Terzine der glücklichen Fügung

Terzine zum Thema Zufall

von  Tula

Seit Stunden sitzt ein Mann auf einer Bank.
Längst durchgeweicht. Was kümmert ihn der Regen?
Es ist die Einsamkeit. Die macht ihn krank.

So auch die Frau. Sie watet auf den Wegen
des Parks durch jede Pfütze, wie entrückt.
Der Schauer kam im Tief nicht ungelegen.

Was kreucht und fleucht hat sich, wie‘s scheint, verdrückt.
Im Bau die Maus, im Baum versteckt die Tauben.
Die Schnecken aber hat der Tag beglückt

und eine glitscht, um frisches Grün zu rauben,
auf einem Blatt bis an den Punkt wo sie
(kraft der Physik) hinabstürzt. Kaum zu glauben!

Das nennt man Schicksal. Dunkle Ironie,
weil eine Amsel, sich den Schmaus zu packen,
vom Ast wirft und den Fang mit Akribie

zerhackt. Der Regen schluckt ein letztes Knacken.
Indes (sich nähernd beide, Blick gesenkt)
muss jetzt das Tier – Pardon! im Volksmund – kacken,

im Flug direkt aufs Hemd, vom Wind gelenkt.
Ein Fluch. Zwei Augenpaare, die sich finden.
Ein Lacher, der sogleich den nächsten fängt.

Zwei Seelen, die sich unerwartet binden.


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Kommentare zu diesem Text


 Didi.Costaire (02.12.23, 00:55)
Hallo Dirk,

dass du Sozialkritik und Romantik so locker unter einen Hut bekommst, hätte ich nicht erwartet und bin schwer begeistert.

Beste Grüße,
Dirk

 Tula meinte dazu am 02.12.23 um 11:36:
Moin Dirk
Woran man erkennt, auch das Sch...wetter hat eine romantische Seite  ;)

Dankend lieben Gruß
Dirk

 AchterZwerg (02.12.23, 07:21)
Ja,
selbst aus dem kleinsten Scheiß kann Liebe entstehen!

Was können ofenhockende Singles davon lernen?
Nicht im Speeddating lauert das Glück, sondern im nasskalten Außenbereich!
Ich schließ' jetzt mal das Fenster ...

 Tula antwortete darauf am 02.12.23 um 11:42:
Moin lieber 8er
Du hast es getroffen und brauchst nicht einmal einen Park. Musst nur auf den netten zwanzig Jahre jüngeren Nachbarn lauern, wenn der seinen Müll rausbringt. Dann nichts wie hinterher, ihn mit 'Hach, welch ein Zufall' begrüßen und in Gespräche über die Stadtreinigung verwickeln. Nach zwei Stunden will der garantiert bei dir Tee schlürfen und Kekse knabbern ...  :D

LG
Tula

Antwort geändert am 02.12.2023 um 11:43 Uhr

 Redux (02.12.23, 08:08)
Eine wunderbare Parabel über das Sein. Alles in allem scheinbar zufällig und vielleicht auch nicht...

 Tula schrieb daraufhin am 02.12.23 um 11:51:
Moin Redux
Schein-bar ist ein sehr interessantes Wort bei diesem Thema. In der letzteren sind die Chancen im Schummerlicht vielleicht sogar besser. Und überhaupt, auch Scheine sollen bei der Fügung gewisser Begegnungen und Glückszustände eine zufällige Rolle spielen ...

Dankend lieben Gruß
Tula

 Teo (02.12.23, 08:24)
Meisterlich, mein lieber Tula!
Ich geh gleich mal ne Runde spazieren.
Vielleicht habe ich auch son Glück.
Gruß an die schäumende Küste
Teo

 Rosalinde äußerte darauf am 02.12.23 um 09:32:
Hallo Tula,

entschuldige bitte, das Gedicht zu kritisieren liegt mir ferner als fern - aber worum geht es dir eigentlich in diesem Gedicht. Ich konnte es nicht herausfinden. Sprachlich hätte ich nichts zu beanstanden bis auf "kacken", aber unterm Strich kann ich mit diesem Gedicht nichts anfangen.

