Sind mystische Erfahrungen automatisch göttlichen Ursprungs?

Essay

von  Bluebird

Es sind sehr viele Berichte über mystische Offenbarungen im Umlauf. Von Atheisten und Skeptikern mit Beharrlichkeit bezweifelt, tragen sie weltweit gesehen doch sehr zur Gläubigkeit der Menschen bei.
Was aber hat es mit solchen Berichten auf sich?

Beispiel 1:
Ramakrishna, ein berühmter "Hinduheiliger" des 19. Jahrhunderts, war ein Mystiker par excellence. Von ihm wird glaubhaft versichert, dass er sein halbes Leben in Versenkung und Ekstase zugebracht hat. In jüngeren Jahren war er Priester in einem Tempel der Göttin Kali. Neben dem ganz normalen Tempeldienst verbrachte er freiwillig viele Stunden - im Lotussitz meditierend - vor dem steinernen Standbild der Göttin zu, zunehmend beseelt von einem einzigen Gedanken:
"Mutter, bist du wirklich oder nur eine Einbildung meines Geistes?" ... "Warum kann ich dich nicht sehen?"

Dieser Wunsch, die Göttin sehen zu wollen, wurde zu einer regelrechten Obsession. Er aß und schlief nicht mehr, so dass sich seine ganze Umgebung ernsthafte Sorgen um ihn machte. Eines Tages, wieder im Tempel vor der Göttin meditierend, schaute er das große Schwert im Heiligtum an. Und ihm kam plötzlich der Gedanke Selbstmord zu begehen:
Ich stürzte wie ein Toller drauf los, um es zu ergreifen und - plötzlich offenbarte sich die gnadenvolle Mutter ...die verschiedenen Teile des Gebäudes verschwanden spurlos vor meinen Augen, stattdessen sah ich einen Ozean des Geistes, grenzenlos,unendlich ... mein Inneres wurde von einer stetigen Welle unaussprechlicher ... Glückseligkeit durchflutet und ich fühlte die Gegenwart der göttliche Mutter

Beispiel 2:
Yogananda, ein hinduistischer Guru neuerer Prägung, versuchte es Ramakrishna nachzumachen. Er ging frühmorgens in einen Kali-tempel und meditierte vor dem steinenren Standbild. Mit recht wenig Erfolg:
"Schweigende Mutter aus Stein, betete ich, du hast die Bitte deines Sohnes Ramakrishna erfüllt, warum erhörst du nicht das Flehen deines Sohnes, der sich so sehr nach dir sehnt?"

Aber die "Mutter" blieb stumm! Um die Mittagszeit herum wurde der Tempel geschlossen und er begab sich enttäuscht in den Hof:
"Göttliche Mutter", klagte ich ..., "Du bist mir nicht erschienen und nun verbirgst du dich hinter geschossenen Tempeltüren"

Und plötzlich hatte die Göttin ein Einsehen:
" ... erweiterte sich der Tempel vor meinen erstaunten Blicken ins Unermeßliche. Seine Tore öffneten sich langsam und enthüllten das steinerne Bild der Göttin Kali. Allmählich nahm die Statue Leben an und nickte mir lächelnd und grüßend zu."

Die ganze Vision/Erscheinung dauerte eine ganze Stunde lang mit ebenfalls einer räumlichen Bewusstseins-erweiterung. Am Ende bittet er die Göttin um einen Gefallen seinen Schwager betreffend:
Das schöne Bildnis, dass bisher stumm gewesen war, begann nun zu sprechen: Dein Wunsch soll erfüllt werden!"

Beispiel 3:
Ich schlief ‚ als er (der Engel Gabriel) mir ein beschriebenes, seidenes Tuch brachte und sagte: ‚Lies!‘ Ich erwiderte: ‚Ich kann nicht lesen!‘ Da drückte er mich in das Tuch, dass ich glaubte, ich müsste sterben. Dann ließ er mich los und forderte mich erneut auf: ‚Lies!‘ Als ich wieder antwortete, ich könne nicht lesen, bedeckte er mich wieder mit dem Tuch, so dass ich beinahe den Geist aufgab. Dann ließ er mich frei und erneuerte seinen Befehl.
Ich fragte nun aus Furcht, er werde mich wieder wie vorher behandeln, was ich lesen solle. Da sagte er: ‚Lies im Namen deines Herrn, der den Menschen aus einem Blutklumpen erschaffen hat, lies, dein Herr ist der Barmherzige, der durch die Feder den Menschen gelehrt hat, was er nicht wusste‘. Ich rezitierte nun, und Gabriel verließ mich wieder.
Danach erwachte ich, und es war, als stünden diese Worte in mein Herz eingeschrieben.
Ich trat aus der Höhle und stand auf der Mitte des Berges. Da hörte ich eine Stimme vom Himmel, die mir zurief: ‚Mohammed! Du bist der Gesandte Allahs und ich bin Gabriel.‘
Ich hob mein Haupt gegen den Himmel empor, um nach dem Sprechenden zu sehen, und ich sah Gabriel in der Gestalt eines beflügelten Mannes. Seine Füße waren am Horizont und er rief: ‚Mohammed! Du bist der Gesandte Allahs und ich bin Gabriel.‘
" So schilderte Mohammed seine Berufung zum Propheten in einer Höhle nahe bei Mekka, in die er sich meditierend zurückgezogen hatte.

                                                                  ***

Drei Beispiele aus anderen Religionen, die aus christlicher Sicht kritisch zu sehen sind: denn er selbst, der Satan, verstellt sich als Engel des Lichts (2. Korinther 11,14), um die Menschen zu täuschen.
Und da macht er möglicherweise auch nicht vor dem christlichen Bereich halt.
   Ich persönlich sehe die weltweiten
Marienerscheinungen mit äußerster Skepsis.

Die Pauluserfahrung halte ich allerdings für eine echte göttliche Erfahrung:
3 Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; 4 und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? 5 Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. (Apostelgeschichte 9)

Kurzum, ich denke, dass es eine wahrhaft göttliche Quelle für Offenbarungen gibt, aber Vieles auch dämonischer Natur ist.






Anmerkung von Bluebird:

Die Zitate stammen aus Biografien (Ramakrishna, Yogananda, Mohammed) und der Bibel

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Kommentare zu diesem Text


 Judas (29.06.23, 13:59)
"Sind mystische Erfahrungen automatisch göttlichen Ursprungs?" Nein.
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