.
Ja, meins - und auch mein Chauffeur!
Keine schlechte Wahl ...
Und wo ist Mutter?
Die hast du mit diesem abscheulichen Kondom über deinem Kopf verprellt, Junge, sagt er, mach so was bitte nie wieder ...
Versprochen! sage ich dem Alten in die Hand, nun lass sie schon raus ...
Vater öffnet das iPhon, Mutter springt raus und Vater, ganz Kavalier alter Schule, rückt ihr den Stuhl zurecht.
Ah, seufzt sie, jetzt erst mal ein schönes Glas Champagner ...!
Auf dich, mein Junge! gratuliert mir auch Vater, und ein friedliches Weihnachten auf Erden!
Ich werde mir Mühe geben, antworte ich wie von ihm erwartet - wobei der Gedanke, besser in der Klapse geblieben zu sein, wieder die Oberhand gewinnt.


Oft ist davon die Rede, dass man zu viele Häfen ansteuert, dass man zu viel will - oder so Scheiß. Doch klar, das trifft bei mir auch zu, denn ich will immer alles. Und oft will und wollte ich immer alles zur falschen Zeit ... und entschuldigte mich später auch noch mit den falschen Gründen. Im Nachhinein ist das eine einzige Enttäuschung für einen zielstrebigen Typen wie mich - und trifft mich vordringlich, wenn es sich um Frauen in meinem Leben dreht. Denn die sind und bleiben die immer offenen Wunden in allen Situationen. Mag es ein guter Fick gewesen sein, ein deliziöses Essen (und danach erst der Fick), oder einfach zu viel vom Wein, vom Gras usw., denn zur Ikone verklärte ich die alle -, was nicht mal ihre Abgänge änderte. In neuester Zeit höre ich deswegen stundenlang Herbert Grönemeyers Album Mensch. Besonders die Stelle, wo er den Tod seiner Frau besingt ... und dann heule ich so was von überfrachtet, mein lieber, lieber Gott!
Ja, bei mir waren es nicht wenige Frauen - und es werden noch viele sein ... Und mal ehrlich: ich weiß jetzt schon überhaupt nicht wie ich die täglichen Blumenmengen bezahlen soll, um die Damen zu würdigen. Und Blumen, meine ich, sind doch das mindeste was ich noch für die tun kann. Aber um noch mal Gott ins Spiel zu bringen, auf eine Kerze in der Kirche war ich natürlich auch schon deswegen. Habe sogar gebeichtet, obwohl ich nicht katholisch bin. Doch wen schert das schon? Nicht mal das blödeste Schaf dort. Bei Schaf denke ich gleich an Patrick, die Sau. Sie erinnern? Das ist der idiotische Schreiber, mit einem entsprungenen Protagonisten. Und der nun wieder ein irrer Vergewaltiger und Mörder, dem ich in der ganzen Welt nachreiste, um als Warnung seinen Arsch auf Airporttoilette festzukleben. Doch bald war das schon nicht mal mehr ein running gag, - denn die Presse berichtete wie krank darüber. Wichtigkeiten, mit denen die Geld verdienten, Sie verstehen? Deshalb wurden mir die Aktionen sehr beliebig. Auch konnte ich Patricks Hintern nicht mehr sehen, sein erigiertes Glied. Und also kehrte sich alles um. Und ich gerate an den Ausgangspunkt meines Denkens, nämlich, dass man zu viele Häfen ansteuert, dass man zu viel will ... Dabei wollte ich lediglich Patrick einen mitgeben ... Doch es wird, mein Tag kommt ( ... pathetisch mit einem azurblauen Himmel voller Geigen ...) mit Arschgeigen, Tafelwasser und Schmalzbroten im Picknickkorb. Und ich als fettes Salz dazu. Die Essenz reiner Natur - kurz vor Sylt. Versprochen! Denn genau dort fing alles mit dem Jugendschwimmabzeichen in Silber an. Dem Sommer in Dreiecksbadehose. Den Mädchen in Bikinis. Mit einem Sprung vom niedrigsten Brett. Verbunden mit dem grellen Geräusch eingeworfener Fensterscheiben. Dem bald darauf ein richtiger Wumms vom Zehnmeterturm folgte. Meinem Schrei der Erleichterung danach, getrieben vom Schmerz des pavianroten Hintern, dem zur Fußballgröße geschwollenen Hodensack. - Nun bin ich längst Profi. Habe einen Arsch aus Büffelleder und meterlanges Fell am Skrotum. Nur, das glaubt mir auf den ersten Blick keiner. Leider. Es stimmt aber, und man kann es bisweilen auch sehen. Zum Beispiel jeden Sommer Buhne 16 , - wenn die Luft flimmert, Mensch und Natur heiß und träge sind, ich mit mir synchron bin. Die absolute Dröhnung, sozusagen - stehe ich bereit zum Sprung. Und genau das bringt mir ein unbändiges Lebensgefühl: NACKT die Bombe zu machen! Eier in der einen, Schwanz in der anderen Hand. Voll geil wenn es abgeht, rauscht, aufklatscht und eintaucht -, himmelhoch Wasserorgeln aufsteigen, Fontänen sprühen, vom Beckenrand Musik ertönt, Mädchen johlen. Von denen ich mir dann eine pflücke, um mir in den Dünen einen blasen zu lassen. Oder zwei. Bis die Körperanspannung raus ist und die jugendliche Unbekümmertheit in ihren Gesichtern von meinem harzigen Samen verdeckt wird. Ich dann erschlaffe - und meine Aufmerksamkeit auf sie abtrockne wie die Lust auf weitere Partys und wildes Feiern über meinen zweiten Platz, was in einer Prügelei mit ihrem Macker endet. Diesem Loser, der mit Schraube und gehockter Kartoffel nur den dritten Platz belegt hat. Echt, so was ungeiles an Sprung ist mir noch nicht mal im Traum eingefallen. Dann lieber adrenalinfett gleich zwischen die umstehenden Topfkakteen gehechtet. Und so fing alles in Wirklich an ... Doch dazu noch eins: Sylt habe ich erfunden - der Rest ist voll die Wahrheit!



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