Ich kenne ein paar andere Gedichte von dir, die mir gefallen haben, aber ich weiß natürlich, dass nicht jedes Gedicht gelingt. Geht mir ja genauso. Also bis zum nächsten Mal, ich habe ein Auge darauf.

Herzlich, Rosalinde

 Tula ergänzte dazu am 02.12.23 um 11:59:
Moin Teo
Das funktioniert nur, wenn du dich eine gute Stunde bei strömendem Regen im Park auf eine Bank setzt. Ohne Schirm, versteht sich von selbst. Mit Bäumen in der Nähe. Und auf echte Schnecken warten, keine Streuselschneckenkrümel im Gras und auf dem Weg verteilen, sonst versinkst du in einem Meer aus Tauben. Bei denen gehen die Flecken auf dem Anorak nur schwer wieder raus.  :D

LG Tula

 Tula meinte dazu am 02.12.23 um 12:11:
Moin Rosa
Die ehrliche Antwort: ich möchte die Leser unterhalten, wenn angebracht und möglich mit Humor.
Inhaltlich deutet ja der Titel an, worum es geht. Also den Zufall. Am besten den, der uns glücklicher macht, denn leider zeigt ja auch der andere gern wozu er fähig ist. Rein zufällig mit höherer Wahrscheinlichkeit als der erste ...

Vielleicht will das Gedicht auch mitteilen, dass man die Hoffnung nie aufgeben sollte. Die Schnecke im Gedicht wäre da unter Umständen anderer Meinung. Nun ist es leider zu spät, um sie zu befragen.

Für das zitierte literarisch-unästhetische Wort hat sich das Gedicht selbst bereits entschuldigt. Ein besserer Reim für die Kapriolen des Verdauungstraktes fiel dem Autor wohl nicht ein  ;)

Dankend lieben Gruß
Tula

 plotzn (02.12.23, 11:26)
Servus Tula,

vielleicht nur ein Amselschiss in der Menschheitsgeschichte, aber einer mit viel Herz. Wunderbar geschrieben! Man möchte gleich mitlachen oder zumindest lächeln...

Liebe Grüße
Stefan

 Tula meinte dazu am 02.12.23 um 12:14:
Servus Stefan
Nur ein kleiner Schiss für die Amsel, aber ein Riesen-Sprung (im Herz) für den Menschen ... 

Dankend lieben Gruß
Tula

Antwort geändert am 02.12.2023 um 12:15 Uhr

 Oops (02.12.23, 13:15)
Tatsächlich habe ich den Text mehrmals gelesen um die geschickte Wortakrobatik bis ins Detail zu verstehen. 
Für mich ein genialer Text, Tula.

LG Oops

 Tula meinte dazu am 02.12.23 um 21:01:
Hallo Oops
Das freut mich. Danke für deinen lieben Gruß
LG Tula

 Quoth (02.12.23, 13:46)
Mir gefällt besonders, dass weibliche und männliche Reime durch den ganzen Text hindurch sich abwechseln.
Der berühmte Schmetterlingsflügelschlag ist hier der Schneckensturz vom Blatt!  :D

 Tula meinte dazu am 02.12.23 um 21:02:
Hallo Quoth
Das war ausnahmsweise kein Zufall  8-)
Friede der Schneckenseele.

