Innere Dämonen

Kurzgeschichte zum Thema Krieg/Krieger

von  Judas

Dieser Text ist Teil der Serie  Soldat

Fro drehte sich nicht noch einmal um. Er sah nicht zurück. Ging an Remi vorbei in den Frachtraum des kleinen Transportraumschiffes, warf sich zwischen die Kisten und schloss die Augen. Aber die Bilder verschwanden nicht.

Irgendwann muss er dann doch eingeschlafen sein, denn die Worte „Fro, hey, Fro... komm schon, wach auf, Mann“ weckten ihn. Als hätte er nie wirklich geschlafen, öffnete er die Augen und blickte in Remis besorgtes Gesicht. Sein Kreislauf war unten, er hatte Durst und Hunger, das wusste er, aber spürte es nicht. Nicht wirklich.

„Hey... ich... hab vorne Kaffee...“ druckste Remi herum und Fro wusste, dass es hier nicht um Kaffee ging. Aber er tat Remi den Gefallen und stand wortlos auf, um ihm in das Cockpit des Frachters zu folgen. Durch die breite Frontscheibe sah er die schwarzen Weiten des Weltalls. Er hatte keine Ahnung, wo sie waren und wie weit sie sich mittlerweile vom Mars und dem ganzen Sonnensystems schon entfernt hatten. Fro musste sich ein wenig ducken, die Decke hier war niedrig, Remi brachte ihm irgendeine heiße, schwarze Plörre und setzte sich wieder in den Capitänssitz. „Fro, du weißt, ich mag dich und ich bin dir auch echt dankbar, was du für mich getan hast, aber... aber ich glaube, ich hab meine Schuld jetzt beglichen, oder? Es... wir sind bald an einer kleiner, neutralen Station. Ich kann dich da raus lassen.“
Fro schwieg. Remi veranlasste es dazu, sich ungefragt weiter zu erklären.
„Hör mal ich kann dich nicht mitnehmen. Ich bin nur ein kleiner Geschäftsmann mit kleinem Frachter. Wenn die mich scannen an der nächsten Station und die sehen, ich hab 'nen Passagier und die prüfen dich und sehen, wo du herkommst und wer du bist... scheiße, Fro, das... ich kann nicht. Ich kann einfach nicht, okay?“
Fro schwieg weiter. Er nippte an dem, was Kaffee sein sollte und starrte weiter hinaus ins All. So viele Sterne. So verfickt viele Sterne.
Remi seufzte schwer.
„Es ist nichts gegen dich. Aber ich war noch nie in illegale Handlungen verstrickt, Mann und ganz ehrlich, einen Kriegsverbr... äh ich meine einen Marssol-soldaten schmuggeln, das ist ganz schön weit oben auf der Skala von illegalen Dingen, verstehst du? Die inhaftieren mich doch sofort.“
Fro schwieg noch immer. Was gab es da schon zu sagen, er verspürte keinen Groll gegen Remi.
Aber es gab so verfickt viele Sterne.

„Schau...“ druckste Remi dann herum, „... ich hab da was gehört. Es gibt da ein ziemlich großes Projekt zur Erkundung fremder Galaxien...“
„Zur Erschließung neuer Lebensräume. Ich weiß,“ sagte Fro tonlos.
„Ja genau,“ fuhr Remi fort, ein wenig begeistert, da sein Begleiter endlich mal etwas gesagt hatte. „Die gehen zum Arsch des Universums, da haben die Staaten keinen Einfluss, das Gute ist, dass private Firmen das lenken... du könntest doch dort anheuern, oder?“ Remi formulierte seinen Vorschlag eher kleinlaut. Fro nahm die Augen vom Weltall und starrte Remi an. Dieser zuckte unter dem Blick regelrecht zusammen.
„Ich meine ja nur, die lehnen einen wie dich bestimmt nicht ab, Mann!“ 

„Einen wie mich, hm.“ 

„Ja, ich... ach komm schon, du weißt, was du kannst. Und die Reise wird ewig dauern! Vielleicht gibt’s nicht mal 'ne Rückkehr und wenn doch, dann sind deine Verbrech... äh ich meine Anschuldigungen bestimmt längst vergessen!“ 

Fro nippte an dem Kaffee. „Mord verjährt nicht,“ meinte er tonlos.

„Setz mich auf der Station ab,“ sagte Fro und ging nach hinten in den Frachtraum.
„Du weißt, ich meine das nicht böse! Ich hab nichts gegen dich, ehrlich...!“ rief Remi ihm nach.


