Wald bei Teupitz

Gedicht

von  JohannPeter

Der Duft, den ich kaum wahrnehm

überm Moos, die Pilze

und schon im Vorgeschmack des  Abendmahls

durchdräng ich peitschenhafte Weiden

die Mücken sirren myriadenweis

aus blasig aufstoßendem Sumpf

(nicht unterscheidbar mehr

ob Torfstich oder Panzermulde)

die Binsensoden tragen schwankend

der da spukt: ein morgenfrüher Elf

in Jogginghosen: bemessert  eine Hand

bekorbt die andere.

 

Schon gibt der Boden nach, der Korb 

beschreibt beschwingt beschleunigt einen Sinus

die Pilze retourniern ins Grün, das Glitzern

eines Dutzends Spinnenweben Morgentau

zerstiebt im Aufprall von 2 Zentnern Mensch

weich fängt der Boden, beinah federnd, auf

(es wird in Kürze Wasser die Kontur bezeichnen)...

 

Und einer Geste gleich unendlichen Erduldens

verschluckt das Moos das spröde Bersten

einer Messerklinge auf versunknem Stahl.




Anmerkung von JohannPeter:

Teupitz - Ort südöstlich von Berlin, Gebiet der letzten Panzerschlacht des 2. Weltkriegs, bekannt auch durch den Soldatenfriedhof Halbe/Teupitz, der regelmäßig im April Treffpunkt rechter Gruppen ist.

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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (22.05.23, 09:49)
Der Leser benötigt die Erläuterung - jedenfalls ich benötigte sie, dann ist es eine eindringliche Schilderung einer Begegnung mit der Vergangenheit, ohne Pathos oder Moralpredigt.

 JohannPeter meinte dazu am 22.05.23 um 13:29:
Es ist mehr als nur eine Begegnung mit der Vergangenheit, es gibt auch einen Aspekt der Gegenwärtigkeit im Schlußbild.  Der sollte an Eindringlichkeit den Erinnerungswert des Ortes bei weitem übersteigen! Aber dazu muß man in die Tiefe des Bildes folgen und mit Konsequenz, um zu erkennen, daß es um die Vergangenheit eigentlich nur als Hintergrund geht.
Der Text folgt klassischem Muster: These, Antithese, Synthese, wobei die Synthese in ihrer Gegenwärtigkeit hier ausgesprochen fatal oder eben bedrohlich ausfällt.

Antwort geändert am 22.05.2023 um 13:50 Uhr

 AlmaMarieSchneider (23.05.23, 01:01)
Ein sehr bildhaftes Gedicht. Viel Atmosphäre. Der stürzende Pilzsammler und seine aus dem Korb fliegenden Pilze, ich sehe das direkt vor mir. 

Herzlichst
Alma Marie

 AchterZwerg (23.05.23, 07:24)
Hallo JohannPeter,
das zentrale Bild ist für mich der "blasig aufstoßende Sumpf", der die politische Gegenwart vortrefflich kennzeichnet. -
Eingebettet in eine überaus geduldige Natur, fallen Mann und Messer, Pilz und Korb. Kaum einer fragt danach.
Leider.

 JohannPeter antwortete darauf am 23.05.23 um 07:30:
Hi, Zwerg, gut gelesen, aber wie schon zu Graeculus angemerkt, gibt es im Gesamtbild noch ein Moment, das von größerer Relevanz oder auch Brisanz ist, als die übrigen Aspekte.

 Quoth schrieb daraufhin am 23.05.23 um 21:44:
Dann verdeutliche mir dieses Moment doch mal, ich komme nämlich auch nicht drauf. Oder hat AlmaMarie es im folgenden Kommentar schon umschrieben?

 JohannPeter äußerte darauf am 23.05.23 um 22:12:
Sie hat sich zumindest ein gutes Stück angenähert. Allerdings geht es nicht um etwa noch unbeerdigte Soldaten, die gibt es da freilich nicht mehr.

 AlmaMarieSchneider (23.05.23, 13:02)
Und einer Geste gleich unendlichen Erduldens
verschluckt das Moos das spröde Bersten
einer Messerklinge auf versunknem Stahl.

Beim letzten Vers werde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Wald immer noch viele tote Soldaten beherbergt.
Mir fehlt dabei etwas die "Ostgeschichte"
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