Dankend lieben Gruß
Tula

 GastIltis (02.12.23, 16:11)
Hallo, mein lieber Tula,
abgesehen davon, dass ich in der ganzen Terzine weder einen rosa noch einen lindgrünen Faden erkennen kann, muss ich doch ganz entschieden auf ein Versäumnis deinerseits hinweisen: du lässt als Naturfreund, als der du dich unter der Hand bzw. insgeheim auszugeben scheinst, völlig offen, ob es sich bei dem erwähnten Weichtier, das letztlich zu Schaden kommt, um ein behaustes oder unbehaustes Exemplar handelt, und du erwähnst als Vertilger bzw. Zerhacker eine Amsel, was von erfahrenen Ornithologen zumindest in Zweifel gezogen wird, während andererseits, wenn du dafür eine Drossel in Betracht gezogen hättest, Stichwort Drosselschmiede für das behauste Beuteexempar, eine erhebliche Minderung, wenn nicht gar der Wegfall des Zweifels wahrscheinlich gewesen wäre. Dass du dadurch deine Terzine, die unter dem Strich einen unwesentlichen Sachverhalt verhältnismäßig in die Länge zieht, somit doch ein wenig entwertest, muss dir einigermaßen klar sein. Ich werde das auf jeden Fall im Auge behalten.
Schmerzlich grüßt dich Gil.

 Tula meinte dazu am 02.12.23 um 21:11:
Hallo Gil
Hier lernt man immer wieder etwas dazu. Ich gebe ja zu, ich kann gerade noch Ente von Gans unterscheiden, vor allem wenn sie als Braten aus dem Ofen kommen  :D
Nein ganz ehrlich, ich erinnere mich, gegoogelt zu haben, ob Schnecken tatsächlich auf dem Speiseplan der Amsel stehen. Aber WIE die verzehrt werden, ist natürlich eine andere Frage. Wir wollen schließlich auch stets das zarte Fleisch. Dass die Drossel da pfiffiger ist, wusste ich gar nicht. Vor allem, dass sie stets den gleichen Stein nehmen. Die Drosselschmiede könnte als Werkzeug also bereits vor dem Faustkeil erfunden worden sein. Witzig.
Nun will ich meine Antwort nicht weiter in die
L
ä
n
g
e
ziehen und bedanke mich mit einem
Lieben Gruß
Tula

Antwort geändert am 02.12.2023 um 21:12 Uhr

 Graeculus (02.12.23, 16:41)
Ein einziger Augenblick kann eine Liebesbeziehung auslösen ... oder ruinieren.
Du stellst das unterhaltsam und gekonnt dar.

 Tula meinte dazu am 02.12.23 um 21:15:
Hallo Graeculus
So ist es. In der Regel bei besonders schönen Augen-Blicken, das reicht ja, um als Mann den Verstand zu verlieren   ;)

LG
Tula

 EkkehartMittelberg (02.12.23, 21:03)
hallo Tula,

jetzt haben mir die anderen Schlaumeier gar nichts mehr für einen originellen Kommentar deiner brillanten Terzinen auf die Bindung übrig gelassen, außer, dass die Natur niemals lügt und Glück sich selbst der Kacke fügt.

Amüsierte Grüße
Ekki

 Tula meinte dazu am 02.12.23 um 21:19:
Hallo Ekki
Mit dieser Schlußfolgerung lässt du mich ebenfallls sprachlos.   :D

Dass die Natür niemals lügt, passt ja auch zum Thema. Bei diesem wohnt die Wahrheit stets im Herzen, nicht im Kopf.

LG
Tula

 Saira (03.12.23, 18:44)
Hallo Tula,

mein Kompliment für deine gelungenen Terzine!

Bezaubernde Bilder, die du kreiert hast. Herzerwärmend!

Liebe Grüße
Sigi

 Tula meinte dazu am 03.12.23 um 21:51:
Hallo Sigi
Ich könnte wetten, die beiden bauen gerade einen Schneemann im Park  :)

Lieben Adventsgruß
Tula

 harzgebirgler (05.12.23, 11:18)
hallo Tula,

scheint auch die welt bereits voll aus den fugen
kommt's vor dass sich so fügungen zutrugen. :D

lg
harzgebirgler

 Agnetia (03.01.24, 21:33)
manchmal geschehen Dinge ,die unerwartete Folgen haben, Tula 
eine schöne Ballade mit gutem Ausgang. LG von Agnete

 Tula meinte dazu am 03.01.24 um 23:29:
Danke Agnetia
So ist es und wollen wir hoffen, dass dieses Jahr allen hier etwas unerwartet Positives bringt.
Dankend lieben Gruß
Tula
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