Eine Stunde später stand Fro im Hangar irgendeiner gottverlassenen Weltraumstation, um die sich kein Sack mehr scherte. Sie kreiselte um irgendeinen wertlosen Asteroidengürtel und keine Seele wusste mehr, warum diese Station eigentlich gebaut worden war.
Fro griff in seinen Rucksack und holte einen kleinen Projektor hervor. Es war so ein billiges Ding, welches man den Touristen nachwarf – als ob der Mars je wirklich Touristen gehabt hätte oder haben würde. Ein kleiner Knopf schaltete das Hologramm an. Ein Mini-Mars flackerte in 3D vor Fros Nase auf. Er schloss kurz die Augen und schluckte, aber der Kloß in seinem Hals wollte nicht verschwinden. Eine Weile rang er mit sich selbst, ehe er das Hologramm wieder anblickte. Nach ein paar Sekunden steckte er den Projektor weg, stützte sich schwer auf die Reling an der er stand und starrte durch die Glaskuppel hinaus ins All. Er musste ein paar Mal blinzeln, damit diese scheiß Tränen verschwanden.

Und so verfickt viele Sterne.





Anmerkung von Judas:

Charakterstudie.
SciFi.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (29.01.24, 08:19)
Ein Kaufmann hat Sorge, für seinen Kumpel, den Mörder, konsequent einstehen zu müssen und der andere kann nichts daran ändern und sieht seiner Verbannung mit gemischten Gefühlen entgegen. Das englische Gedicht am Schluss finde ich überflüssig, und auch die Überschrift trifft nicht unbedingt den Kern der Story, weil eigentlich keine "inneren Dämonen" beschrieben sind. Aber der Text ist von ansprechender Qualität. LG Gina

Kommentar geändert am 29.01.2024 um 08:25 Uhr

 Judas meinte dazu am 29.01.24 um 09:42:
Danke. Ob der Mörder wirklich Mörder ist oder nicht einfach "nur" Soldat...?
Ich fand "Innere Dämonen" eigentlich ganz gut, aber ich hab auch mehr Hintergrundwissen zu den Charakteren. Hättest du einen besseren Vorschlag als Titel?



Antwort geändert am 29.01.2024 um 10:52 Uhr

 Melodia antwortete darauf am 29.01.24 um 17:22:
"Gefahrentransport"? ;)

 Judas schrieb daraufhin am 29.01.24 um 17:28:
Hmmmmmm.

 Judas äußerte darauf am 30.01.24 um 10:40:
Oder oder oder!
Wie wäre es mit Folie à deux? Im Hinblick darauf, dass der andere Text auch einen franz. Titel hat (L'appel du vide) Folie à deux ist eine Geistesstörung/Halluzination/Wahrnehmungsstörung die von zwei Personen erlebt wird.

 Melodia ergänzte dazu am 01.02.24 um 19:12:
Hmm, passt es denn? 
Ehrlich gesagt, bin ich mir beim anderen Titel auch nicht zu 100% sicher, ob es dem Inhalt entspricht, da das LI de facto keinen "Call of the void" verspürt ...

 Regina meinte dazu am 01.02.24 um 19:15:
"Gefahrentransport" finde ich gut.

 Judas meinte dazu am 02.02.24 um 13:33:
Oh doch, den fühlt er, glaub mir. Mir ist klar, dass diese Texte alle "in medias res" sind und das Hintergrundwissen zum Protagonisten fehlt bzw maximal angedeutet ist deshalb möchte ich da nicht zu viel für euch rein- oder weginterpretieren aber an sich waren beide Titel sehr sorgfältig gewählt... xD

Antwort geändert am 02.02.2024 um 13:34 Uhr

Antwort geändert am 02.02.2024 um 13:34 Uhr

 Melodia meinte dazu am 03.02.24 um 10:16:
Dann habe ich nichts gesagt und erhoffe mir mehr Texte zu dieser Geschichte/diesem Chrakter. :D

 Judas meinte dazu am 03.02.24 um 10:18:
Naja ich finde schon, dass er in besagtem Text in einen Abgrund schaut (halt einen metaphorischen) am Ende und da aber dann auch springt. (metaphorisch)
Ich überlege immer noch wegen "Gefahrentransport" es klingt irgendwie so leicht humoristisch. Hmmmmmmmmmmm.
How about "Böses Blut"?

Antwort geändert am 03.02.2024 um 10:19 Uhr
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